Samstag, 25. Februar 2017

# 89 - Rizzoli & Isles decken auf


Wo die Köpfe rollen




Die Überschrift übertreibt es etwas, aber in Der Meister der Thriller-Autorin Tess Gerritsen gibt es nicht mehr viel, was etliche Köpfe daran hindern könnte, sich von ihren Besitzern zu lösen: Ein Serienmörder geht um, der ein Muster fast vollständig kopiert, das Detective Jane Rizzoli vom Boston Police Department von ihrem vorangegangenen Fall Die Chirurgin ein Jahr zuvor nur zu gut kennt.



Der zweite Fall der Rizzoli-&-Isles-Reihe




Die 105-teilige TV-Serie Rizzoli & Isles ist vermutlich besser bekannt als die nur 11-bändige Buchreihe von Tess Gerritsen, auf der sie lose basiert. So lose, dass man die Polizistin Jane Rizzoli und die Rechtsmedizinerin Maura Isles nur ansatzweise wiedererkennt. Die literarische Isles hat ein völlig anderes Aussehen und Auftreten als ihr Fernseh-Pendant, nur hinsichtlich der fachlichen Kompetenz und Souveränität sind sich die beiden Figuren ebenbürtig. Jane Rizzoli wurde ebenfalls fernsehkonform verändert, wenn auch nicht so stark. Von einer engen Freundschaft der beiden Frauen kann im Buch im Gegensatz zur Fernsehserie keine Rede sein.

In Der Meister wird Rizzoli an einen Tatort gerufen, der außerhalb ihres eigentlichen Zuständigkeitsbereichs liegt: In Newton wurde der Chirurg Richard Yeager in seinem Haus ermordet aufgefunden, von seiner Frau fehlt jede Spur. Aber der ermittelnde Detective Korsak hatte die Arbeit Rizzolis im letzten Jahr verfolgt, als es ihr gelungen war, den Serienmörder Warren Hoyt zu stellen, der nachts in die Wohnungen von alleinstehenden Frauen eingebrochen war und seine Opfer getötet hatte, nachdem sie von ihm einem gynäkologischen Eingriff unterzogen wurden. Allen Taten war damals gemeinsam, dass den Opfern die Kehlen durchgeschnitten wurden.

Genau so wird auch Yeager vorgefunden: mit dem Rücken an einer Wand sitzend, mit durchtrennter Halsschlagader und Luftröhre. Auf einem Stuhl liegt ordentlich zusammengefaltet das mit Blut bespritzte Nachthemd seiner Ehefrau. Nach einer gründlichen Spurenauswertung stellt sich heraus, was sich im Schlafzimmer der Yeagers zugetragen hat: Der Täter hat Richard Yeager mit einem Taser bewegungsunfähig, aber nicht bewusstlos gemacht. Er lehnte den Mann gegen die Wand gegenüber des Bettes und zwang ihn so, hilflos die Quälereien anzusehen, die der Täter an seiner Frau vollzog. Erst dann brachte er ihn um.

Es tritt wenig später ein, was alle am Tatort Anwesenden befürchten: Die verschwundene Frau des Chirurgen wird gefunden – ebenfalls ermordet. Ihre Leiche befindet sich in einem Naturreservat an der Stadtgrenze von Boston. Doch dort bleiben Rizzoli und ihre Kollegen nicht allein: Wie aus dem Nichts taucht Agent Gabriel Dean vom FBI auf und mischt sich in die Arbeit der Polizei ein. Schon bald wird deutlich, dass er über Hintergrundwissen verfügt, das er aber nicht teilen will. Rizzoli und Korsak trauen ihm nicht über den Weg und vermeiden eine Kooperation, wo es möglich ist. Welches Interesse das FBI an diesem Fall haben könnte, ist völlig unklar.



Es bleibt nicht bei zwei Toten




Warren Hoyt verfolgt vom Hochsicherheitsgefängnis aus die Berichterstattung über die Ermittlungen im Fall des Ehepaars Yeager und erfährt so, dass Jane Rizzoli die hierfür verantwortliche Polizistin ist. Eben jene Rizzoli, die ihn vor einem Jahr in letzter Sekunde daran gehindert hatte, auch sie zu töten und die ihn zur Strecke gebracht hat. Hoyt beginnt darüber nachzudenken, wie er das Gefängnis verlassen und erneut Jagd auf sein Lieblingsopfer machen kann, das sich ihm entziehen konnte.

Kurz darauf ereignet sich in einem noblen Bostoner Stadtteil ein weiterer Mordfall, der dem der Yeagers mit Ausnahme eines kleinen Details gleicht. Der Cellist Alexander Ghent wird in derselben Haltung aufgefunden wie Tage zuvor der Chirurg Yeager. Auch in diesem Fall ist seine Frau offensichtlich entführt worden, nachdem Ghent die sadistischen Taten, die an seiner Partnerin verübt wurden, mitansehen musste. Doch die fehlende Kleinigkeit ist für Rizzoli und Korsak ein deutlicher Hinweis darauf, dass hier zwei Täter am Werk waren, die sich perfekt ergänzen.

Rizzoli kommt nicht um eine Zusammenarbeit mit FBI-Agent Dean herum, der zwar von ihr über jede neue Erkenntnis informiert werden will, selbst aber kaum etwas aktiv zum Ermittlungserfolg beiträgt und die Ausstrahlung eines kalten Fisches hat. Ihr Eindruck, dass er etwas zu verbergen hat, verstärkt sich.



Spannender Thriller mit ein paar Splatter-Effekten




Die Ehepaare Yeager und Ghent bleiben nicht die einzigen Opfer. Es zeichnet sich ab, dass der Beginn der Mordserie deutlich weiter zurückreicht und in einem ganz anderen Umfeld unbemerkt vollzogen werden konnte. Die Tatorte werden so detailliert beschrieben, dass der Leser direkt in die Umgebung hineinversetzt wird. Manchmal hätte allerdings auch eine zurückhaltendere und blutärmere Schilderung der Tat- und Leichenfundorte genügt, um sich alles gut vorstellen zu können.

Jane Rizzoli befindet sich in einem ständigen Kampf um Anerkennung und drängt jede Schwäche zurück. Das wirkt manchmal übertrieben und unnötig, zumal sich daraus einige Male eigentlich überflüssige Reibereien mit ihren männlichen Kollegen ergeben. Trotz allem ist Der Meister ein durchweg spannender Thriller, den ich Krimi-Freunden empfehlen kann.



Der Meister ist unter dem Originaltitel The Apprentice 2003 erschienen. Die deutsche Fassung wurde 2005 bei Blanvalet herausgegeben. Ich bedanke mich beim Bloggerportal für das Überlassen eines Rezensionsexemplars.

Der Meister kostet als Taschenbuch 9,90 €, als eBook (epub) 8,99 € sowie als Hörbuch-Download 27,95 €.