Freitag, 18. September 2015

# 16 - Leben, Liebe und Ehre - was ist wirklich wichtig?

Wie wahr ist die Wahrheit?


Heute geht es um den Roman Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert, dessen deutschsprachige Ausgabe erstmals 2013 im Piper Verlag veröffentlicht wurde. Der Autor Joël Dicker stellt zwei Männer in das Zentrum seines Romans.


Beste Freunde halten zusammen

 

Da ist Marcus Goldman, ein Schriftsteller, der im Herbst 2006 mit 28 Jahren sein Erstlingswerk veröffentlicht und damit einen Riesenerfolg gelandet hat. Eine Zeit lang war sein Name in aller Munde, doch nun erwartet sein Verleger, dass er seinen Vertrag erfüllt und vier weitere Bücher vorlegt. Aber es geht einfach nicht: Marcus setzt sich immer wieder an seinen Computer und versucht, einen weiteren Bestseller zu schreiben, aber er bringt nichts Brauchbares zu Papier. Die „Schriftstellerkrankheit“ hat ihn voll im Griff. Auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskrise ruft er im Februar 2008 seinen langjährigen Mentor Harry Quebert an und bittet ihn um Hilfe.

Quebert ist ebenfalls Schriftsteller und zehrt seit 33 Jahren von seinem Bucherfolg mit dem Titel "Der Ursprung des Übels", in dem es um eine unmögliche Liebe geht. Dieser Roman machte ihn auf einen Schlag berühmt und wohlhabend. Ein ähnlicher Erfolg ist ihm seitdem nicht mehr geglückt.
Harry Quebert war damals zuvor von New York in die Kleinstadt Aurora gezogen, einem (fiktiven) Ort im US-Bundesstaat New Hampshire. In dieser ziemlich spießigen und provinziellen Umgebung ist er seitdem geblieben - allein lebend in seinem Haus an einem Meeresarm, dem Goose Cove.
Goldman und Quebert kennen sich seit 1998: In diesem Jahr begann der 20-jährige Goldman sein Literaturstudium am Burrows College in Massachusetts, wo der damals 57-jährige Quebert als Professor tätig war. Quebert hat früh das Talent des jungen Studenten erkannt und ihn während seiner ganzen Collegezeit unterstützt und motiviert. Daraus hat sich eine tiefe und von gegenseitigem Respekt geprägte Freundschaft entwickelt. Quebert will Goldman aus seiner Krise heraushelfen und lädt ihn zu sich ein.


Plötzlich ist alles anders - eine unfreiwillige Zeitreise in die Vergangeheit beginnt

 

Als sich Goldman allein in Queberts Haus aufhält, stößt er zufällig auf eine Schachtel, die Fotos, Zeitungsartikel und den Liebesbrief einer gewissen Nola enthält. Quebert weiht daraufhin Goldman in sein größtes Geheimnis ein: Die nur 15-jährige Nola war die große Liebe seines Lebens, doch wegen des großen Altersunterschiedes von 19 Jahren haben beide ihre Beziehung geheim gehalten. Eines Abends Ende August 1975 wurde sie von einer Nachbarin blutend gesehen und verschwand danach spurlos. Niemand hat seitdem wieder etwas von ihr gehört.
Goldman verspricht Quebert, niemals darüber zu sprechen und reist im März 2008 nach New York ab, um sein Buch zu schreiben. Die Zeit drängt: Sein Verleger hat ihm hierfür ein Ultimatum von drei Monaten gesetzt.
Doch am 12. Juni 2008 ändert sich die Situation von einer Minute auf die andere: Nolas Leiche wird bei Gartenarbeiten auf Queberts Grundstück gefunden. Um ihren Hals trägt sie eine Ledertasche, in der sich das Manuskript von "Der Ursprung des Übels" befindet, versehen mit der handschriftlichen Widmung 'Adieu, allerliebste Nola'. Eine Schädelverletzung lässt darauf schließen, dass sie ermordet wurde. Harry Quebert wird als dringend tatverdächtig festgenommen.
Goldman ist von dessen Unschuld überzeugt und bricht sofort nach Aurora auf, um seinem Freund zu helfen. Er wohnt in Goose Cove und ermittelt zunächst auf eigene Faust, später dann zusammen mit Seargant Gahalowood. Doch es gibt jemanden, dem es offenbar nicht gefällt, dass der Schriftsteller eigene Nachforschungen durchführt: Mehrmals findet Goldman Drohbriefe, dann gehen schließlich das Auto und kurz darauf auch das Haus von Quebert in Flammen auf.
"Der Ursprung des Übels" fällt mit dem Beginn der Ermittlungen gegen Quebert in Ungnade: Der Autor ist in den Augen der Bevölkerung nichts weiter als ein Pädophiler, der seine Gelüste unter dem Deckmantel einer angeblich unschuldigen Liebe ausgelebt hat. Alle Exemplare des Romans werden aus den Buchläden und öffentlichen Bibliotheken entfernt, das College entlässt ihn, Queberts Ruf ist ruiniert.

Goldman gibt dem Drängen seines Verlegers nach und erklärt sich bereit, über seine Ermittlungen ein Buch zu schreiben. Dieser bietet ihm dafür 1 Million Dollar an und sorgt im Hintergrund für eine gut geölte PR-Kampagne.


Es wird kompliziert

 

Ein graphologisches Gutachten beweist, dass die Widmung auf dem bei Nola gefundenen Manuskript nicht von Quebert geschrieben wurde. Damit bricht der Hauptbelastungspunkt der Staatsanwaltschaft weg, und Quebert wird freigelassen. Doch wer hat dann Nola getötet, wenn es nicht der Schriftsteller war? Goldman und Sergeant Gahalowood gehen in die Vergangenheit Auroras zurück und finden zahlreiche bislang gut gehütete Geheimnisse. Je mehr das Buch auf die Lösung des Mordfalls zugeht, umso mehr nimmt die Handlung Fahrt auf: Es werden weitere Verdächtige ausgemacht, es passieren ein Mord und ein vermeintlicher Selbstmord, ein reicher Unternehmer wird zu einem Outing genötigt.

Die Wahrheit über Harry Quebert ist nicht nur ein Kriminalroman. Er beleuchtet auch, wie sich die Freundschaft zwischen den beiden Schriftstellern verändert und thematisiert (Selbst-) Betrug und Lebenslügen. Obwohl der Roman etwa 720 Seiten umfasst, habe ich ihn in wenigen Tagen gelesen. Nach den letzten Zeilen ging es mir so, wie es im Nachwort mit einem Satz von Harry Quebert beschrieben wird: "Ein gutes Buch ist ein Buch, bei dem man bedauert, dass man es ausgelesen hat." 
So ist es.

Danke!

Das Buch Die Wahrheit über Harry Quebert wurde mir als Rezensionsexemplar vom Inhaber der Hemminger Buchhandlung, Herrn Stefan Koß, zur Verfügung gestellt, wofür ich mich ganz herzlich bedanke. Herr Koß bietet ein breites Spektrum unterschiedlichster Bücher an und besorgt nicht im Laden vorhandene Exemplare innerhalb eines Werktages. 
Die Kontaktdaten und Öffnungszeiten gibt es hier: Hemminger Buchhandlung