Freitag, 27. Mai 2016

# 52 - Wovor haben wir die größte Angst?

Vom Weglaufen vor dem Unvermeidlichen

 

Der Journalist Till Türmer hat sein Leben im Griff: Er lebt allein in Aurich, liebt die Ausritte auf seiner Stute Rubina und schreibt Biografien und Briefe für Menschen, denen die passenden Worte fehlen. Er ist ein empathischer und geduldiger Mann, zu dem Menschen schnell Vertrauen fassen und sich ihm öffnen. Doch er gerät an Grenzen, wenn es um das geht, dem niemand ausweichen kann: den Tod. Andreas Klaene beschreibt in seinem Buch Till Türmer und die Angst vor dem Tod wie schwer es ist, dem Unvermeidlichen auf Dauer auszuweichen.

Wann muss man sich dem Tod stellen?

 

Immer, wenn Till zu Rubina geht, begegnet er dem alten Jupp, der auf dem Reiterhof des Bauern Enno wohnt und alles macht, was anfällt. Jupp lebt dort ganz für sich. Keiner weiß besonders viel über den wortkargen Mann, aber für Till ist er ein Freund. Doch Jupp geht es schlecht. So schlecht, dass auch Till klar ist, dass es mit dem alten Mann bald zu Ende gehen wird. Er weiß von Enno, dass Jupp hofft, sich von Till im Krankenhaus verabschieden zu können. Nur ein letzter Besuch, ein paar Worte zum Abschied. Doch Till schiebt diesen Besuch so lange auf, bis Jupp tot ist. Wieder meldet sich Enno bei ihm: Ob Till ihm bei der Planung der Beisetzung helfen könne? Jupp habe keine Angehörigen mehr gehabt, und er, Till, sei doch so gut mit ihm befreundet gewesen. Till ignoriert Ennos Bitte, und Jupp wird ohne ihn beerdigt.

Ähnlich geht Till mit einer Kundin um, die ihn bittet, ihr in ihrem Namen einen Brief an ihre Tochter zu schreiben. Es ist klar, dass die an Krebs erkrankte Dame nicht mehr lange leben wird, aber ihr größter Wunsch ist es, ihre Tochter, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat, noch ein Mal zu sehen und mit ihr zu sprechen. Till sagt ihr zu, sich Gedanken zu machen, aber "vergisst" dann, seine Auftraggeberin zurückzurufen.
Er fühlt sich durchaus schlecht dabei, sich so zu verhalten, doch bisher fehlte eine starke Motivation, an dieser Einstellung zu arbeiten und sich zu ändern.

Auch Till Türmer muss sich entscheiden


Doch dann lernt er Sarah kennen. Sie ist für ihn zunächst nur so etwas wie ein Phantom, weil er durch das gekippte Fenster der Herrentoilette eines Auricher Restaurants nur ihre Stimme hören kann. Till ist sofort von deren Klarheit und Intensität fasziniert und beginnt, die unbekannte Frau zu suchen. Mithilfe der wenigen Informationen, die er an seinem Fensterplatz gehört hat, wird er schließlich fündig: Er begegnet Sarah in einem Supermarkt in Pewsum und erkennt sie an ihrer Stimme wieder. Durch ein Gespräch zwischen ihr und einer anderen Kundin erfährt er von einem kulturellen Ereignis, bei dem Sarah mitwirken wird. Für Till ist klar, dass er dorthin muss, wenn er Sarah wiedersehen will, doch er ist überrascht, worauf er trifft: Die junge Frau tritt im Rahmen einer Veranstaltung, auf der über Multiple Sklerose informiert wird, als Pianistin auf. Sie kommen ins Gespräch und fühlen sich sofort stark zueinander hingezogen. Doch als sie sich immer besser kennenlernen, erfährt Till, was Sarahs Leben bereits jetzt einschränkt und womit sie ihr Geld verdient. Zwei Dinge, die ihn aufwühlen und ihn unmittelbar mit der Endlichkeit des Lebens konfrontieren. Er muss sich entscheiden, denn eine Beziehung mit Sarah ist ohne die Anwesenheit des Todes nicht denkbar.

Ein sehr schöner Roman um ein "heißes Eisen"  

 

Andreas Klaene hat das von vielen Menschen als Tabu empfundene Thema Sterben und Endlichkeit in einem sehr flüssigen Schreibstil verarbeitet, der den Leser in die Handlung hineinzieht. Man kann durchaus auf die Idee kommen, dass dem ansonsten so offenen Till Türmer zu Beginn noch ein kleines Stückchen fehlt, um "richtig" erwachsen zu werden, aber der Autor beschreibt das Fluchtverhalten des Journalisten ohne einen erhobenen Zeigefinger. In einem kurzen Rückblick wird deutlich, welchen Ursprung Tills Angst vor dem Tod haben könnte und es passt zu ihm, sich mit seiner Vergangenheit nicht wirklich auseinandergesetzt zu haben.
Das Buch spielt in Ostfriesland, und Leser, denen die Gegend um Aurich vertraut ist, werden sicher das Eine oder Andere wiedererkennen. Auch die gute ostfriesische Sitte des Teetrinkens mit Stövchen sowie Kluntje und Wulkje ( großer, weißer Kandiszucker und eine Sahnewolke) fehlt hier nicht. 
Till Türmer und die Angst vor dem Tod ist ein lesenswertes Buch, das auch diejenigen in die Hand nehmen können, denen es so geht wie Till zu Beginn der Handlung. 


Till Türmer und die Angst vor dem Tod wurde bei epubli herausgegeben und kann sowohl dort als auch beim stationären oder Versandbuchhandel bezogen werden. Es kostet als Taschenbuch 10,99 € und als Kindle-Edition 4,99 €.