Samstag, 22. April 2017

# 96 - Praktische Lebenshilfe? Wie Ökonomen die Welt sehen

Gesammeltes aus fast allen Lebensbereichen

 

Der Autor und Journalist Stephen J. Dubner und der US-Ökonom Steven D. Levitt haben mit ihrem Buch Wann Sie eine Bank überfallen sollten den dritten Band ihrer Reihe herausgebracht, in der sich reichlich gesammelte Erkenntnisse oder Überlegungen zu Problemen, die die Welt oder doch wenigstens die beiden Herren bewegen, finden. Nicht nur die Titelfrage wird in etwa beantwortet, auch andere alltagstaugliche Antworten auf Fragen, die man vorher gar nicht hatte, werden angesprochen. Eine Auswahl: Wie beseitigt man den Flugstau über New York? Würde eine höhere Bezahlung bessere Politiker anlocken? Wie viel würde Pepsi dafür zahlen, an Coca Colas Geheimrezept zu kommen?

Das was vom Blog übrigblieb

 

Die beiden Autoren sind offenbar auch privat befreundet, nur so lässt sich der lockere Ton deuten, den sie anschlagen, wenn sie über den jeweils anderen schreiben. Doch beim Lesen des Buches wird man den Eindruck nicht los, dass Dubner und Levitt der große Erfolg ihrer beiden vorangegangenen Titel Freakonomics (2007) und SuperFreakonomics (2010) zu der Erkenntnis gebracht hat: Da geht noch was. Auch finanziell. So liest sich zumindest Wann Sie eine Bank überfallen sollten: Die US-Ausgabe erschien 2015, die mir vorliegende deutsche 2017. Die Texte, die jeweils maximal fünf Buchseiten lang sind, stammen alle vom gemeinsam betriebenen Blog Freakonomics, dessen Posts auch mehrere Jahre über die New York Times liefen. Die ältesten von ihnen reichen allerdings bis ins Jahr 2005 zurück, sofern sich das anhand der Datierung überhaupt nachvollziehen lässt. Das, was 2005 die USA oder auch die Welt interessiert hat, lädt heute zum Überblättern der Seiten ein. Dazu passt die Redewendung "Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern": Dieses Gefühl hinterlässt der eine oder andere Beitrag. Von der Relevanz der Überlegungen ergibt sich eine Kluft zwischen den Erwartungen, die beim Buchkäufer geweckt werden, und dem, was das Buch tatsächlich hergibt: Die Auswahl der Blogbeiträge wirkt eher wie der "Rest vom Schützenfest", aber nicht wie fundierte Überlegungen zu relevanten Wirtschaftsthemen. Da wird beispielsweise darüber nachgedacht, warum es nicht üblich ist, einer Stewardess im Flugzeug ein Trinkgeld zu geben, obwohl das bei der Bedienung im Restaurant als selbstverständlich angesehen wird. Diese Frage wird nicht etwa mit einer fundierten  Begründung beantwortet, sondern es wird mit Mutmaßungen im Nebel gestochert. Am Ende des Textes angekommen ist der Leser so schlau wie zuvor.
Geht es dann tatsächlich um ökonomische Themen, wird an diese immer wieder mit einer Sichtweise herangegangen, die nahelegt, dass den Autoren der Blick über den eigenen Tellerrand und damit die Verknüpfung mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen nicht so leicht fällt. Vermutlich würden z. B. Mediziner und Soziologen angesichts des Vorschlags, den Levitt dem früheren britischen Premierminister David Cameron kurz vor dessen Wahl gemacht hat, die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Er hatte sich überlegt, wie man das britische Gesundheitswesen von Grund auf reformieren könnte: Jeder Brite sollte zum 1. Januar eines Jahres 1.000 £ bekommen, die grundsätzlich frei verwendet werden können, aber für Gesundheitskosten gedacht sind. Ergänzend dazu schlug er ein gestaffeltes Zuzahlungssystem vor, wonach sich die Zuzahlung durch den Staat prozentual bei größeren Gesamtaufwendungen erhöht. Alles, was über 8.000 £ pro Jahr hinausginge, übernähme die staatliche Gesundheitsfürsorge komplett. Nur bei schweren Erkrankungen käme der Staat vollständig für die Kosten auf. Verursacht jemand bis zu 8.000 £ Gesundheitskosten, müsste er die Hälfte davon aus der eigenen Tasche bezahlen. Angesichts dessen, dass von den rd. 65 Millionen Einwohnern mittlerweile 13,5 Millionen als arm gelten, mag man sich nicht ausmalen, was es hieße, wenn diese Bevölkerungsgruppe im schlechten Fall umgerechnet 400 Euro Gesundheitskosten pro Monat aufbringen müsste.

Lesen?

 

Wann Sie eine Bank überfallen sollten ist kein "Muss" im Bücherschrank. Vieles hat den Charakter eines launigen Geplauders, und durch die lange Dauer zwischen der Veröffentlichung einiger Beiträge auf dem Blog und dem Erscheinen des Buches hat sich die eine oder andere Erkenntnis von selbst erledigt.

Wann Sie eine Bank überfallen sollten ist im Penguin Verlag erschienen und kostet als Taschenbuch 10 € sowie als Kindle- oder epub-Edition 8,99 €. Das Buch wurde mir vom Bloggerportal zur Verfügung gestellt, wofür ich mich herzlich bedanke.