Zurück zu den Wurzeln - eine gute Entscheidung?
Das heutige Buch spielt in Köln, genauer: im Severinsviertel zwischen Ende September 2008 und Anfang März 2009. Die Autorin Ulrike Blatter hat im Februar 2016 ihren Roman Vor dem Erben kommt das Sterben veröffentlicht, der mit der Rückkehr der fast 40-jährigen Blanche in ihre Heimatstadt Köln beginnt. Blanche war zuletzt vor 20 Jahren hier gewesen und wegen der schlechten Erinnerungen geflohen. Sie hatte ihre beste Freundin Eva-Maria, die sie wegen ihrer porzellanweißen Haut und der schwarzen Haare auch "Schneewittchen" genannt hatte, verloren, als die beiden Mädchen 13 Jahre alt waren. An ihrem Tod, der sich vor Blanches Augen abspielte, hatte sie sich eine Mitschuld gegeben. Seitdem war ihr Leben aus der Bahn geraten: Sie hatte sich immer nur durchgemogelt, war nach Berlin abgehauen, um sich danach an den Junkie-Treffpunkten in Frankfurt, Hamburg und Zürich herumzutreiben. Aber jetzt spürt sie so etwas wie Heimweh, das sie in ihre alte Heimat zurücktreibt.
Zurück ins Veedel
Das Severinsviertel, das in Köln auch "Vringsveedel" genannt wird, gilt als der kölscheste Stadtteil. Dass seine alteingesessenen Bewohner sich als enge Gemeinschaft betrachten, kommt auch im Buch immer wieder zum Ausdruck. Hier ist Blanche aufgewachsen, als Tochter einer selbstständigen Frisörmeisterin und Enkelin einer resoluten Inhaberin einer Metzgerei. Männer haben in dem Leben der Drei keinen Platz. Die Mutter Lisbeth und die Großmutter ("Omma") sind beide sehr mit ihren Läden beschäftigt, sodass Lara, wie Blanche eigentlich heißt, eher nebenher versorgt wird. Doch nun ist sie wieder da, und da sie keine andere Anlaufstelle hat, wendet sie sich an ihre Mutter, die das Veedel verlassen hat und als Rentnerin in Köln-Höhenberg lebt. Lisbeth hält bei diesem Treffen nicht mit ihrem Ärger hinterm Berg, dass sie viel Geld für die Entzüge und Therapien ihrer Tochter gezahlt hat, das sie lieber in deren Ausbildung gesteckt hätte. Aber nun will sie ihr eine letzte Chance geben: Blanche soll in die alte Wohnung im Veedel ziehen, die die drei Frauen früher bewohnt hatten. Nach Ommas Tod und Lisbeths Auszug steht sie leer. Doch die Sache hat ein paar Haken: Der Baubeginn der Nord-Süd-Stadtbahn hat die Gegend entlang der Streckenführung sehr in Mitleidenschaft gezogen. Die Anwohner müssen nicht nur den ständigen Baulärm ertragen, sondern beobachten auch, dass die Bausubstanz zahlreicher Häuser so sehr leidet, dass sich tiefe Risse durch die Mauern ziehen. Außerdem setzt Lisbeth ihrer Tochter ein Ultimatum: Sie überlässt Blanche die Wohnung für ein halbes Jahr mietfrei, damit diese ihr Leben wieder ordnen kann. Und Blanche hat vor, diese Chance auf ihre Weise zu nutzen.
Wie kann man seinen Mitmenschen das Geld aus der Tasche ziehen?
Blanche bewohnt ihre neue Bleibe nicht allein: Schon am Tag ihres Einzugs drängt sich ihr eine weiße Katze förmlich auf, die sie mit ihren smaragdgrünen Augen fixiert und ihrem Blick standhält. Die Katze, die sie aus einer Eingebung heraus Cleo nennt, ist ihr unheimlich, aber sie wird sie nicht mehr los. Was Blanche nicht weiß: Cleo ist nicht irgendeine Katze, sondern die Wiedergeburt der letzten ägyptischen Königin Kleopatra VII., die 30 v. Chr. starb. Kleopatra hat bis zu ihrer Existenz als Katze verschiedene Wiedergeburten durchlaufen, darunter auch als Hexe, die auf einem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Für Cleo ist Blanche keine Fremde: Sie kennt sie bereits seit den 1970-er Jahren, als sie in Gestalt der weißhaarigen Frau Müller das Kind Lara aus dem Haus gegenüber beobachtete. Jetzt hat sie sich vorgenommen, sich um Blanche zu kümmern.
Blanche hat keinen Beruf gelernt und ist sowieso der Meinung, dass normale Arbeit eine Form der Ausbeutung ist. Doch was sie beherrscht, ist die Manipulation ihrer Mitmenschen, und auch auf dem Gebiet der Hypnose hat sie gute Fertigkeiten. Sie beginnt ihre Berufstätigkeit nun als Astro-Beraterin für eine Telefon-Hotline, bei der sie die Anrufer so lange wie möglich hinhält, um deren Telefongebühren in die Höhe zu treiben. Der Verdienst ist für den Anfang nicht schlecht, aber erst als eine Kundin namens Sybille um eine persönliche Beratung bittet, wendet sich das Blatt.Sybille ist das perfekte Opfer: Sie ist vor Kurzem verwitwet, naiv, kinderlos, in tiefer Trauer um ihren Mann und - das ist am wichtigsten - sehr wohlhabend. Blanche wittert bei dieser labilen Frau ihre Chance, endlich mit geringem Aufwand an viel Geld zu kommen und nutzt ihre Gabe, Menschen zu beeinflussen, aus: Im Laufe mehrerer Sitzungen suggeriert sie der älteren Frau, sie könne sie ihrem verstorbenen Mann näherbringen. Sie versetzt sie in Trance und tischt ihr in sogenannten Rückführungen Liebesgeschichten aus der Kölner Stadtgeschichte auf, die angeblich in grauer Vergangenheit zwischen Sybille und ihrem Mann stattgefunden haben. Die grundehrliche, aber sehr leichtgläubige Sybille fällt auf den Schwindel herein und schöpft aus diesen vermeintlichen Begegnungen mit ihrem geliebten Hubert neuen Lebensmut. Doch Blanche reichen die Honorare für die Sitzungen längst nicht mehr. Sie nutzt ihre Fähigkeiten, um in Sybille einen neuen Wunsch keimen zu lassen: durch den eigenen Tod und eine nachfolgende Wiedergeburt irgendwann wieder mit Hubert vereint zu sein. Und Blanche weiß sehr genau, wie sie dieses Ziel erreichen kann.
Kölner Stadtgeschichte, Tote, Heimtücke und ein guter Zweck
Vor dem Erben kommt das Sterben ist ein Roman, der sich interessant und sehr flüssig liest und randvoll mit Kölner Geschichte ist. Ulrike Blatter setzt sich gleich mit mehreren Themenfeldern auseinander, die sie in den Verlauf der Handlung einbaut: Sie beschäftigt sich sowohl mit der Möglichkeit der Reinkarnation als auch dem von zahlreichen Pannen und dem tragischen Einsturz des Stadtarchivs im März 2009 überschatteten Bau der Kölner Nord-Süd-Bahn, deren endgültige Fertigstellung aus heutiger Sicht noch in den Sternen steht. Auch ein weiteres Thema, mit dem sich andere Großstädte ebenfalls beschäftigen, behandelt sie: die Gentrifizierung, also die Abwanderung der finanziell wenig leistungsstarken Bewohner zugunsten des Zuzugs von wohlhabenden Bevölkerungsgruppen. Nicht nur in Köln haben Investoren fragwürdige Methoden, um Wohnhäuser zu "entmieten" und sie anschließend nach einer Sanierung für viel Geld zu vermieten oder zu verkaufen.
Ulrike Blatter spendet 10 % des Verkaufserlöses aus diesem Roman an die Kölner Stiftung Stadtgedächtnis. Das Geld soll dabei helfen, die bei dem Einsturz des Stadtarchivs beschädigten Dokumente wiederherzustellen.
Vor dem Erben kommt das Sterben wurde bei neobooks als e-Book herausgegeben und kostet 2,49 € (400 Seiten).
Hi, du hast ja mein Blog kommentiert leider weis ich nicht ob du den Kommentar den haken bei ich möchte Benachrichtigung erhalten gesetzt hast deshalb wollte ich dich darüber informieren das ich dir eine Antwort hinterlassen habe
AntwortenLöschenHi Jonathan, ich setze immer einen Haken. Aber danke für deinen Hinweis :-)
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