Freitag, 28. Juni 2024

Happy birthday to Inas Bücherkiste

Heute Vormittag fiel mir ein, dass ich die Bücherkiste
irgendwann im Juni 2015 gestartet habe. Mit einem Buch, das ich immer noch gut finde: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war von Joachim MeyerhoffUnd wann war das genau? Am 15. Juni 2015. Vor fast zwei Wochen ist mein Blog also neun Jahre alt geworden, und ich habe das verpasst. Das ist mir leider nicht zum ersten Mal passiert.

Aber sollte meine Dösigkeit ein Grund sein, diesen Geburtstag jetzt komplett abzuhaken? Ich finde: nein.

Ich will jetzt aber nicht schreiben, welche von den bislang über 440 vorgestellten Büchern ich am allerbesten fand und welche eher ein Fall für den Schredder sind. Das machen schon andere Leute im Fernsehen, und ich kann nicht sagen, dass ich das besonders gelungen finde. Beim Lesen soll es um die Lust an der Sache gehen; ich glaube nicht, dass diese Lust steigt, wenn in der Buchszene präsente Menschen das  Lieblingsbuch einiger Leserinnen und Leser mit dem Etikett "Schund" versehen. 

bloggdeinbuch.de und die Plagiate

Rund um die Bücherkiste gab es ein paar Begebenheiten, die es wert sind, erzählt zu werden. Manchmal war das Buchbloggen nämlich ein Kommen und Gehen.
Im Frühling 2012 wurde die Bloggerplattform bloggdeinbuch.de ins Leben gerufen. Dahinter stand der kaum ältere Verlag EPIDU, der sich selbst als Web 2.0-Verlag bezeichnete: Leserinnen und Leser konnten mitbestimmen, welche Bücher veröffentlicht werden. Über bloggdeinbuch.de konnten Verlage gegen eine Gebühr ihre Neuerscheinungen für Rezensionen anbieten. Drei Jahre später berichtete der Gründer, dass schon 160 Verlage an diesem Modell teilnehmen. 
Viele Publikationen, die sich mit Themen aus der Buchbranche beschäftigen, haben über das Start-up berichtet. Die Grundstimmung war durchweg positiv. Ein paar Jahre später war bloggdeinbuch.de Geschichte. Mein letzter Kontakt war im Sommer 2017, das letzte Lebenszeichen gab das Portal auf Twitter im Januar 2019 von sich. Mir ist das erst später aufgefallen, obwohl ich immerhin sieben Bücher, die ich über bloggdeinbuch.de bekommen hatte, in der Bücherkiste vorgestellt habe.

Mit der Rezension eines Buches, das ich von bloggdeinbuch.de erhalten hatte, habe ich dann zum ersten Mal erlebt, dass meine Texte plagiiert wurden. Die Bücherkiste war erst ein Dreivierteljahr alt, als mir auffiel, dass eine andere Bloggerin zwei Drittel meiner Rezension unverändert in ihre eigene eingefügt hatte. Nach meinem Hinweis wurde sie von der Plattform aufgefordert, ihren Text zu ändern, was sie auch getan hat.
Fast zeitgleich hatte eine andere Bloggerin ein Buch rezensiert, das ich direkt vom Autor bekommen hatte. Sie hatte sich zwar die Mühe gemacht, den einen oder anderen meiner Sätze ein bisschen umzubauen, aber die "Abschreiberitis" war klar zu erkennen. Auf meine freundlich formulierte Bitte, ihre Rezension in ihren eigenen Worten zu verfassen, reagierte sie schnippisch und forderte mich auf, meine Anschuldigung zurückzunehmen. Hat es Sinn, da noch länger zu diskutieren? Nein, hat es nicht. Ich habe den Fall einem Fachanwalt geschildert, der die Bloggerin aufgefordert hat, ihren Text zu ändern oder zu löschen. Sie hat sich fürs Löschen entschieden. Da ich vom Anwalt nie eine Rechnung bekommen habe, gehe ich davon aus, dass die Bloggerin diese bezahlt hat. Ihren Blog gibt es immer noch, es werden aber nur unregelmäßig Artikel veröffentlicht.
Auf den ersten Blick könnte man mein Verhalten zickig finden. Aber zu diesem Zeitpunkt habe ich auch bezahlt geschrieben, indem ich Websites betextet habe. Meine Blogs waren damals ein Teil meiner Selbstpräsentation. Außerdem bestraft Google sogenannten Duplicate Content mit der Herabstufung der primär rankenden Seite - also in diesem Fall meiner.

Indipendent-Publishing - interessante Jahre und die Insolvenz 

Im Juni 2015 kündigte der Harenberg Verlag an, in seine Branchenzeitschrift "buchreport-magazin" erstmals einen Schwerpunkt zum Thema 'Indipendent Publishing' aufzunehmen. Der sog. "Indie-Katalog" wurde von der Website indie-publishing.de flankiert. Die Redaktion nahm Kontakt zu Bloggern auf, die nicht nur die Titel der großen Publikumsverlage rezensierten, sondern eben auch die von unabhängigen Verlagen, die es deutlich schwerer haben als ihre großen Mitbewerber, auf dem Buchmarkt sichtbar zu werden. Der "Indie-Katalog" beschränkte sich jedoch nicht auf diese Zielgruppe, sondern bot auch Selfpublishern die Möglichkeit, ihre Bücher zu präsentieren. Etliche meiner Rezensionen wurden dort abgedruckt, wie zum Beispiel hier

Das Rezensieren von Büchern, die nicht in der Mainstream-Welle mitschwammen, hat mir viel Spaß gemacht. Die angebotenen Rezensionsexemplare waren ein guter Querschnitt durch alle Genres. Doch Anfang 2019 wurde es plötzlich still. Auf meine Nachfrage teilte mir ein Mitarbeiter des Indie-Katalogs mit, dass man an einem tollen neuen Konzept arbeite und man die Zusammenarbeit mit Bloggern "vorerst" einstelle. Aus dem "vorerst" wurde der Tod des Indie-Katalogs. Was Jahre zuvor so positiv und euphorisch angekündigt worden war, verschwand sang- und klanglos von der Bildfläche. 

Vielleicht war das der Anfang vom Ende des Harenberg-Verlags. Ich weiß es nicht. Der Verlag meldete im Dezember 2023 Insolvenz an. Seit 1971 hatte er für den SPIEGEL die Bestsellerliste erstellt. Nach über 50 Jahren war es damit plötzlich vorbei. Nun werden die Bestsellerlisten von der Buchhandels-Genossenschaft eBuch erstellt und in der Zeitschrift "BuchMarkt" veröffentlicht.

Blogsterben?

Etwa zu dem Zeitpunkt, in dem ich hier meiner Bücherkiste Leben eingehaucht habe, sind auch sehr viele andere Buchblogs entstanden. Ich habe keine Ahnung, was diese "Gründungswelle" ausgelöst hat, aber der Trend war nicht zu übersehen. Ich bin damals einigen Blogs, die mich interessierten, über die Blogroll gefolgt. Nach ein oder zwei Jahren habe ich aber festgestellt, dass ich diese verlinkte Leseliste überarbeiten muss: Die meisten Blogs existierten gar nicht mehr, der anfängliche Schwung der lesebegeisterten Bloggerinnen und Blogger ist nach relativ kurzer Zeit auf der Strecke geblieben. Jetzt, während ich diesen Text schreibe, fällt mir auf, dass ich mir meine Blogroll mal wieder ansehen muss. Die Liste ist bereits auf nur sechs unterschiedliche Blogs geschrumpft. Vier davon sind passiv, ein Foto-Blogger postet nur noch alle paar Monate einen Beitrag, nur eine Buchbloggerin lädt regelmäßig ihre Rezensionen hoch.

Mir fallen Buchblogs ein, die vor Jahren in den sozialen Netzwerken eine Nische besetzt haben und nach meinem Eindruck damit erfolgreich waren. Auch sie existieren nicht mehr.

Woran liegt das? Ich kann da nur spekulieren. Vor einigen Jahren wurde unter Buchbloggern diskutiert, ob es anrüchig ist, mit dem Veröffentlichen von Rezensionen Geld zu verdienen. Auf den Social-Media-Plattformen wurde diese Frage rauf und runter besprochen. Viele bezogen sich auf Kosmetik-, Mode-, Koch- oder Reiseblogger, die bei ausreichend hoher Reichweite mit guten Einnahmen rechnen konnten - und es noch immer können. Da stand dann die kulturell-ethische Fraktion der ökonomischen gegenüber, eine Einigung konnte es nicht geben. Ich selbst habe für mich keine klare Antwort gefunden, ob es in Ordnung ist, mit einem Buchblog Einnahmen zu erzielen. Das Buch wie ein sakrosanktes Kulturgut zu behandeln, finde ich allerdings übertrieben. Möglicherweise gab es Buchblogger, die auf Einkünfte gehofft haben, dann jedoch nur Kosten hatten. 

Das wird aber nur einige Buchbloggerinnen und -blogger zum Aufgeben gebracht haben. Was für Blogleser nicht zu erkennen ist, ist der Aufwand, der hinter jedem Beitrag steckt.
Zuerst muss das Buch natürlich gelesen werden. Bei schmalen Bänden reichen ein paar Stunden, bei dicken und/oder anspruchsvollen Büchern vergehen Tage von der ersten bis zur letzten Seite. Dann wird am Blogtext gefeilt. Das kann dauern und hängt auch von der Tagesform ab. Was nicht vergessen werden darf: Das Bloggen ist für mich wie wahrscheinlich die Mehrheit der Buchbloggerinnen und -blogger ein Hobby. Ich bin im Gegensatz zu manchen anderen Buchbloggern wirtschaftlich nicht mit der Literaturbranche verbunden. Das heißt aber auch, dass ich niemandem nach dem Mund reden muss und in der Auswahl der vorgestellten Titel frei bin. Das ist sicher ein großes Plus. Aufgrund dieser Freiheit entscheide ich auch über die Art, wie ich die Bücher präsentiere. Ich möchte, dass sie im Mittelpunkt stehen und der Blick aufs Buch nicht von Dekoartikeln abgelenkt wird. Meine Bücherkiste ist keine Unterabteilung von "Schöner Wohnen", da muss kein Vorhang oder Blumenstrauß auf die Farben des Covers abgestimmt sein.

Die Zahl der kunstvoll arrangierten Buchfotos dürfte in den letzten Jahren aber zugenommen haben. Viele Buchblogger betreiben entweder parallel zu ihrem klassischen Weblog Accounts auf Social-Media-Kanälen oder sind komplett zu ihnen abgewandert. Während 2015 Facebook weit vorn lag, findet man heute viele Buchblogger bei Instagram, Pinterest und TikTok. Diese Portale haben gemeinsam, dass sie visuell ausgerichtet sind. Der Rezensionstext spielt, wenn es überhaupt einen gibt, nur eine Nebenrolle. Häufig reichen dann drei Sätze und fünf Hashtags, um einen Post zu erstellen. Wenn ich dann Kommentare wie "geiles Cover" lese, weiß ich, dass ich falsch bin. Ich erkenne dann weder in den Buch-Posts noch in den Kommentaren eine Liebe zum Buch.

Ich habe auch Social-Media-Accounts bei InstagramX (Ex Twitter) und Threads. Sie dienen dazu, den eigentlichen Buchblog zu bewerben. Was ich vor neun Jahren für überflüssig gehalten habe, scheint heute der einzige Weg zu sein, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die Folge: Die Social-Media-Aktivitäten kosten weitere Zeit. Zeit, die ich im Grunde lieber mit dem Lesen oder anderen Dingen verbringen möchte.

Messen und Kontakte

Buchbloggen kann man natürlich im stillen Kämmerlein im Schein einer Kerze betreiben, das Glas Rotwein immer in Reichweite. Aber wer will das schon?

Zum Bloggerleben gehörte für mich auch der Besuch der Buchmessen in Frankfurt und Leipzig. Es war schön, sich mit anderen Bloggerinnen (ja, die große Mehrheit der Buchblogger ist weiblich) auszutauschen und Kontakte mit Verlagen zu knüpfen. Mein Schwerpunkt lag dabei auf unabhängigen Verlagen; die großen Publikumsverlage haben ohnehin viel Aufmerksamkeit. Doch mein letzter Messebesuch war im April 2023 auf der Leipziger Buchmesse. Danach habe ich beschlossen, nicht mehr zu großen Messen zu gehen. Als Mensch mit Mobilitätseinschränkung habe ich die Besuche in den überfüllten Hallen als extrem anstrengend empfunden, auch mit einem Elektro-Scooter. Es war der nackte Stress, trotz der Unterstützung meiner jeweiligen Begleitung. In Leipzig kam 2023 noch die nicht vorhandene Steuerung auf den Parkplätzen hinzu, was mich trotz meines Presseausweises stundenlang von der Veranstaltung ausschloss. 

Der Kontakt mit den Verlagen hat unter meiner Messe-Abwesenheit allerdings gelitten, was ich sehr schade finde. Physisch präsent zu sein ist dort offenbar wichtiger als ich dachte. Hier nutze ich die Gelegenheit, mich insbesondere beim Verlag Donata Kinzelbach, dem Polar Verlag sowie dem Anthea Verlag für die gute Zusammenarbeit zu bedanken.
Zu einzelnen Buchbloggerinnen gibt es noch eine Verbindung. Aber wahrscheinlich haben alle Dinge ihre Zeit.

Mir macht das Buchbloggen immer noch Spaß und ich bin gespannt, was ich bis zum zehnten Geburtstag der Bücherkiste noch erleben werde. Wenn ich ihn nicht wieder vergesse...



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen