Montag, 15. Juni 2015

Der Start: Bücher "rauf und runter"

Die Premiere - mein erster Blog


Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war - CoverbildSo, liebe Leute, es ist geschafft: Nach ein bisschen überlegen (Soll ich? Soll ich nicht?) will ich euch nun  regelmäßig ein paar Bücher vorstellen. Und nein: Ich werde nicht die Spiegel-Bestsellerliste abarbeiten. Das tun schon andere. Ich will euch zeigen, was ich gerade lese oder schon vor einer Weile gelesen habe. Das heißt: Es werden aktuelle Titel dabei sein, aber auch Bücher, die schon länger auf dem Markt sind. Ich freue mich, wenn ihr den einen oder anderen Kommentar da lasst. Aber jetzt ist es genug geschwafelt, es geht gleich nahtlos weiter zum ersten Buch.

Das Buch über ein Leben in der Anstalt

Vor kurzem habe ich tatsächlich einen Spiegel-Bestseller gelesen, und zwar Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war von Joachim Meyerhoff. Er ist 2015 erschienen und wurde mir von meinem Lieblings-Buchhändler empfohlen. Meyerhoff erzählt darin von seinem Leben in der Psychiatrie. Nein, nicht er ist es, der therapiert wird. Er lebt als Sohn des Direktors mitten auf dem Anstaltsgelände in Schleswig, zusammen mit seinen Eltern und den beiden älteren Brüdern. Das Buch beginnt, als der Autor sieben Jahre alt wird und endlich allein, ohne seine Mutter, zur Schule gehen darf. Eine Woche befolgt er die strikten Instruktionen seiner Eltern und geht genau den verabredeten Weg, aber schon zu Beginn der zweiten Woche ist es ihm zu langweilig und er macht einen Schlenker durch die verbotene Schrebergartensiedlung. Der Leser ahnt, dass das nicht ohne Folgen bleiben kann. Prompt findet das Kind Joachim einen Toten, aber in der Schule glaubt die Geschichte zunächst niemand. Das Erlebnis entwickelt sich zu seinem Leidwesen ganz anders als erhofft.


Ein Leben wie ein Roman - so etwas musste aufgeschrieben werden

 

Die Kindheit und Jugend des Autors hat nichts mit dem zu tun, was wir als „normal“ ansehen würden. Meyerhoff beschreibt die Geburtstagskaffeetafeln des Vaters mit immer denselben Gästen. Da sitzen dann keine Verwandten, Freunde oder Bekannten mit am Tisch, sondern vier Patienten: Margret, die das ganze Jahr über eine gemusterte Kittelschürze trägt und deren Sätze so klingen, als würden sie aus einem einzigen Wort bestehen; Ludwig, der sich jedes Jahr wieder wünscht, den Familienhund zu streicheln, es aber viele Jahre nicht schafft und hysterisch aus dem Zimmer rennt und die Feier ruiniert; Dietmar, der pausenlos Fragen stellt und seinen Kot auf die Klowände schmiert; und zu guter Letzt Kimberley, die sich nach dem Geburtstagskäffchen halb nackt zum Sonnen auf den Rasen legt.

Die Mutter versucht so gut es geht, zwischen nachts schreienden Patienten und unzähligen Skurrilitäten so etwas wie Normalität herzustellen. Nach und nach wird deutlich, dass ihr diese Aufgabe allmählich über den Kopf wächst. Ihr Mann, der allseits geachtete Psychiatriedirektor, ist ihr und ihren Söhnen gegenüber leider wenig empfindsam und vertieft sich lieber in theoretische Exkurse.

Die Fassade wird viele Jahre aufrechterhalten, bis diese durch den Unfalltod eines Familienmitglieds Risse bekommt. Das Zerbröseln des familiären Zusammenhalts nimmt Fahrt auf, als das Doppelleben des Vaters auffliegt.

Meyerhoff beschreibt die Figuren in seinem Roman so deutlich, dass sie beim Lesen klar vor Augen stehen. So kann man zum Beispiel das immer stärker werdende Läuten hören, wenn sich der Glöckner nähert. Man sieht ihn vor sich, in schwarzer Kleidung und mit schwarzen, zerzausten Haaren, wie er mit weit ausladenden Armbewegungen die Glocken in seinen Händen beim Gehen durch den Anstaltspark schwenkt. Die Angst des Kindes Joachim vor dem Patienten kann man als Leser gut nachfühlen. Aber Meyerhoff schildert auch andere Szenen so lustig, dass man immer wieder laut auflacht. Dass das Leben in der Anstalt nicht nur witzig oder seltsam war, wird jedoch auch beschrieben. Meyerhoff spart die traurigen und tragischen Phasen nicht aus.

Kaufen? Ja!

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, gerade wegen seiner Ausgewogenheit von Humor und Ernsthaftigkeit. Na klar, so gut wie niemand wächst in so einer Umgebung auf, darum erübrigt sich auch jeder Vergleich. Aber das Buch zeigt auf, dass das Heranwachsen eines Kindes in solchen ungewöhnlichen Umständen nicht dazu führen muss, dass aus ihm ein psychotischer Erwachsener wird, der an seinem Leben verzweifelt.

Das bei KiWi erschienene Taschenbuch kostet 9,99 €.