Freitag, 26. Mai 2017

# 101 - Wer ist hier eigentlich verrückt?

In der Provinz sterben die Menschen wie die Fliegen

 

Nach dem Lesen des neuesten Romans von A. C. Scharp Das forensische Gemetzel drängt sich vor allem eine Erkenntnis auf: Tut alles, um niemals in eine forensische Psychiatrie zu kommen. Und schon gar nicht in die von Frackhausen. 

Ein Geheimnis zu viel 

 

Die forensische Klinik von Frackhausen ist der Dreh- und Angelpunkt in diesem Roman und das unfreiwillige Zuhause von notorischen Brandstiftern, Serienmördern und Kannibalen. Der kleine Ort hat sich mit ihrer Anwesenheit  einigermaßen arrangiert, man lebt unaufgeregt nebeneinander her. Das ändert sich schlagartig, als bekannt wird, dass in Kürze ein neuer Patient eingeliefert werden soll: Der ehemalige Frackhausener Bürger und Polizist Henning Mansen hatte es sich vor Jahren zu seiner Mission gemacht, die von ihren Ehemännern drangsalierten Frauen seines Heimatortes von ihrem Leid zu erlösen und ihnen eine bessere Zukunft im Jenseits zu ermöglichen. Aufgrund der von ihm als Wohltätigkeit eingestuften Morde hat das kleine Kaff seitdem vier Witwer mehr. Die Nachricht von Mansens Rückkehr löst bei den Einheimischen keine Begeisterung aus. Die vier unfreiwillig alleinlebenden Männer sind über den Umstand, dass derjenige, der ihnen ihre Gattinnen und damit ihr Personal und ihre Opfer genommen hat, sie jetzt mit seiner Anwesenheit quasi verhöhnt, ziemlich aufgebracht. Sie sind sich schell einig: Mansen muss weg! Und zwar endgültig und ohne Rückfahrschein. Seine Ermordung ist da schnell beschlossene Sache. Nur wollen sich die Vier weder selbst die Hände schmutzig machen, noch wissen sie, wie sie sich Mansen so weit nähern könnten, dass eine Ermordung möglich wäre. Doch auch dieses Problem wird recht schnell gelöst: Es muss jemand anders her. Jemand, der dem Serienmörder nahe genug kommt, um ihm den Garaus machen zu können. Die Witwer verfallen auf eine grandiose Idee: Um die Sache möglichst zuverlässig und kostenneutral zu gestalten, muss sich jemand vom Klinikpersonal um Mansens Ableben kümmern. Jemand, der Dreck am Stecken hat und somit erpressbar ist. Da einer der vier Männer über sehr gute Computerkenntnisse verfügt, ist die richtige Person schnell gefunden: Der Chefpsychologe Mike Sanger hat eine derart klaffende Lücke in seinem beruflichen Lebenslauf, dass seine Existenz auf einen Schlag vernichtet wäre, wenn Details bekannt würden. 
  

Chefpsychologe schlittert von einer Bredouille in die nächste 

 

Sanger ist attraktiv, mit einer ihn fast täglich prügelnden Frau verheiratet und der Schwarm der drallen Schwester Dörte. Die werte Gattin zu verlassen ist für ihn keine Option: Sie weiß von seinem Problem mit dem Lebenslauf und würde im Fall einer Trennung wahrscheinlich nicht zögern, die Bombe platzen zu lassen. In der Klinik kann er sein Geheimnis bis jetzt gut kaschieren. Das führt aber auch dazu, dass er sich nicht in der Lage sieht, Patienten mit einer guten Prognose zu entlassen. Die Folge: Das Haus ist bis zum Anschlag belegt, der Landrat übt deshalb Druck auf den Klinikchef Dr. Mäuchel aus, der diesen gern an seinen Chefpsychologen weitergibt. Da flattert ein ungelenk formuliertes Schreiben auf Sangers Schreibtisch: Jemand will, dass er für Henning Mansens Tod sorgt. Anderenfalls würde die Klinik von Sangers Geheimnis erfahren. 
Die Drohung wirkt. Sanger will auf jeden Fall verhindern, bloßgestellt zu werden und durchdenkt mehrere mögliche Tathergänge. Doch die Sache eskaliert, und am Ende sind mehrere Hundert Menschen tot. 

Wie war's?

 

Das forensische Gemetzel ist ein flott und unterhaltend geschriebener Roman, der beim Lesen Zweifel aufkommen lässt, ob die Patienten hier wirklich einen größeren Sprung in der Schüssel haben als das Klinikpersonal. 
Das Buch ist voll schwarzem Humor, aber hat trotz der vielen Leichen nichts von einem Krimi. An manchen Stellen wäre es allerdings schön gewesen, wenn einige Situationen lebensnäher und wahrscheinlicher gestaltet worden wären. So geht dem Roman etwas von seiner Glaubwürdigkeit verloren. Doch die eigene Beschreibung der Autorin trifft es genau: Das forensische Gemetzel ist für Liebhaber der burlesken Absurdität.

Das forensische Gemetzel ist als Self-Publishing-Ausgabe erschienen und kostet als Taschenbuch 9,99 Euro und als Kindle-Edition 2,99 Euro.