Dienstag, 29. Juli 2025

# 483 - Surreale Kurzgeschichten

Etgar Keret ist ein Experte für Kurzgeschichten. Nicht
nur, aber auch. In seinem neuesten Buch Starke Meinung zu brennenden Themen versammeln sich 33 von ihnen und bieten ihren Leserinnen und Lesern einen oft surrealen Blick aufs Leben.

Haben wir uns nicht manchmal gewünscht, in eine Zeitmaschine zu steigen und in der Zeit vor oder zurück zu reisen? Kerets Vision in einer der Geschichten macht es möglich, hat jedoch einen entscheidenden Haken: Wer in die Zukunft reist, nimmt an Körpergewicht zu; wer sich in der Vergangenheit umsehen möchte, verliert zwar einige Kilogramm, muss sich aber mit den Gefahren des vergangenen Zeitalters herumschlagen und dort bleiben, wenn er nicht wieder sein altes (Über-)Gewicht bekommen will.

Der Verlauf der titelgebenden Geschichte der englischen Ausgabe (Autocorrect) erinnert entfernt an den Kinofilm "Und täglich grüßt das Murmeltier": Juvi ist CEO des von ihm gegründeten Unternehmens. Heute ist ein wichtiger Tag, weil die Chinesen einen Vertrag unterschreiben werden. Sein Vater kommt an diesem Morgen schon früh in Juvis Wohnung und möchte mit ihm gemeinsam in die Firma fahren. Doch dann gibt es einen Unfall, bei dem der Vater ums Leben kommt. Die Frage, die sich Keret gestellt hat, lautet: Hätte das Unglück durch eine andere Entscheidung verhindert werden können? 
Wie oft haben wir uns das nicht schon selbst gefragt: Was wäre gewesen, wenn ich dies oder jenes getan oder gelassen hätte? Wir haben darauf keine Antwort, aber Keret nimmt sich die Freiheit, den morgendlichen Ablauf wieder und wieder wie einen Film zum Anfang zurückzuspulen. Jeder neue Anfang birgt die Chance, dass nun alles gut wird oder das Schicksal erneut die Keule herausholt.

Fast alle Kurzgeschichten spielen in Israel, der Heimat des Autors, und viele ranken sich in irgendeiner Weise um den Tod. Keret greift in den meisten dieser kurzen Szenarien ein aktuelles Thema auf und überzeichnet es stark. Das gilt auch für die Titelgeschichte der deutschen Ausgabe: Im Mittelpunkt steht ein Mann, der auf eine Zeitungsanzeige stößt, die provokativ "Haben Sie eine starke Meinung zu brennenden Themen?" fragt. Meine Güte, wer hat das heutzutage nicht? Sind wir nicht umgeben von Leuten, die weniger durch Kenntnisse, aber umso mehr durch ihre (laut)starken Meinungen auf sich aufmerksam machen? Und haben diese Leute nicht so viele Möglichkeiten wie nie zuvor, gequirlten Blödsinn in die Welt zu pusten? Hier setzt Kerets Geschichte an und gewinnt an Fahrt, als der junge Mann den zweiten Satz der Annonce liest: "Jetzt können Sie viel Geld aus Ihren Meinungen machen!" Ein Geschäftsmodell, das mit einem stabilen Einkommen mit wenig Leistung lockt - oder?

Lesen?

Etgar Keret greift wie nebenbei politische und gesellschaftliche Dystopien auf, die zum Teil bereits Wirklichkeit geworden sind: Das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023, der seit dem Ende des 19. Jahrhunderts währende israelisch-palästinensische Hass oder die Corona-Pandemie sind Beispiele dafür. Viele Texte beschreiben einen Alltag, der so auch in den USA stattfinden könnte: Hedgefonds, Dating-Plattformen oder Streaming-Dienste sind Teil des Lebens. Nur wegen der israelischen Ortsbezeichnungen oder den Erwähnungen des israelischen Militärs sowie der Hisbollah wird dieser irreführende Eindruck geradegerückt. Tatsächlich wurden zahlreiche Kurzgeschichten aus diesem Buch in US-amerikanischen Medien veröffentlicht. Jüdisches Leben kommt nur vereinzelt vor, was ein deutlicher Gegensatz zu Büchern anderer jüdischer Autorinnen und Autoren wie beispielsweise Deborah Feldman oder Akiva Weingarten ist.

Kerets Art, zu schreiben, ist sehr speziell und oft irritierend. Bei manchen Geschichten bleibt das Lachen im Hals stecken, weil trotz des Humors, der sich durch die Seiten zieht, viele der Hauptfigur von einer atmosphärischen Düsternis umgeben sind, die sie daran hindert, glücklich zu sein, obwohl sie vom Glück nur eine Handbreit entfernt sind. Kann ich Starke Meinung zu brennenden Themen empfehlen? Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht.

Starke Meinung zu brennenden Themen ist 2025 in der Übersetzung von Barbara Linner im Aufbau Verlag erschienen. Das gebundene Buch kostet 24 Euro, das E-Book 17,99 Euro.

Montag, 21. Juli 2025

# 482 - Männer, die die Welt verbrennen

Dieses Buch gehört zu denen, die mich beim Lesen wirklich auf die Palme gebracht haben. Nicht, weil ich den Autor Christian Stöcker kritisieren würde oder nichts vom Inhalt seines Buches Männer, die die Welt verbrennen halte. Das Gegenteil ist der Fall. Die Erkenntnisse aus Stöckers Recherchen rund um die Fossil-Branche sind so haarsträubend, dass man sie ins Reich der Verschwörungserzählungen verweisen möchte - wohin sie nicht gehören. Ein paar Kostproben gefällig?

Zwischen 1970 und 2020 hat die Öl- und Gasbranche inflationsbereinigt pro Jahr einen Gewinn (!) von einer Billion Dollar gemacht. Das sind drei Milliarden Dollar pro Tag! Das entspricht etwa dem jeweiligen Umfang der öffentlichen Haushalte von z. B. Kanada, Italien oder Brasilien. 
Subventionen (= Steuergelder) tragen dazu bei, dass es der Branche weiterhin gut geht. Der Internationale Währungsfond (IWF) stellte fest: "Weltweit beliefen sich die Subventionen für fossile Brennstoffe im Jahr 2022 auf 7 Billionen US-Dollar oder 7,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was einem Anstieg von 2 Billionen US-Dollar seit 2020 entspricht [...]" Wohlgemerkt nur in diesem einen Jahr.

Noch nicht mal während der Covid19-Pandemie mussten sich die Ölkonzerne um ihr Geschäftsmodell Sorgen machen: Der Gewinn (!) der fünf größten Öl-Aktiengesellschaften ExxonMobil, Shell, Chevron, Total und BP betrug 2022 insgesamt 200 Milliarden Dollar.

Christian Stöcker hat sein Buch in neun Kapitel aufgeteilt. Sehr anschaulich beschreibt er, wie das Netzwerk der Klimawandelleugner erfolgreich agiert, wer am meisten von Geschäften mit fossilen Energien profitiert und wer für die möglichst lange Beibehaltung von Öl und Gas verantwortlich ist. Die maßgeblichen Akteure sind Männer. Es fallen Namen von einflussreichen Profiteuren wie zum Beispiel Charles Koch, Donald Trump oder Wladimir Putin. Sie benutzen ihre Macht und ihr Geld, um Entscheidungsträger in ihrem Sinne zu beeinflussen. Doch es gibt auch eine Reihe von Staaten, deren Haupteinnahmequelle die Erdöl- oder Erdgasförderung ist. Manchmal ist sie sogar die einzige nennenswerte Einnahmequelle. Auch sie sind Teil einer weltweiten Manipulationsmaschinerie.

Desinformation ist ebenfalls sehr gut geeignet, das "bewährte" Geschäft am Laufen zu halten. Erinnert sich noch jemand an die gigantischen Desinformationskampagnen, die die US-amerikanische Tabakindustrie ab 1960 gestartet hatte? Kurz zuvor hatten wissenschaftliche Studien einen Zusammenhang zwischen Zigarettenkonsum und schweren Erkrankungen wie zum Beispiel Lungenkrebs oder chronischer Bronchitis festgestellt. Das Geschäftsmodell der Tabakindustrie drohte, ins Wanken zu geraten. Die Branche streute gezielt Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Studien: Wissenschaftler wurden für dem Rauchen unkritisch gegenüber stehende Studien bezahlt, es wurde Werbung mit irreführenden Botschaften geschaltet und man erzeugte den Eindruck, dass es in der Wissenschaftsszene zwei Lager gebe - was falsch war.

Was das mit der Fossilbranche zu tun hat? Von ihr wird mit denselben Mitteln erfolgreich die öffentliche Meinung beeinflusst, obwohl man dort längst weiß, dass die durch das Verbrennen von Erdöl und -gas freigesetzten Treibhausgase die Erde immer weiter aufheizen. Zitat aus einem internen Briefing mit dem Betreff "CO2 Greenhouse-Effect" des Exxon-Konzerns aus dem Jahr 1982:

"Die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Abholzung von Wäldern gelten als die wichtigsten anthropogenen Faktoren [...]. Wir gehen davon aus, dass sich der Klimawandel um das Jahr 2090 verdoppeln könnte, basierend auf dem im langfristigen Energieausblick von Exxon prognostizierten Brennstoffbedarf. [...] Unsere beste Schätzung geht davon aus, dass eine Verdoppelung der aktuellen Konzentration die durchschnittliche globale Temperatur um etwa 1,3 bis 3,1 Grad Celsius erhöhen könnte." Der Text belegt, dass dem Exxon-Konzern der Zusammenhang zwischen dem Verbrennen von fossilen Brennstoffen und dem Treibhauseffekt schon vor mehr als vierzig Jahren bekannt war.

Doch der Blick richtet sich auch nach Deutschland. Ein Klimawandelleugner-Netzwerk ist hier ebenfalls erfolgreich aktiv. Ein seit 2007 eingetragener Verein mit Verbindungen zu einem FDP-Bundestagsabgeordneten, der AfD sowie Koch Industries streut Halb- oder Unwahrheiten, die durch dessen gute Vernetzung ihre gewünschte Wirkung nicht verfehlen. Derselbe Abgeordnete gründete vor mehr als zehn Jahren eine sogenannte Denkfabrik, die sich als 'Freiheitsinstitut' bezeichnet und libertäre Positionen vertritt, wozu auch die Leugnung des Klimawandels gehört. Diese Denkfabrik ist Teil des Atlas-Netzwerks, das aktiv eine 'klimaskeptische' Grundhaltung vertritt und beispielsweise - wenig überraschend - von den Stiftungen der Koch-Brüder und ExxonMobil finanzielle Zuwendungen erhält.

Im letzten Kapitel "Das Zeitalter des Lichts hat begonnen, das des Feuers muss enden" gibt Stöcker einen Ausblick auf eine Entwicklung, die bereits begonnen hat. In immer mehr Ländern wächst die Erkenntnis, dass die bisherigen Arten, Energie zu erzeugen (einschließlich Atomstrom), im Vergleich zu erneuerbaren Ressourcen zu kostspielig sind. Zitat aus einer 2021 von BloombergNEF veröffentlichten Studie: "In Staaten einschließlich China, Indien und Deutschland ist es jetzt billiger, ein neues, großes Solarkraftwerk zu errichten, als ein bereits existierendes Kohle- oder Gaskraftwerk weiterzubetreiben."

Die Abkehr vom Verbrennen von fossilen Ressourcen wird, wenn nicht aus Klimaschutzgründen, aus ökonomischen Gründen erfolgen.

Lesen?

Der Journalist und Fachhochschul-Professor Christian Stöcker beschäftigt sich schon lange mit Technik-, Energie- und Klimathemen. Mit Männer, die die Welt verbrennen zeichnet er die Mechanismen nach, die der Fossilwirtschaft immer noch ihre großen Gewinne sichern und nur ein Ziel haben: einem kleinen Kreis von Männern (und ihren Unternehmen) ihren Profit zu sichern, auch mit Steuergeldern.

Männer, die die Welt verbrennen ist 2024 bei Ullstein Buchverlage erschienen. Mir lag die im selben Jahr herausgegebene Sonderausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung vor, die als Paperback für 5,-- Euro erhältlich ist.

Sonntag, 13. Juli 2025

# 481 - Miss History schreibt

Wer ein bisschen auf Social Media-Kanälen wie
Instagram, Facebook oder TikTok unterwegs ist, ist ihren Beiträgen vielleicht schon begegnet: Unter dem Namen 'Miss History' stellt Melina Hoischen interessante historische Ereignisse vor. Das tut sie in mittelalterlich anmutenden Gewändern und spricht dabei ihr Publikum stilecht mit "Edeldamen und Edelherren, seid gegrüßt zu Eurem täglichen Geschichtswissen" an. Ich kenne sie von Instagram, wo ihr 326.000 Menschen folgen.

In ihrem Buch Mystery mit Miss History hat sie aus ihrem mittlerweile großen Themenfundus zwölf historische Begebenheiten ausgewählt, die so rätselhaft sind, dass sie nicht nur die Menschen ihrer Zeit beschäftigt haben, sondern auch Kriminologen, Theologen, Ingenieure oder Historiker bis heute nicht zur Ruhe kommen lassen.

Melina Hoischen versucht den Rätseln, soweit es mit dem verfügbaren Material möglich ist, auf den Grund zu gehen. Sie widmet sich unter anderem ausführlich den 4.500 Jahre alten Pyramiden von Gizeh, der geheimnisumwobenen Legende von El Dorado oder den steinernen Moai-Statuen, die angeblich über die Osterinsel wandern. Welche Erklärungen gibt es für die rätselhaften Phänomene? Gibt es wissenschaftliche Beweise zum Beispiel für die Existenz von Päpstin Johanna im 9. Jahrhundert? Kann es sein, dass das legendäre Bernsteinzimmer noch existiert? Was hat es mit dem "Zodiac-Killer" auf sich, der Ende der 1960-er Jahre im kalifornischen Napa-Valley die Bürgerinnen und Bürger in Angst und Schrecken versetzte? Und warum und wo ist die Boeing 777 mit der Flugnummer MH 370 auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking abgestürzt?

Die Autorin und Moderatorin schreibt in einem lockeren, manchmal auch flapsigen Stil. Jedes Ereignis wird verständlich erklärt, es sind keine Vorkenntnisse nötig, um ihr zu folgen. Sie greift Beweise und Gegenbeweise auf und erläutert sie gut nachvollziehbar.
Hoischen hat ihrem Buch (E-Book) fünfzig Seiten Fußnoten und Anmerkungen beigefügt, der Tonfall ist aber nicht so sachlich und nüchtern, wie man ihn von den meisten Sachbüchern kennt. Sie hat neben dem Informations- auch auf den Unterhaltungswert Wert gelegt. Beides ist ihr gelungen.

Lesen?

Mystery mit Miss History greift spannende und bekannte Rätsel der Weltgeschichte auf, über die immer wieder in unregelmäßigen Abständen in den Medien berichtet wird - dann, wenn es (angeblich) neue Erkenntnisse gibt. Das ist interessant und haucht den geschichtlichen Ereignissen, die man in der Schule vielleicht mit einem unterdrückten Gähnen verfolgte, Leben ein.

Hoischers Schreibstil hat mich nicht durchgehend begeistert: zu viele Ausrufungszeichen, zu viele "..." bei etwas Geheimnisvollem oder Unerklärlichem und ab und zu eingestreute Emojis. Aber das ist Geschmackssache und hält mich nicht davon ab, das Buch als Lektüre zu empfehlen.

Mystery mit Miss History ist 2025 bei Knaur erschienen und kostet als gebundenes Buch 18,99 Euro sowie als E-Book 16,99 Euro.


Freitag, 11. Juli 2025

# 480 - Ein tödliches Testament

Der bekannte und wohlhabende Seidenfabrikant Sahei Inugami hat sowohl sein Unternehmen als auch seine Familie streng patriarchalisch geführt. 1945 stirbt der 81-Jährige in seinem Anwesen am Nasu-See im Kreis seiner Familie. Nur sein Anwalt Kyozo Furudate ahnt, dass mit dem letzten Atemzug des alten Mannes keine guten Zeiten anbrechen. Furudates ungutes Gefühl soll sich in Der Inugami-Fluch des japanischen Krimi-Autors Seishi Yokomizo bewahrheiten. Das Buch ist der vierte Band einer Reihe um den unkonventionellen, aber erfolgreichen Privatdetektiv Kosuke Kindaichi.

Kindaichi wird von einem Mitarbeiter Furudates gebeten, unverzüglich an den Nasu-See zu kommen. Jemand hat unbefugt Inugamis Testament gelesen, der Detektiv soll nun das Schlimmste verhindern. Doch Kindaichi lernt den Mitarbeiter nicht mehr kennen, weil dieser vergiftet wird. Kindaichis Interesse ist geweckt. Mit Erlaubnis der Familie nimmt er an der Testamentseröffnung teil und erlebt hautnah das Entsetzen der Angehörigen: Das Testament des Verstorbenen sieht vor, dass nicht etwa Inugamis drei Töchter oder seine Enkelkinder bedacht werden sollen, sondern die junge und sehr schöne Tamayo Nonomiya das Vermögen erbt. Tamayo ist allerdings kein Familienmitglied, sondern die Enkelin eines Priesters. Dieser kümmerte sich um den damals 17-jährigen Waisen Inugami und hat ihn sein ganzes Leben lang unterstützt.

Tamayos Erbschaft ist jedoch an eine Bedingung geknüpft: Sie muss innerhalb von drei Monaten einen der Enkelsöhne heiraten. Tut sie es nicht, verfällt ihr Anspruch. Als Nacherbe hat Inugami einen unehelichen Sohn benannt, der seit langer Zeit als verschollen gilt und von der Familie totgeschwiegen wird. Die Erbkonstellation setzt eine Mordserie in Gang, bei der die Toten in bizarren Situationen aufgefunden werden.

Privatermittler Kindaichi findet sich bei seinen Nachforschungen in einem Geflecht von Intrigen, Lügen, heimlichen Liebschaften und enttäuschten Hoffnungen wieder, das er entwirren muss, um herauszufinden, wer für die Morde verantwortlich ist.

Lesen?

Vor mehr als zwei Jahren habe ich hier den ersten Band der 77-teiligen Krimiserie um den Detektiv Kosuke Kindaichi Die rätselhaften Honjin-Morde  vorgestellt. Der Autor Seishi Yokomizo ist bereits seit über vierzig Jahren verstorben, seine Bücher sind in Japan jedoch noch immer populär. Sie bieten einen Einblick in frühere Gepflogenheiten des Landes, an die sich heute nur wenige Menschen erinnern. Bei Yokomizo wird nicht nur gemordet, um jemanden aus dem Weg zu schaffen; es wird gemordet, um mit viel Symbolik und Anspielungen auf Landes- oder Familientraditionen Botschaften zu vermitteln. Das trägt wesentlich zur etwas mystischen Atmosphäre des Krimis bei.

Unübersehbar ist die Beurteilung von Frauen: Yokomizos männliche Figuren beurteilen ihren Wert vor allem nach ihrem Aussehen und ihrer Zugewandtheit. Es wird deutlich, dass Frauen unterhalb von Männern stehen. Diese Sichtweise besteht in der japanischen Gesellschaft seit dem 6. Jahrhundert, als der Konfuzianismus begann, sich im Land auszubreiten. Der Inugami-Fluch ist also nicht nur die Geschichte eines Kriminalfalls, sondern auch ein Blick in eine uns fremde Kultur in einer zurückliegenden Zeit.

Der Inugami-Fluch wurde 1951 im japanischen Original erstmals unter dem Titel Die Familie Inugami veröffentlicht. Der von Ursula Gräfe ins Deutsche übersetzte Krimi erschien 2025 bei Blumenbar, einem Imprint des Aufbau-Verlags. Das Buch (Hardcover) kostet 24 Euro, als E-Book 14,99 Euro.

Mittwoch, 2. Juli 2025

# 479 - Beklaute Frauen

Die Journalistin, Historikerin und Literaturwissenschaftlerin Leonie Schöler greift in ihrem Buch Beklaute Frauen auf, was lange Zeit nicht im öffentlichen Bewusstsein war: Zahlreiche Frauen, die auf ihrem Gebiet Großes geleistet haben, erlebten, dass nicht sie, sondern die Männer, mit denen sie zusammengearbeitet hatten, geehrt wurden. Diejenigen, die ihnen die Anerkennung verwehrten, waren Männer: Kollegen in der Forschung, Künstler (Picasso kommt hier ganz schlecht weg), einflussreiche Männer des Literaturbetriebs, Ehemänner...

Die Annahme, dass Männer seit Anbeginn der Menschheit dasjenige Geschlecht sind, das führende Positionen inne hatte, während Frauen Früchte sammelten, kochten und sich um die Kinder kümmerten, wurde durch mehrere archäologische Funde widerlegt. Der wohl spektakulärste Fund wurde 2008 gemacht: Bei Valencia wurde das 5.000 Jahre alte Grab eines einflussreichen Herrschers aus der Kupferzeit entdeckt. Darin befanden sich wertvolle Grabbeigaben und aus Elfenbein gefertigte Waffen. Die Wissenschaftler gingen selbstverständlich davon aus, dass es sich bei den Gebeinen um einen Mann gehandelt hat und nannten ihn "Ivory Man". Erst 2023 ergaben DNA-Untersuchungen, dass sich die Forscher geirrt hatten: Es handelte sich bei dieser hochgestellten Persönlichkeit um eine Frau. Man war lange Zeit davon ausgegangen, dass man anhand der Grabbeigaben automatisch auf das Geschlecht einer Person schließen kann. Der geschlechtsbezogene Verzerrungseffekt (Gender Bias) hatte voll zugschlagen. Auch Charles Darwin war von ihm beeinflusst, wie man in seinem 1871 erschienen Werk Die Abstammung des Menschen nachlesen kann:
"Der hauptsächlichste Unterschied in den intellektuellen Kräften der beiden Geschlechter zeigt sich darin, dass der Mann zu einer größeren Höhe in Allem, was er nur immer anfängt, gelangt, als zu welcher sich die Frau erheben kann, mag es nun tiefes Nachdenken, Vernunft oder Einbildungskraft, oder bloß den Gebrauch der Sinne und der Hände erfordern." Darwins unvoreingenommene Einschätzung darüber, wozu Frauen in der Lage sind, darf bezweifelt werden. Damit war er in der durch Männer geprägten Wissenschaftswelt des 19. Jahrhunderts nicht allein.

Schöler nennt zahlreiche Beispiele von Frauen, die um die Anerkennung ihrer Leistung gebracht wurden. Sie beschränkt sich dabei auf die letzten 200 Jahre in Europa, um eine Einordnung in den historischen Kontext zu ermöglichen. Es geht dabei um bekannte und unbekannte sowie um Frauen, die eine bedeutsame Entwicklung angestoßen haben, die Geschichtsschreibung es aber nicht wichtig fand, ihre Namen festzuhalten. Ob es dabei um Rosalind Franklin (sie wurde um den Nobelpreis gebracht), Elisabeth Hauptmann (sie war zu 80 Prozent am Entstehen von Brechts Dreigroschenoper beteiligt) oder die etwa 6.000 Frauen geht, die am 5. Oktober 1789 am Marsch auf Versailles teilnahmen und von König Ludwig XVI. die Unterzeichnung der Menschenrechtserklärung und die Abschaffung der Privilegien des Adels erzwangen: Ihre Namen wurden ignoriert, ihr Engagement brachte ihnen keine Vorteile.

Männer, die Frauen durch Ausbeutung oder Diebstahl um die ihnen zustehende Anerkennung gebracht haben, fanden oft nichts dabei, mit ihrem Handeln zu prahlen. Ihr Verhalten hatte für sie in der Regel keine negativen Folgen. 
Diesem Buch ist deutlich anzumerken, dass Leonie Schöler Historikerin ist. Sie hat sehr genau recherchiert und ihrem Text sehr viele Quellennachweise, Literaturempfehlungen und ein umfangreiches Personenregister beigefügt.

Lesen?

Das Besondere an Beklaute Frauen ist nicht nur, dass Leonie Schöler über das Schicksal von Frauen schreibt, deren Leistungen durch männliche Einflussnahme unter den Tisch fielen. Sie erklärt darüber hinaus, in welchem historischen Zusammenhang die Unterschlagungen, Betrügereien, Diebstähle und Zurückweisungen stattgefunden haben. Sie nennt die Namen von Männern, die nur vorgaben, mit Frauen auf Augenhöhe leben und/oder arbeiten zu wollen, deren Fähigkeiten jedoch nur für ihren eigenen Erfolg missbrauchten: Darunter sind nicht nur die schon genannten Bert Brecht und Pablo Picasso, sondern auch Karl Marx, Walter Gropius oder Albert Einstein.  Schöler zieht in ihrem Schlusswort ein für Frauen bedrückendes Fazit: "Jede beklaute Frau ist kein Einzelfall, sondern Teil eines Systems, das uns alle betrifft und bis heute wirkt."

Wer nach dem Lesen dieses Buches immer noch glaubt, dass der Feminismus überflüssig geworden ist, dem ist nicht mehr zu helfen.

Beklaute Frauen mit dem Untertitel Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte ist 2024 im Penguin Verlag erschienen und kostet 22 Euro sowie als E-Book 19,99 Euro.



Freitag, 20. Juni 2025

# 478 - Wo der Rio Grande eine Schleife zieht: ein Drogenkrieg an der mexikanisch-texanischen Grenze

Es gibt in J. Todd Scotts Krimi Diese Seite der
Nacht
 Szenen, die von so viel Rücksichtslosigkeit, Brutalität und Gewalt erzählen, dass man hofft, dass sie in der realen Welt nicht passieren. Doch beim Blick auf die Lebensdaten des Autors kommt man in der Wirklichkeit an: Scott war mehr als zwanzig Jahre DEA-Agent. Die DEA ist die US-amerikanische Behörde, die für die Bekämpfung des Drogenhandels zuständig ist. 

2014 wird im mexikanischen Igualpa ein Bus mit Lehramtsstudenten, die sich auf dem Weg zu einer Demonstration in Mexiko-Stadt befinden, von Polizisten gestoppt. Die Studenten werden von ihnen an Kriminelle der 'Guerreros Unidos', einem bewaffneten Arm eines Drogenkartells, übergeben. Einige werden noch an Ort und Stelle ermordet, die Mehrzahl von über vierzig jungen Frauen und Männern wird verschleppt. Viele werden kurze Zeit später in einem Massengrab gefunden, einige sind bis heute vermisst.

Scott hat dieses Ereignis als Einstieg in die Handlung gewählt, es aber in die Nähe der mexikanischen Kleinstadt Ojinaga verlegt. Der Ort liegt direkt am Rio Grande, dem Grenzfluss zwischen Mexiko und den USA, und gegenüber des Big Bend Nationalparks in Texas. Für die Ermordung und Entführung der Studenten ist das Nemesio-Kartell verantwortlich, an dessen Spitze Fox Uno steht.

In der Kleinstadt Murfee mitten im Big Bend County hat Sheriff Chris Cherry das Sagen. Cherry wird auf das kriminelle Treiben in der Grenzregion aufmerksam, als sein Deputy Danny Ford fünf im Rio Grande treibende männliche Leichen findet. Er vermutet den äußerst brutalen und grausamen Bandenchef hinter den Morden und findet sich unversehens inmitten eines Konflikts zwischen zwei Drogenkartellen wieder, die einen durch den Überfall auf die Studenten ausgelösten Bandenkrieg auch in seinem County ausfechten. 

Doch auch Fox Uno hat ein Problem: Er registriert, dass die Zahl seiner Männer, auf die er sich verlassen kann, geschrumpft ist. Es wird offensichtlich, dass am Ast seiner Macht gesägt und er von Auftragsmördern verfolgt wird. Um die Vorherrschaft des Kartells kämpfen sein eigener Sohn und ein anderes Kartell. Fox Uno muss fliehen und taucht plötzlich in Murfee auf - ausgerechnet bei seiner Nichte Deputy América Reynosa, die bereits früher im Verdacht stand, Kontakt zu mexikanischen Kriminellen zu haben. Fox Uno erhofft sich von ihr Sicherheit, wenn nicht sogar Freiheit. Insbesondere der DEA-Agent Joe Garrison traut der jungen Frau aus Cherrys Team wegen ihrer Herkunft nicht über den Weg. Er ist sogar gegenüber Sheriff Cherry misstrauisch und vermutet ihn auf einer Gehaltsliste der mexikanischen Drogenmafia.

Joe Garrison und Chris Cherry sind sich darin einig, dass die Auftragskiller von amerikanischen Polizeibeamten unterstützt werden. Sie ahnen noch nicht, wie nah ihnen die Verräter sind. 

Lesen?

Schon in den ersten beiden Bänden um Sheriff Chris Cherry hat J. Todd Scott sein Talent zum spannungsreichen Schreiben bewiesen. Diese Seite der Nacht erfüllt die Erwartungen voll und ganz. 

Die Handlung des Krimis läuft auf einen extrem bleihaltigen Showdown zu, in den die Leserinnen und Leser förmlich hineingezogen werden. Hier macht sich Scotts Expertise als ehemaliger Bundesagent bezahlt.

Neben diesem roten Faden erzählt Scott von Chris Sherrys privaten und dienstlichen Problemen, die den Verlauf des Buches ebenso beeinflussen wie das mexikanische Paar, das den Anschlag auf den Bus überlebt hat und sich unter haarsträubenden Umständen zur Grenze durchschlägt.

Diese Seite der Nacht ist 2005 im Polar Verlag erschienen und kostet 26 Euro. Das Original wurde 2019 unter dem Titel This Side Of Night veröffentlicht.

Nachtrag: In der Bücherkiste wurde mit Weisse Sonne vor zwei Jahren der zweite Band der Reihe vorgestellt.


Sonntag, 15. Juni 2025

Die Bücherkiste hat Geburtstag: 10 Jahre Rezensionen aus fast allen Genres 🥳📚

Vor genau zehn Jahren habe ich hier den ersten Blogbeitrag veröffentlicht und hätte damals nicht gedacht, dass ich so lange durchhalte. Als ich vor fast einem Jahr anlässlich des neunten Blog-Geburtstags diesen Text geschrieben habe, habe ich schon eine ausführliche Rückschau gehalten.

Seitdem hat sich in der Welt einiges getan: Die nationalen und internationalen Krisen scheinen sich zu stapeln und treiben vielen Experten die Sorgenfalten auf die Stirn. Außerdem ist in diesem Jahr Papst Franziskus gestorben. Diese Ereignisse schlagen sich auch in meinen Rezensionen seit Mitte Juni 2024 nieder: Von 44 vorgestellten Büchern waren sechzehn Sachbücher. Dabei ging es um China, den Klimawandel, Russland mit seinen Expansionsbestrebungen, die Ukraine, die Papstwahl im Wandel der Zeit und - fast schon unvermeidlich - Donald Trump und Project 2025. Diese Verlagerung zu mehr Sachbüchern habe ich nicht geplant, sie ist mir erst im Nachhinein aufgefallen.

Gibt es Vorurteile gegenüber Leserinnen und Lesern von Sachbüchern?

Da kann man sich natürlich fragen: Wie finden es die Leserinnen und Leser dieses Blogs, wenn ich weniger über Belletristik schreibe? Ich bekomme dazu keine konkreten Rückmeldungen, sehe aber in der Blog-Statistik, dass sich in den letzten zehn Jahren durchschnittlich mehr Menschen für Romane als für Sachbuchtitel interessiert haben. Dieser Trend hat sich seit Juni 2024 jedoch umgekehrt: Erstmals hatten Sachbücher die Nase vorn. Gerade als mir das aufgefallen war, las ich den Beitrag eines Buchbloggers bei Instagram. Er schrieb unter der Überschrift "Über die Schmähungen des Sachbuchs"¹ einen Artikel, in dem er kritisierte, dass Menschen, die nur oder überwiegend Sachbücher lesen, negative Eigenschaften zugeschrieben werden. Er vermutete, dass die Kritiker mit dem Begriff 'Sachbuch' die Titel aus dem Bereich der Selbstoptimierungsliteratur gleichsetzen und außerdem überwiegend Männer zu Sachbüchern greifen und eine Verknüpfung zu negativen Männlichkeitsklischees hergestellt wird.

Ernsthaft: Das ist ganz schön spekulativ. Es gibt nirgends eine Statistik, die beweist, dass mehrheitlich Männer Sachbücher kaufen. Wer das schreibt, bezieht sich auf Beobachtungen, nicht auf Daten. 'Anekdotische Evidenz' heißt so etwas: Die Erfahrung, die ich selbst mache, betrachte ich als allgemeingültige Tatsache. Was der Buchblogger kann, kann ich schon lange: Ich habe von diesen Schmähungen noch nie etwas gehört und gelesen. Einer der besten Sachbuchblogs, die ich kenne, ist der einer Frau: Petra Wiemann stellt auf ihrem Blog Elementares Lesen seit über zwölf Jahren Sachbücher vor.

"Bitte keine schwierigen Wörter": Soll dem Wunsch nach Vereinfachung überall nachgegeben werden?

Kürzlich las ich eine Äußerung einer Krimiautorin², die im Hauptberuf Rechtsanwältin ist. Sie wurde aufgefordert, keine komplizierten Worte zu verwenden, sondern ihre Formulierungen zu vereinfachen. Ähnliches äußerte eine Autorin, die Dark Romance-Romane und Thriller schreibt³. Beide reagierten befremdet darauf, dass man ihnen vorschreiben wollte, wie sie sich ausdrücken sollen. 

Ich verstehe, dass sich Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen leicht lesbare Inhalte wünschen. Daraus aber eine Forderung an Autorinnen und Autoren abzuleiten, befremdet mich und schränkt kreative Schreibende in ihren sprachlichen Möglichkeiten ein. Das kann keiner wirklich wollen.

Tote zum Leben erwecken: prima oder kann weg?

Quelle: BBC Maestro
Vor fünf Jahren habe ich auf meinem zweiten Blog
über bekannte und unbekannte Menschen geschrieben, die mithilfe von Virtual Reality quasi zum Leben erweckt wurden. Ich habe damals nicht gewusst, was ich davon halten soll.

Nun hält das auch bei der schreibenden Zunft Einzug. 
Die britische Krimi-Autorin Agatha Christie dürfte den meisten ein Begriff sein. Miss Marple und Hercule Poirot haben nicht nur Mörder das Fürchten gelehrt, sondern sind auch durch ihre schrullige Art im Gedächtnis der Leserschaft geblieben.

Agatha Christie lebt seit fast fünfzig Jahren nicht mehr. Aber nun wird sie von den Toten erweckt: Das Unternehmen BBC Maestro, ein Tochterunternehmen der BBC Studios, bietet seit einiger Zeit Internet-Schreibkurse an, die von prominenten Schriftstellerinnen und Schriftstellern geleitet werden. Dazu gehören z. B. Isabel Allende oder Ken Follett. Für 99 € kann man sich jeweils 22 Unterrichtseinheiten, die insgesamt viereinhalb Stunden dauern, ansehen. Allende und Follett wurden leibhaftig gefilmt und haben selbst gesprochen. 

Und dann ist da noch Agatha Christie. In einem Werbe-Video für einen von ihr moderierten Schreibkurs geht sie durch die Räume ihres Hauses oder tippt auf einer alten Schreibmaschine einen Roman. Dabei spricht sie ununterbrochen über das Schreiben und dass sie nie gedacht hätte, eine Autorin zu sein. Die Person im Video sieht aus wie Agatha Christie und spricht wie sie: Hier hatte KI das Sagen.
Da Dame Christie sich nicht mehr selbst um die Inhalte "ihres" Schreibkurses kümmern kann, hat das für sie ein Experten-Team übernommen. Dieser Teil stammt also nicht von einer KI.

Was hat BBC Maestro bewogen, die britische Autorin in den Mittelpunkt eines Video-Kurses zu stellen? Gibt es nicht noch andere Krimi-Autoren, die dazu bereit gewesen wären? Vermutlich schon, aber Agatha Christie gilt als die weltweit erfolgreichste Schriftstellerin, ihr Name hat also auch lange nach ihrem Tod Zugkraft. Oder anders gesagt: Mit ihr lässt sich immer noch viel Geld machen. Man darf annehmen, dass es nicht bei dieser einen KI-Produktion bleiben wird. Vielleicht lernen wir in einiger Zeit von einem KI-Mozart das Komponieren oder von Annette von Droste-Hülshoff die Kunst der Poesie. Wer weiß ... Es bleibt ein schaler Beigeschmack.

Ein Tod und eine verpasste Ehrung

Er gehörte zu denen, über die jedes Jahr anlässlich der Verleihung des Literatur-Nobelpreises gesagt wurde: Jetzt ist es soweit, jetzt bekommt er ihn endlich. Der gebürtig aus Kenia stammende Schriftsteller Ngũgĩ wa Thiong’o ist vor etwas mehr als zwei Wochen im Alter von 87 Jahren gestorben. Seine Familiengeschichte war vom britischen Kolonialismus geprägt, mehrere Angehörige kamen im Kampf gegen die Kolonialmacht ums Leben. Das Thema Kolonialismus bestimmte seine Literatur, er litt unter Verhaftungen und Folter unter den ersten beiden postkolonialen Präsidenten Jomo Kenyatta und Daniel arap Moi und musste letztlich ins Exil in die USA gehen, wo er an mehreren renommierten Universitäten lehrte. Sein Roman Herr der Krähen gilt als der Afrika-Roman des 21. Jahrhunderts. Den Nobelpreis für Literatur hat er nicht mehr bekommen, nach eigener Aussage war ihm dieser allerdings auch nicht so wichtig.

Zehn Jahre - und nun?

Das, was ich für diesen Artikel zusammengestellt habe, zeigt, dass die Welt der Literatur immer in Bewegung ist. Wir reden schon lange nicht mehr nur über die gedruckten Papierwerke, wenn wir "Bücher" sagen. Der Anteil der E-Books am Gesamtwerk steigt langsam, aber stetig an, Bücher können von jedem Einfaltspinsel mithilfe von KI geschrieben werden, und kürzlich ist eine selbsternannte Autorin aufgeflogen, nachdem sie eine KI gebeten hatte, ein Buch im Stil einer bestimmten Schriftstellerin zu verfassen, sie aber vergessen hatte, diese Anweisung aus dem fertigen Machwerk zu entfernen. Anfängerfehler.

Worüber wird die Buchwelt in einem, fünf oder zehn Jahren sprechen? Ich bleibe am Ball und hoffe, ihr auch. Hier, in meiner Bücherkiste.


Quellen:

¹: Sachbuchseite📚 (@sachbuchseite) • Instagram-Fotos und -Videos

²: Sachbuchseite📚 (@sachbuchseite) • Instagram-Fotos und -Videos

³: Aktuelles | Autorin Ellen Connor Dystopie Horror Thriller


Montag, 9. Juni 2025

# 477 - Es hätte so schön sein können: der Weltfrieden in Reichweite

Wir sind im Jahr 1983. In Jakob Heins Roman Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste geht es um eine Geschichte, die es so zum Teil gegeben hat, wobei man zugeben muss, dass sowohl der erdachte als auch der wahre Inhalt live aus Absurdistan stammen könnten. 

Grischa Tannberg hat gerade sein Studium beendet. Er ist im seiner Meinung nach verschlafenen Gera aufgewachsenen und träumt von einer Stelle in Berlin. Das klappt, denn seine Eltern sind linientreu und einflussreich. Grischa wird in der Staatlichen Plankommission eingesetzt, die in der DDR für die Koordinierung, Erstellung und Überwachung der Fünfjahrespläne zuständig war.

Grischas Erwartungen, sein Wissen einbringen und etwas leisten zu können, werden von seinem Vorgesetzten Ralf Burg abgebremst. Die beiden sind für die Wirtschaftskontakte mit dem Bruderland Afghanistan zuständig. Doch Burg macht seinem neuen Kollegen klar, wo das Problem ist: Die Afghanen freuen sich über Waren aus der DDR, haben aber selbst nichts, was sie den Deutschen verkaufen könnten. Für die beiden Männer gibt es nichts zu tun als die Zeit totzuschlagen und Produktivität vorzutäuschen. "Kunstvolles Warten" nennt Burg das und bittet Grischa um Diskretion. Um seinen Vorgesetzten jedoch klarzumachen, dass er, Burg, vor Arbeit fast absäuft, wurde ihm auf seinen Antrag eine zusätzliche Stelle bewilligt, auf der nun Grischa sitzt. Ein bisschen Theater spielen ist eben alles.

Doch so leicht gibt sich Grischa nicht geschlagen. Nachdem er sich alles verfügbare Wissen über das ferne asiatische Land angeeignet hat, kommt er auf die zündende Idee, wie eine Handelsbeziehung zwischen der DDR und Afghanistan aussehen könnte: Dort, in 5.000 Kilometern Entfernung, gibt es Hanf-Felder so weit das Auge reicht. Mehr als genug, um von dort Medizinalhanf zu importieren und die "afghanischen Bauern in ihrem Freiheitskampf" zu unterstützen. Selbstverständlich hat er mit Burgs Ablehnung gerechnet und sich darauf vorbereitet: Dessen Einwand, nicht "mutwillig Rauschgift importieren" zu wollen, kontert Grischa mit der Bemerkung: "Aber das machen wir doch schon! Wir versorgen die Bevölkerung kontinuierlich mit Alkohol, Nikotin und Koffein, das haben Sie selbst gesagt. [...] Gegen Cannabis gibt es derzeit keine offizielle Parteilinie." 

Bei so viel sozialistischer Argumentation kann kein Chef "Nein" sagen. Und so kommt es, dass Grischa, Burg, eine Biologin und eine strenge Stasi-Offizierin nach Afghanistan fliegen und die erste Charge einkaufen. Kurz nach ihrer Rückkehr nach Berlin organisieren sie die Eröffnung eines deutsch-afghanischen Freundschaftsladens am Grenzübergang Invalidenstraße, in dem es offiziell landestypische Ware aus dem sozialistischen Bruderland gibt: Mützen, Schals und dergleichen. Das Cannabis ist als Bückware erhältlich. Selbstverständlich wird nicht in Mark der DDR, sondern in D-Mark bezahlt. 

Innerhalb weniger Tage spricht sich das ungewöhnliche Angebot herum und der Hanf findet reißenden Absatz, denn der Stoff ist sehr hochwertig und kann gegen eine Quittung legal gekauft werden. Das schlägt Wellen bis nach Bonn ins Ministerium für innerdeutsche Beziehungen. Auch dort herrschte bislang gepflegte Langeweile. Die Meldung vom schwunghaften Cannabis-Handel an der innerdeutschen Grenze reißt die Behörde jedoch aus ihrer Schläfrigkeit. Es kann und darf nicht sein, dass die bundesdeutsche Bevölkerung durch die Hintertür mit dem Rauschmittel versorgt wird. Eine Rechtsreferendarin wird beauftragt, einen Plan gegen diese perfide Aktion auszuarbeiten. Ihr Vorschlag: D-Mark gegen eine Beendigung des Cannabis-Verkaufs. Viel D-Mark.

Lesen?

Jakob Hein bastelt eine aberwitzige Geschichte um eine wahre Begebenheit. 1983 stand die DDR am finanziellen Abgrund, aus dem ihr auch die UdSSR nicht heraushelfen konnte. Damals fädelte der damalige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß einen Milliardenkredit ein, der höchstwahrscheinlich die Existenz der DDR verlängerte. Im Gegenzug sagte die DDR-Regierung unter anderem zu, Familienzusammenführungen und Ausreisen zu erleichtern und Selbstschussanlagen abzubauen. Der Vorgang wurde wie in einem Agenten-Thriller abgewickelt und bezog die Mitarbeit eines bayrischen Großschlachters ein. 

Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste ist ein sehr witziges Buch, dass das damalige deutsch-deutsche Verhältnis, das lange Zeit sehr angespannt war, auf die Schippe nimmt und für Lacher sorgt. Egal, ob man dabei nach Ost oder West schaute: Auf dem Feld der Bürokratie waren beide Staaten spitze.

Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste ist 2005 bei Galiani Berlin, einem Inprint des Verlags Kiepenheuer & Witsch, erschienen und kostet gebunden 23 Euro sowie als E-Book 19,99 Euro (befristet 4,99 Euro).

Nachtrag: Wer mehr über den Milliardenkredit der BRD an die DDR wissen möchte, wird hier gut informiert.




Samstag, 31. Mai 2025

# 476 - Project 2025: Nur ein Plan oder längst Realität?

Project 2025: Diesen Begriff haben die meisten schon
einmal gehört. Als er erstmals medial in den Fokus rückte, wurde er von vielen noch als eine neue Verschwörungserzählung abgetan, weil das, was in die Öffentlichkeit gelangte, nach rechter Radikalität und Kahlschlag auf mehreren Ebenen klang. Mittlerweile sind zwei Dinge klar: Project 2025 ist ein knallharter Regierungsfahrplan, der ein Demokratie-, Budget- und Behördenkahlschlag ist und auf der ultrarechten Vorstellung, wie das Land (und gern die Welt) zu sein hat, basiert.

David A. Graham ist ein Politikexperte, insbesondere für die Politik in den USA. Der seit vielen Jahren für die Zeitschrift The Atlantic schreibende Journalist wurde bereits für seine Berichterstattung über den Präsidentschaftswahlkampf 2020 ausgezeichnet. In Der Masterplan der Trump-Regierung erläutert er, was tatsächlich hinter Project 2025 steckt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Mandate for Leadership von Project 2025 - Conservative Promise. Mandate for Leadership ist eine Buchreihe, die seit 1981 von der konservativen Heritage Foundation herausgegeben wird und der künftigen Bundesregierung Hinweise gibt, wo und wie sich diese ihrer Meinung nach engagieren sollte.

Trumps erste Amtszeit begann im Chaos. Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass er die Wahl gewinnen würde. Er selbst auch nicht. Damals war nichts vorbereitet: Es gab weder einen Plan noch Personal.
Das ist diesmal anders. Die Heritage Foundation hat den Ablauf der aktuellen Regierungszeit beinahe minutiös vorbereitet. Das Ziel ist, die USA zu einem christlich-konservativen und autoritär agierenden Land zu machen. Der Journalist Klaus Brinkbäumer bringt es in seinem Vorwort auf den Punkt: 
"David Graham hat kein Werk über Ideen und Ideologien geschrieben, sondern einen Bericht über konkrete, kondensierte Macht - und darüber, wie sie organisiert, kanalisiert, konzentriert, entfesselt und missbraucht wird." Es ist "ein staatsfeindliches Manifest in staatsrechtlichem Gewand. Es richtet sich gegen so ziemlich alles, was die amerikanische Demokratie über Jahrzehnte stabilisiert hat: die Gewaltenteilung, den professionellen Verwaltungsapparat, internationale Kooperation, einen Grundkonsens über gesellschaftlichen Pluralismus und demokratische Normen".

Wer Grahams Buch liest, findet vieles von dem wieder, was die Medien seit dem Amtsantritt von Donald Trump berichtet haben: das Handeln eines von Rache getriebenen Autokraten, das impulsiv und instinktgesteuert ist; das Regieren mit Dekreten ohne die Beteiligung des Kongresses; den massiven Um- oder Abbau von Bundesbehörden einschließlich massenhafter Entlassungen; das Ignorieren von Gerichtsurteilen; das Ignorieren von Freundschaften mit anderen Staaten, die bislang als unverbrüchlich angesehen wurden. Trumps erratisches Agieren soll durch Project 2025 eingehegt und im Sinne der Zielerreichung kanalisiert werden.  

Die Nachrichten, die uns aus den USA erreichen, decken sich im Wesentlichen mit den vier Zielen von Project 2025, die vom Präsidenten der Heritage Foundation, Kevin Roberts, formuliert wurden:

  • "Die Widerherstellung der Familie als Mittelpunkt des amerikanischen Lebens und den Schutz unserer Kinder;
  • den Abbau des Verwaltungsstaats und die Rückgabe der Selbstverwaltung an das amerikanische Volk;
  • die Verteidigung der Souveränität, der Grenzen und des Reichtums unserer Nation gegen globale Bedrohungen und
  • die Sicherung unserer von Gott gegebenen individuellen Rechte auf ein freies Leben - also das, was unsere Verfassung als die 'Segnungen der Freiheit' bezeichnet."

Lesen?

Der Masterplan der Trump-Regierung trägt den Untertitel Wie ein radikales Netzwerk in Amerika die Macht übernimmt. Das trifft es genau, denn Donald Trump hat im Wahlkampf gegen Kamala Harris bestritten, das Machwerk gelesen zu haben. Das dürfte zu den wenigen Dingen gehören, die man dem US-Präsidenten glauben darf, denn viele Menschen, die ihn näher kennengelernt haben, sagen übereinstimmend, dass er eine schlechte Konzentrationsfähigkeit hat und praktisch nie etwas liest. Harris hingegen hat mehrmals vor Project 2025 und seinen Folgen für das Leben der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner gewarnt und war damit nicht allein.

Wer mehr zu diesem Thema wissen möchte, sich aber nicht die 920 Seiten des Mandate für Leadership 2025 antun will, sollte Grahams Buch lesen. Manches davon ist bereits eingetreten, auf viele andere Veränderungen darf man sich noch "freuen".

Der Masterplan der Trump-Regierung ist 2025 unter dem Originaltitel The Project. How Project 2025 is Reshaping America erschienen und wurde vor wenigen Tagen im S. Fischer Verlag in der deutschen Fassung veröffentlicht. Es kostet als Paperback 18 Euro sowie als E-Book 16,99 Euro.


Dienstag, 20. Mai 2025

# 475 - Völlig losgelöst im All

Astronautinnen und Astronauten aus verschiedenen
Ländern sowie zwei russische Kosmonauten umkreisen in einer Raumstation die Erde - zwei Frauen und vier Männer. In ihrem Roman 
Umlaufbahnen sieht Samantha Harvey ihnen einen Tag lang zu - in sechzehn Umlaufbahnen à neunzig Minuten.

In etwa 400 Kilometern Höhe bewegt sich die Raumstation seit mehr als 25 Jahren mit einer Geschwindigkeit von rd. 29.000 km/h um den "blauen Planeten". Die sechs Menschen versuchen, sich weit weg von ihrer Heimat und denen, die sie lieben, einen Alltag aufzubauen. Sie schlafen in hängenden Schlafsäcken, machen Sport gegen den Muskelabbau, essen Standardkost aus Tüten und zwischendurch Lebensmittel, die ihnen ihre Angehörigen mit der Versorgungskapsel geschickt haben, und verbringen Zeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen. Ihre Arbeit besteht aus wissenschaftlichen Experimenten und der Erledigung von Aufträgen, die sie von der Bodenstation erhalten. 

Samantha Harvey hat jedoch kein nüchtern-technisches Buch geschrieben, sondern der Raumfahrt einen poetisch-emotionalen Anstrich gegeben. Sie schildert den Ausblick der Astronautinnen und Astronauten auf ihren Heimatplaneten in schillernden Worten, wirft einen Blick auf den persönlichen Lebenshintergrund jeder einzelnen Person und macht durch ihre Sprache deutlich, wie sehr in einer Raumstation das Leben im All und das auf der Erde auseinanderfallen. Das, was hunderte Kilometer unter ihnen passiert, hat aus dieser Perspektive einen fast schon surrealen Charakter:
Die Philippinen werden von einem riesigen Taifun heimgesucht, aber von der Raumstation aus sieht man kein Leid, das vom Sturm angerichtet wird, sondern die spektakulären Wolkenformationen, die auf das Land zuziehen. Eines der Crewmitglieder hat während eines Urlaubs eine philippinische Fischerfamilie kennengelernt; dieser persönliche Bezug verdeutlicht die katastrophalen Folgen des Wirbelsturms für die Bewohnerinnen und Bewohner des Landes.
Gleichzeitig erfährt eine der Astronautinnen vom Tod ihrer Mutter. Der bedrückende Moment der Erkenntnis, nicht bei deren Beisetzung dabei sein zu können, schwappt auf die Leserinnen und Leser über.

Nebenbei vermittelt Samantha Harvey Details über die Raumstation, die in diesem Roman zwar keinen Namen hat, aber wahrscheinlich die ISS ist. So erfährt man beispielsweise, dass es zwei Toiletten gibt: eine für die beiden russischen Kosmonauten, eine US-amerikanische Toilette für alle anderen. Eindeutige Hinweisschilder an den Toilettentüren legen fest, wer auf welches stille Örtchen gehen muss. Das Schild vor dem US-WC wird durch einen Hinweis ergänzt: Bitte benutzen Sie aufgrund der andauernden politischen Auseinandersetzungen ihre eigene nationale Toilette.
Die Besatzung hält sich oft nicht an die Trennung, macht sich aber darüber lustig. Der Kosmonaut Roman wird mit dem Satz "Ich bin mal eben weg und leg ein Ei für Mütterchen Russland" zitiert. So sieht es aus, wenn Politik seltsame Blüten treibt. Das Bodenpersonal muss machtlos beobachten, wie die Besatzung auch die geographische Aufteilung der Ergometer oder des Essenslagers missachtet.

Die Crew weiß noch nicht, dass sich die Lebenszeit der Raumstation dem Ende zuneigt. An der Außenwand des Raumschiffs ist ein feiner Riss, der einen so geringen Druckabfall im russischen Modul bewirkt, dass kein Alarm ausgelöst wird. Aber der Riss wird breiter, ganz langsam ...

Lesen?

Umlaufbahnen ist nicht nur eine plastische Schilderung des Lebens in einer Raumkapsel, es ist auch eine Ode an die Schönheit der Erde. Einer Erde, die von den Menschen nach und nach zerstört wird: Harvey beschreibt den von roten oder neonfarbenen Algenblüten gefärbten Atlantik, der längst überfischt ist und sich stetig weiter erwärmt ebenso wie die Verdunstungsteiche, aus denen Lithium gewonnen wird oder die schrumpfenden Eisschilde der Gletscher. Die Crewmitglieder registrieren diese menschengemachten Schäden: 'Aus ihrer Perspektive ist der Einfluss der Politik so offensichtlich, manifestiert sich in jedem Detail des Anblicks, dass sie gar nicht verstehen, wie ihnen das zunächst entgehen konnte', resümiert Harvey. An dieser Stelle macht es sich die Autorin möglicherweise zu einfach. Das gilt auch für die ein oder andere technische Beschreibung. Aber hier genau zu sein, war sicher nicht ihre Absicht.

Samantha Harvey bekam für ihren Roman den Booker Prize 2024.

Umlaufbahnen ist 2024 bei dtv erschienen und kostet als Hardcover-Ausgabe 22 Euro sowie als E-Book 18,99 Euro.

Nachtrag: Wer sich für Raumfahrt interessiert, kann sich mithilfe der kostenlosen App 'ISS Live Now' Aufzeichnungen aus dem Inneren der ISS ansehen oder live deren Erdumrundung verfolgen.