Susanne Craig und Russ Buettner schreiben für die
New York Times und haben sich seit 2016 in ihrer Berichterstattung auf die persönliche finanzielle Situation von Donald J. Trump fokussiert. Für ihre Recherchen, für die sie sich mit Trumps Erbschaft, seinen geheim gehaltenen Steuererklärungen und seinen Fehlschlägen beschäftigten, erhielten sie u. a. den Pulitzer-Preis.
Im September 2024 veröffentlichten sie ihr Buch Lucky Loser, dessen Untertitel How Donald Trump squandered his father's fortune and created the illusion of success (dt.: Wie Donald Trump das Vermögen seines Vaters verprasste und die Illusion des Erfolgs schuf) in die Richtung wies, die die Leserinnen und Leser erwarten konnten und deutlich treffender war als die deutsche Version: Die Wahrheit über Donald Trump und sein Vermögen.Craig und Buettner beließen es nicht bei der Dokumenten-Recherche, sondern befragten auch ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Geschäftspartner. Sie spürten der von Trump selbst seit Jahrzehnten erzählten Erfolgsgeschichte nach, wonach er ein begnadeter Unternehmer sei, der aus dem bescheidenen Vermögen seines Vaters ein Milliarden-Imperium geformt habe.
Man ahnt die Wahrheit, bevor man nur eine Seite dieses Buches kennt, das sich wie ein Wirtschaftskrimi liest. Man ahnt, dass hinter der Großmäuligkeit des amtierenden US-Präsidenten jede Menge heiße Luft ist. Man ahnt jedoch nicht, wie weit die eigene Vorstellung von der Realität entfernt ist.
Donald J. ist der Sohn von Fred Trump. Fred war der Sohn eines armen Pfälzer Winzers, der aus wirtschaftlichen Gründen 1885 zum ersten und 1905 zum zweiten Mal in die USA auswanderte. Donald war das vierte von fünf Kindern.
Das Buch reist kurz zurück ins Jahr 1925: Trumps mittlerweile verwitwete Großmutter Elizabeth gründete das Unternehmen 'Elizabeth Trump & Son', mit 'Son' war Fred gemeint. Die Basis für die Firmengründung waren mehrere Baugrundstücke, die Elizabeth von ihrem Mann geerbt hatte. Mit deren Bebauung, dem Verkauf der Neubauten sowie der Vergabe von Darlehen an die Käufer legte sie das Fundament für den geschäftlichen Erfolg ihres Sohnes.
Fred verdiente hervorragend an einem Geschäftsmodell, das den Staat ins Boot holte: Als Präsident Roosevelt die Federal Housing Administration (FHA) ins Leben rief, war das für den Bauunternehmer ein Karriereschub. Ab 1934 förderte die Behörde den Bau von Eigenheimen, indem sie Hypothekendarlehen versicherte. Auf dieser Grundlage vergaben Banken zinsgünstige Eigenheimkredite mit Laufzeiten von bis zu dreißig Jahren. Für die Bauunternehmer begannen rosige Zeiten. Mit Steuertricks gelang es Fred Trump, seine wahren Einkünfte zu verschleiern und damit Steuern zu sparen. Während seine Bauprojekte architektonisch nichtssagend waren, wurde Fred Trump auf andere Weise kreativ: Er blähte die Baukosten auf dem Papier auf, um zinsgünstige Kredite zu bekommen, und vermietete dann die fertigen Häuser teuer auf der Grundlage der offiziellen überhöhten Kostenprognosen. Diese Vorgehensweise wurde ihm zwar Mitte der 1950-er Jahre von öffentlichen Stellen vorgeworfen, hatte aber keine ernsthaften Konsequenzen.
Fred plante seine Firmennachfolge Anfang der 1970-er Jahre. Seine Töchter kamen hierfür nicht infrage, weil sie nun mal Frauen waren. Donalds Bruder Fred schied wegen seines Alkoholismus' aus. Donald avancierte zum Lieblingssohn, der mit den Millionen seines Vaters wie mit Spielgeld umging. Donald Trump versuchte sich als Bauherr von Hochhäusern, Hotels und Casinos und entschied sich aus dem Bauch heraus für neue Projekte. Die Presse war dabei behilflich, das von ihm geschaffene Image eines erfolgreichen Immobilienentwicklers zu unterfüttern: Durch deren schlampige Recherchen und Leichtgläubigkeit wurde das Vermögen, das Vater Fred gehörte, aber von Donald mit vollen Händen eingesetzt wurde, um sich stapelnde Hypotheken zu bedienen, seinem Sohn zugeschrieben - der diesen Eindruck durch maßlose Übertreibungen und Lügen verstärkte: "Mein Vater hat mir 1975 einen sehr kleinen Kredit gegeben, und ich habe damit ein Unternehmen aufgebaut, das viele, viele Milliarden Dollard wert ist und einige der größten Vermögenswerte der Welt besitzt." Tatsache ist, dass Fred Trump seinem Sohn Donald über die Jahre mit einer halben Milliarde Dollar ausgeholfen hat.
Nur wenige durchschauten das Finanzgeflecht, das Trump aufgebaut hatte und sich bestens dazu eignete, Geldströme zu verschleiern. In den 1990-er Jahren wuchsen Trumps Schulden durch schlecht durchgeführte Casino-Bauprojekte und -Betriebe dermaßen, dass ein Bankmanager gegenüber einem Journalisten des Wall Street Journal äußerte: "Donald Trump fährt mit 100 Meilen pro Stunde auf eine Mauer zu, und er hat keine Bremsen." Zu diesem Zeitpunkt hatte Trump 3,4 Milliarden Dollar Schulden angehäuft und sah sich fälligen Anleihezinsen in Höhe von einer Milliarde Dollar gegenüber. Die kreditgebenden Banken schreckten davor zurück, Trumps Kredite zu kündigen und so seinen Bankrott einzuleiten: Viele seiner Immobilien waren nicht wertvoll genug, um damit die Kredite zu decken. Außerdem stellten sie fest, dass Trump seine Kredite quer abgesichert hatte: Bei einer Pleite würden sich die Geldhäuser um dieselben Immobilien streiten. Erschwerend kam hinzu, dass Trump für 832,5 Millionen Dollar persönlich gebürgt hatte, sodass sich die Immobilien im Fall einer Insolvenz nur zu geringen Preisen verkaufen ließen.
Trump blieb jedoch der wirtschaftliche Super-GAU erspart, die Banken trafen mit ihm verschiedene bindende Absprachen für einen Zeitraum von fünf Jahren. Den schönen Schein konnte Trump aufrecht erhalten, weil ihm ein monatliches 'Haushaltsgeld' von 450.000 Dollar zugestanden wurde.
Obwohl ihre geschäftliche Herangehensweise sehr unterschiedlich war, hatten Vater und Sohn aber eines gemeinsam: Beide waren immer auf der Suche nach Möglichkeiten, ihre Steuerlast zu senken. Bei der Auswahl der Winkelzüge waren sie nicht zimperlich und nahmen auch illegale Aktionen in Kauf, die den Staat schädigten.
Die Rettung kam mit der TV-Show "The Apprentice". Die Sendung wurde ein Erfolg, Trump war obenauf. Doch nicht die Gage war es, die ihm einen reichen Geldsegen bescherte, sondern die zahlreichen Werbe- und Lizenzverträge im Umfang von Hunderten Millionen Dollar, die ohne seine Fernsehbekanntheit nicht möglich gewesen wären. Dort sorgte seine Unberechenbarkeit für hohe Einschaltquoten: Wen er feuerte, war jenseits jeder Logik und nur einem momentanen Impuls geschuldet. Der damalige Redakteur sagte: "Er feuerte immer wieder die absolut falsche Person. [...] Das passierte, wenn er absolut keine Ahnung hatte, was lief, und er einfach etwas erfand. Er musste nur irgendeinen Namen nennen." Sobald die Gefahr bestand, dass Trumps Verhalten sein Image beschädigen könnte, wurden die Aufzeichnungen nachträglich manipuliert, um "ihn nicht wie einen kompletten Idioten dastehen zu lassen".
Über dem Erfolg von "The Apprentice" waren seine gescheiterten Ehen und die beruflichen Misserfolge in den Hintergrund getreten. Die Regisseure inszenierten einen erfolgreichen Geschäftsmann, und Trump füllte diese Rolle auf den Fernsehbildschirmen perfekt aus.
Lesen?
Lucky Loser liest sich durchgängig interessant. Craig und Buettner haben fast jedes Statement durch eine Quelle belegt, sodass ihnen niemand Unglaubwürdigkeit oder Ungenauigkeit vorwerfen kann.
Es ist erschreckend, wie sehr es dem Blender Trump gelang, zahllosen Menschen einen Erfolg als Immobilienunternehmer vorzugaukeln, den es nicht gegeben hat. Seine Erzählungen, die man heute von ihm kennt, reichen fünfzig Jahre zurück und wurden seitdem von ihm gebetsmühlenartig wiederholt: Mit Superlativen beschreibt er damals wie heute seine Genialität, die allerdings getrost angezweifelt werden darf. Gelingt ihm etwas offenkundig nicht, sind entweder die Umstände oder andere Personen schuld.
Als Trump Mitte der 1980-er Jahre ein Buchvertrag für 'The Art of the Deal' angeboten wurde, beauftragte der Unternehmer den Journalisten Tony Schwartz als seinen Ghostwriter. Dieser war schnell desillusioniert: Trump konnte sich höchstens eine Stunde konzentrieren und "bei ihm zählt nur der ständige Trommelwirbel - Anerkennung von außen, immer mehr, immer größer, aber ohne Ziel". Aus seinen privaten Notizen geht ein noch desaströseres Urteil hervor: Wenn er Trump so beschreiben würde, wie er sei, dann erschiene er als "hassenswert oder, schlimmer noch, als eindimensionaler Angeber".
Trumps schlechte Eigenschaften können wir in diesen Tagen in seiner Politik wiederfinden. Der Mann, der als Unternehmer seinem Land geschadet hat, wurde von einer Mehrheit zu dessen Präsident gewählt. Manche Dinge sind so absurd, dass man sie sich nicht ausdenken kann.
Die New York Times schrieb im September 2024 sehr treffend: "Selbst als die Maske des kompetenten Geschäftsmanns fiel, erwiesen sich die gleichen Schuldzuweisungen und Wahrheitsverweigerungen, die ihn und den Rest seiner Familie vor den Konsequenzen geschützt hatten, weiterhin als nützlich. Washington war nach seiner Präsidentschaft ein Chaos, aber die Schuld trugen die Demokraten, oder vielleicht die Chinesen. Antifa. Einwanderer. Die Ukraine."
Fazit: auf jeden Fall lesen.
Lucky Loser ist 2024 im Gutkind Verlag erschienen und kostet als Hardcover 35 Euro sowie als E-Book 22,99 Euro.
Nachtrag: Der Begriff "Lucky Loser" stammt aus dem Sport. Mit ihm sind Athleten gemeint, die in der ersten Runde eines Wettbewerbs oder einer Qualifikation scheitern, aber trotzdem weiterkommen, weil sie zu den besten Verlierern gehören.