Freitag, 28. September 2018

# 169 - Wer trieb die Raketenforschung in den USA voran?

Ein Buch, das die Geschichte der NASA gerade rückt

 

Mit Hidden Figures hat Margot Lee Shetterly ein Buch geschrieben, das sich sehr detailliert mit der Rolle und Position von schwarzen Frauen bei der NASA und ihrer Vorläuferorganisation, dem NACA, seit dem 2. Weltkrieg bis in die 1970-er Jahre beschäftigt. Ein Thema, über das vor dieser Veröffentlichung so gut wie nichts bekannt war.

Die Rolle von schwarzen Mathematikerinnen als "menschliche Computer" 

 

Was zunächst klargestellt werden muss: Hidden Figures wurde insbesondere als 2017 dreifach für den Oscar nominierter Kinofilm bekannt, in dem sich die Handlung um die drei afroamerikanischen Mathematikerinnen Katherine Goble, Dorothy Vaughan und Mary Jackson dreht. Die Vorlage für diesen Film war jedoch kein Roman, sondern ein Sachbuch. Das ist wesentlich für das Verständnis dieses Buches, in dem sich die jahrelange Recherche der Autorin widerspiegelt. Shetterly hat ihre Informationen aus derart vielen Quellen zusammengetragen, dass für die Anmerkungen und die Bibliografie 48 Buchseiten benötigt werden. Die großen geschichtlichen Schlagworte, die hier eine wesentliche Rolle spielen, sind bekannt: Die strikte Rassentrennung in den USA, die sich durch das ganze Leben der US-Amerikaner zog, wurde erst aufgeweicht, als gebildete Schwarze gebraucht wurden, weil es für die Aufgaben, die der NACA vor sich hatte, nicht genügend weißes Fachpersonal gab. Die Mathematikerin Dorothy Vaughan begann ihre Arbeit als menschlicher Computer beim Langley Memorial Aeronautical Laboratory, einer Einrichtung des NACA, im Dezember 1943. Bevor es die heutigen Computer gab wurden Menschen, deren Arbeit es war, komplizierte Berechnungen zu tätigen, als Computer bezeichnet. Die USA hatten es sich in diesem Abschnitt des 2. Weltkriegs zum Ziel gesetzt, ihre Feinde aus der Luft zu besiegen und benötigten technisch hoch entwickelte Flugzeuge.

Als der Krieg vorbei war, litten die Schwarzen unter den Auswirkungen der McCarty-Ära, die mit einer Kommunismus-Hysterie und ausufernden Verschwörungstheorien einher ging.
Katherine Goble trat erst 1953 als wissenschaftliche Mathematikerin in den NACA ein. Zwei Jahre zuvor begann dort Mary Jackson ihre Arbeit. Der Schwerpunkt hatte sich nun auf die Erforschung der Raumfahrt verlegt, da die USA auf diesem Gebiet in einem ständigen und teuren Wettstreit mit der UdSSR standen. Die Arbeit dieser drei schwarzen Wissenschaftlerinnen hat den Erfolg des Mercury- und Apollo-Programms ermöglicht. Geehrt wurde jedoch nur Katherine Goble (später Johnson), die neben meheren NASA-Auszeichnungen und Ehrendoktorwürden 2015 im Alter von 97 Jahren eine der höchsten zivilen Auszeichnungen der USA, die  Presidential Medal of Freedom, erhielt.


Lesen?

 

In Hidden Figures schildert Margot Lee Shetterly sehr genau einen Teil der jüngeren Geschichte der USA, der von der Unterdrückung und Geringschätzung der afroamerikanischen Bevölkerung geprägt war. Der Zugang zu Schlüsselpositionen in der US-Administration für gebildete Schwarze wurde einerseits durch die Beharrlichkeit und große Disziplin von Menschen wie den drei genannten Mathematikerinnen und andererseits durch den großen Mangel an fähigem Personal befördert. Die erfolgreiche Tätigkeit von Katherine Goble, Mary Jackson und Dorothy Vaughan war der Türöffner für die nach ihnen bei der NASA arbeitenden afroamerikanischen Wissenschaftlerinnen. Das Ziel der Gleichberechtigung ist jedoch auch mehr als 50 Jahre später noch nicht erreicht worden.  
Das Buch spricht nicht nur technik- und geschichtsbegeisterte Leser an, sondern auch solche, die sich für gesellschaftliche Themen interessieren. Wissenschaftliche Darstellungen sind nicht mit Fachbegriffen überfrachtet und sehr gut verständlich.

Hidden Figures ist bei HarperCollins erschienen und kostet als Taschebuch 14 Euro sowie als E-Book 12,99 Euro. Ich bedanke mich beim Verlag, der mir das Buch zur Verfügung gestellt hat.

Freitag, 21. September 2018

# 168 - "Wir werden immer radikaler"

Das ist der erste Satz auf dem Schutzumschlag des Buches Die radikalisierte Gesellschaft - von der Logik des Fanatismus des emeritierten Psychologieprofessors Ernst-Dieter Lantermann. Gemeint ist damit nicht nur die politische Radikalisierung, sondern auch die unserer Lebensweise: Da geht es um die fanatischen Selbstoptimierer, die ihre Laufrunden nie ohne ihren Fitness-Tracker gehen; die radikalen Veganer, deren Verzicht auf alles Tierische auch Bücher mit geleimten Rücken umfasst - der Leim könnte ja aus Knochen hergestellt worden sein.

Was führt zu einer Radikalisierung?

 

Lantermann erläutert anhand von Studien, wie es zu Radikalisierungen kommt und macht dabei einen Unterschied zwischen Radikalismus und Fanatismus. Er weist auch auf Arten von Radikalisierungen hin, die erst auf den zweiten Blick erkennbar sind: Ein Beispiel sind die Gated Communities, die in den USA, Südafrika, Russland oder Polen schon seit etlichen Jahrzehnten Normalität sind, hier aber erst seit einigen Jahren verstärkt gebaut werden. Menschen, die sich diese Wohnform leisten können, wollen sich abschotten gegen Gewalt, die außerhalb der Zäune und Schranken vermutet wird und fühlen sich hier sicher. Ein weiteres Motiv ist der Wunsch nach einer sozialen Homogenität, um unter Seinesgleichen zu sein und keine Neiddebatten führen zu müssen. Diese Anlagen liegen meist inmitten von Innenstädten: Der Wunsch der Bewohner nach Abschottung ist für die benachbarten Anwohner gleichzeitig eine Zurückweisung und ihnen bleibt der Eindruck, dort ausgenutzt zu werden, wo ihr Viertel Lebenswertes bietet - vom Kindergarten und der Schule bis zur Gastronomie und kulturellen Angeboten. Von den Community-Bewohnern kommt allerdings nichts zurück. Zwischen ihnen und den "außen" lebenden Menschen kommt es zu einer Distanz, wenn nicht sogar Gegnerschaft.

Die Wurzeln der Radikalisierung sieht Lantermann in den schnellen gesellschaftlichen Veränderungen, die bei vielen Menschen zu Unsicherheiten führen. Jeder hat das Bedürfnis nach Gewissheit, Sicherheit, Überschaubarkeit und Kontrollierbarkeit. Wenn dieses Bedürfnis über einen längeren Zeitraum hinweg unerfüllt bleibt, sind die Selbstachtung und das Selbstwertgefühl bedroht. Eine häufige Reaktion ist dann, sich selbst Sicherheiten und Gewissheiten zu schaffen - in der Radikalisierung oder gar im Fanatismus.

Wie war's?

 

Das Buch hat mich leider nicht rundum überzeugt. Die Ursachen von Radikalisierung und Fanatismus werden gut verständlich erklärt, diese Erläuterung wiederholt sich jedoch einige Male in leicht veränderten Zusammenhängen. Der Klappentext hat zudem den Eindruck vermittelt, dass sich Lantermann verschiedenen Ausprägungen des Fanatismus gleichermaßen widmen würde, das ist jedoch nur bedingt der Fall: Es werden mehrere Varianten wie z. B. die Selbstoptimierung behandelt, den deutlich breitesten Raum nimmt allerdings die politische Radikalisierung ein. In Anbetracht des politischen Geschehens ist das zwar nachvollziehbar, der Klappentext ist hier jedoch irreführend.
Lantermanns Hoffnung, dem politischen Fanatismus und der Radikalisierung etwas entgegenzusetzen, ruht auf einer engagierten Zivilgesellschaft und er  beklagt, dass sich ehrenamtlich Engagierte nicht nur von Rechtsextremen, sondern auch von so manchen Politikern anhören müssen, sie seien Bahnhofsklatscher oder Gutmenschen.

Die radikalisierte Gesellschaft - von der Logik des Fanatismus ist im Blessing Verlag erschienen und kostet als gebundene Ausgabe 19,99 Euro sowie als epub- oder Kindle-Edition 15,99 Euro.

Donnerstag, 13. September 2018

# 167- Blogtour "Mutige Frauen"

Was macht Frauen zu mutigen Frauen?

 

In diesem Jahr sind im Herder Verlag bereits zwei Bücher erschienen, die sich mit mutigen Frauen beschäftigen: Hildegard von Bingen - die mächtigste Nonne des Mittelalters von Maria Regina Kaiser und Gabriele Münter - ein Leben zwischen Kandinsky und Kunst von Stefanie Schröder.

Hildegard von Bingens Name ist heute vor allem deshalb bekannt, weil zahlreiche Unternehmen mit Gesundheitsprodukten, auf die sie ihren Namen drucken, ihr Geld verdienen. Maria Regina Kaiser hat das Leben der bekanntesten Nonne des Mittelalters in Romanform beschrieben, und man kommt zu dem Schluss: Ja, Heilpflanzen spielten für sie eine große Rolle, aber ihr Leben und Wirken wurde von dem dominiert, was Gott ihr sagte. Schon in jungen Jahren, bevor sie ihr Leben Gott und der Kirche widmete und ins Kloster ging, hatte der Glaube voll von ihr Besitz ergriffen. Das, was sie lenkte und sie auch zu unbequemen Entscheidungen bewog, war das unregelmäßige Auftreten des 'lebendigen Lichts'. So hat sie das, was sie in den Momenten, in denen es ihr erschien, selbst bezeichnet. Sie besaß die Gabe, die Zukunft einzelner Menschen vorherzusehen und wurde oft von einem hellen Licht eingehüllt, in dem sie eine Stimme hörte, die ihr Ratschläge gab oder zeigte, wie sie ihren Lebensweg fortsetzen sollte. So entstand auch der Entschluss, die Klausnerei im Kloster Disibodenberg, der sie als Äbtissin vorstand, zu verlassen und das Frauenkloster Rupertsberg zu gründen. Die Mönche waren von dieser Entscheidung nicht begeistert: Einige von ihnen waren während der Beichte, die sie den Nonnen abnahmen, mehrmals übergriffig geworden. Dieses Amüsement wurde ihnen nun genommen. Der Abt wollte den Auszug der Nonnen auch darum verhindern, weil die Ratschläge Hildegards so populär waren, dass sich ständig zahlreiche Pilger einfanden. Und viele Besucher waren gleichbedeutend mit einem stetigen Fluss von Einnahmen. Nur unter der Hand wurde von den Mönchen kritisiert, dass ohne die Nonnen, die damals allesamt dem wohlhabenden Adel entstammten, auch keine Mitgift mehr zu erwarten war. Schlimmer noch: Hildegard verlangte sogar, dass ein Teil der von den Damen mitgebrachten Güter wieder herausgegeben werden sollte, um für den Bau und Betrieb des neuen Klosters verwendet zu werden. Eine gewisse Ironie der Geschichte liegt darin, dass heute mit Heilpflanzen, Wässerchen und Tinkturen, die angeblich auf Hildegard zurückgehen, reichlich Kasse gemacht wird, die tief gläubige Nonne sich aber selbst nicht zu helfen wusste: Ihr Leben war von einer damals rätselhaften Krankheit dominiert, die sie schon als Kind gebrechlich machte und immer wieder dafür sorgte, dass Hildegard von Muskelkrämpfen gelähmt wurde und oft lange nicht das Bett verlassen konnte. Aus heutiger Sicht kann es sich bei ihrer Erkrankung um Multiple Sklerose gehandelt haben.
Hildegard lebte in der für sie gesicherten Gewissheit, dass Gott durch das 'lebendige Licht' zu ihr spricht und ihr Handeln immer im Einklang mit dem Willen des Herrn steht, wenn sie diesen befolgt. Das war es, was sie stark gemacht hat, und mit dieser Stärke war es ihr möglich, die Widerstände, die ihr als Frau entgegenschlugen, auszuhalten und so viel Ansehen zu gewinnen, dass ihre sogenannten Schauungen auch vom Papst gutgeheißen wurden und sie sie aufschreiben durfte. Doch sie ließ nicht mit sich reden, wenn es um die Neuaufnahme von jungen Mädchen oder Frauen in ihr Kloster ging: Wer keine adelige Herkunft vorweisen konnte, hatte keine Chance. Gott scheint an dieser Stelle geschwiegen zu haben.
Hildegard von Bingen starb 1179 im Alter von 81 Jahren.


Gabriele Münter ist oft nur Kunstinteressierten ein Begriff. Erst, wenn der Name Wassily Kandinsky fällt, stellt sich der "Aha-Moment" ein. Die beiden waren etliche Jahre ein Liebespaar. Münter hatte den russischen Maler Kandinsky als Lehrer in einer Malschule kennengelernt und sich zunächst gegen seine Annäherungsversuche gesträubt. Sie blickte zu dem fast zwölf Jahre älteren Mann auf und fühlte sich von seinen Liebesbeteuerungen geschmeichelt. Kandinsky war allerdings noch verheiratet, beteuerte aber immer wieder inbrünstig, sich scheiden lassen und Münter heiraten zu wollen. Doch immer, wenn er von einem Besuch in Russland zurückkam, hatte er "vergessen", sich um die nötigen Formalitäten zu kümmern. Frauen scheinen zu allen Zeiten auf so einen Schwachsinn hereingefallen zu sein.
Gabriele Münter war in konservativen Verhältnissen aufgewachsen und hatte ein großes Talent zum Zeichnen und Malen. Schon als Kind war sie mehrmals umgezogen, und mit Kandinsky setzte sich dieses Nomadenleben fort. Das lag jedoch nicht an ihr, sondern an ihrem Geliebten: Er hatte eine große innere Unruhe, die ihn von einem Ort zum anderen trieb, hielt es aber immer weniger an Orten aus, wo sich viele Menschen befanden. Münter fühlte, wie sie von seinen psychischen Problemen immer weiter vereinnahmt wurde; sie seelisch unter Druck zu setzen, beherrschte Kandinsky meisterhaft. Sie nahm es zur Kenntnis, von ihren Geschwistern bedrängt und von den Mitmenschen moralisierend beäugt zu werden, weil ihr Lebenswandel in dieser Zeit dem einer Hure gleichkam. Die 1903 von Kandinsky betriebene Verlobung mit Münter, auf der er trotz seiner immer noch existierenden Ehe bestand, war ein Strohhalm, an dem sich Münter festhielt. Die Malerin lebte sparsam von ihrem Erbteil und hat sich von Kandinsky dazu überreden lassen, ein Ferienhaus in Murnau am Staffelsee (Oberbayern) als Sommerhaus und Alterswohnsitz zu kaufen. Das Haus wurde zum Treffpunkt bekannter Künstler wie Franz Marc oder August Macke. Letztlich kam es jedoch 1916 zwischen Münter und Kandinsky zum Bruch, und bereits ein Jahr später heiratete Kandinsky eine andere Frau.
Aber nicht nur das stetige Auf und Ab dieser Beziehung wurde zum Problem. Gabriele Münter musste erfahren, dass sie von den Malern ausgegrenzt wurde. Kleinliche und eitle Streitigkeiten, die von August Macke ausgegangen waren, waren die Ursache. Macke fühlte sich bei der Kunst-Publikation Der Blaue Reiter zu wenig beachtet und gönnte seiner Kollegin nicht die Aufmerksamkeit. Eine belastende Situation für Münter, die immer nach zwischenmenschlicher Harmonie strebte. 
Auch wenn Stefanie Schröder den roten Faden von Gabriele Münters künstlerischer Entwicklung verfolgt, liegt der Schwerpunkt auf ihrem sozialen Leben. Die Beziehungen zu ihren Geschwistern, zu Kandinsky und ihrem späteren Lebensgefährten Johannes Eichner sowie zu der damaligen Kunstszene sind das wesentliche Element des Buches. Gabriele Münter starb als alleinstehende Frau 1962 im Alter von 85 Jahren in ihrem Haus in Murnau.

Was ist Mut?

 

Darüber, was Mut ist, scheiden sich die Geister. Vielleicht kann man sich darauf einigen, dass Mut dadurch gekennzeichnet ist, dass man für eine wichtige Sache bereit ist, über den eigenen Schatten zu springen und Ängste zu überwinden, weil man nur so glaubt, sein Ziel erreichen zu können. Die Risiken, die man dabei eingeht, werden bewusst in Kauf genommen. Sind Hildegard von Bingen und Gabriele Münter vor dem Hintergrund dieser Definition mutige Frauen ihrer Zeit gewesen? Ich denke, diese Frage ist schwer zu beantworten. Hildegard von Bingen war von ihrem tiefen Glauben durchdrungen und handelte in der festen Überzeugung, nur das zu tun, was Gott von ihr erwartet. Da ihre Erkrankung sich immer dann besserte, wenn sie sich über alle Ermahnungen und Vorhaltungen hinwegsetzte und die Anweisungen des 'lebendigen Lichts' befolgte, war sie sicher, dann das Richtige zu tun. Das befähigte sie dazu, sich gegen die Wünsche auch der höchsten kirchlichen Würdenträger zu stellen und das durchzusetzen, was ihrer Meinung nach Gottes Wille war. Das, was sie tat, war also im eigentlichen Sinne nicht ihr eigener Entschluss, über den sie sich Gedanken gemacht und der in ihr gereift war. Sie war streng genommen ein Werkzeug Gottes.
Auch bei Gabriele Münter ist die Sache nicht eindeutig. Sie war zerrissen zwischen ihrer Beziehung zu Kandinsky und den Erwartungen, die nicht nur ihre Familie, sondern auch sie selbst an ihr Leben stellte. Nichts hätte sie lieber getan, als mit dem Maler eine ganz normale und bürgerliche Familie zu gründen. Stattdessen schien zwischen den beiden eine gegenseitige seelische Abhängigkeit bestanden zu haben. So legt es jedenfalls die Darstellung von Stefanie Schröder nahe. Als die Beziehung mit Kandinsky zerbrach, war Münter fast 40 Jahre alt und nicht mehr in einem Alter, in dem man damals noch heiratete, um eine Familie zu gründen. Möglicherweise hat ihr die Trennung gezeigt, dass sie auch gut ohne den Maler zurechtkam, aber das ist Spekulation. Mutig war jedoch ihr 1938 gefasster Entschluss, Kandinskys Bilder in ihrem Haus in Murnau zu verstecken, als sogar in Privathäusern nach sogenannter entarteter Kunst gefahndet wurde. Damit hat sie Haft, wenn nicht sogar ihr Leben riskiert.

Beide Bücher kosten als gebundene Ausgabe je 22 Euro und als epub- oder Kindle-Edition 16,99 Euro.
In Kürze erscheint in dieser Reihe eine Romanbiografie von Nadine Sieger, die sich mit dem Leben von Coco Chanel beschäftigt. 

An dieser Blogtour nehmen noch diese Blogs teil:
Lesendes Federvieh 

Katis Bücherwelt  
Klusi liest 

Ich bedanke mich bei der Agentur Literaturtest für ihre Unterstützung.

Freitag, 7. September 2018

# 166 - Tödliche Männerfeindschaft

Im Spaßgeschäft geht es ernst zu

 


Johnny Quadt hat es geschafft und ist auf Sylt die Größe unter den Event-Unternehmern. Wenn da nur nicht sein Konkurrent Alf Leefmann wäre, der versucht, ihm auf der Insel das Wasser abzugraben. Die Feindschaft zwischen den beiden Männern, der eine enge Freundschaft vorausgegangen ist, bestimmt Johnnys Leben wie fast kein anderes Thema. Bisher war er für die beliebte Veranstaltung 'Sylter Sommernachtsträume' verantwortlich, doch die Ausschreibung für das nächste Jahr ist Alf praktisch auf den Leib geschnitten, und Johnny sieht seine Felle davonschwimmen. Mit diesem Einstieg beginnt Countdown in Westerland, der neueste Krimi der Autorin Ulrike Busch.

Ein Anschlag zerstört den Inselfrieden

 

Johnny pflegt einen verschrobenen Tick: Er hat sich vor Jahren seine verbleibende Lebenszeit auf die Sekunde genau voraussagen lassen. Seitdem zeigen ihm eine Wanduhr im Firmenbüro und eine App auf seinem Smartphone an, wann für ihn die letzte Stunde schlägt. Als er eines Morgens wie immer als Erster seine Firma betritt, blickt er auf die Uhr und stutzt: Sie steht auf null. Im selben Moment wird durch das Fenster auf ihn geschossen. Doch die Kugel verfehlt ihr Ziel und trifft nur einen alten Pokal. Für Johnny gibt es keinen Zweifel: Da hatte Alf seine Finger im Spiel. Die erfahrenen Kriminalbeamten Kuno Knudsen und Arno Zander übernehmen die Ermittlungen und stoßen bald auf etliche Ungereimtheiten. Hat der Schütze absichtlich danebengeschossen oder den Unternehmer versehentlich verfehlt? Überraschenderweise ist Quadt nur begrenzt zur Zusammenarbeit bereit. Alle Überlegungen, die sich jenseits von Alf Leefmann bewegen, werden von ihm zurückgewiesen. Sein verschrobenes Wesen lässt ihn auch nicht zum Sympathieträger werden: Sein Haus ist komplett vernetzt und wird mithilfe von 'Amanda' auf Zuruf ferngesteuert, und im Firmenbüro sorgt eine heimlich installierte Spionagesoftware dafür, dass ihm nichts entgeht - auch nicht das, was seine Lebensgefährtin Eta Smid, die in praktisch allem das Gegenteil von ihm ist, tut.
Die Situation spitzt sich weiter zu, als Johnny auf seinem Grundstück von einer mit einem Messer bestückten Drohne angegriffen wird. Doch die Entwicklung nimmt ihren Höhepunkt, als tatsächlich ein Mensch erschossen wird, den man als Leser nicht als gefährdet eingeschätzt hat.

Wie war's?

 

Ulrike Busch bietet ihren Lesern mit Countdown in Westerland wieder einen Krimi, bei dem alles "rund" ist: Wer hinter den Anschlägen steckt, offenbart sich erst fast zum Schluss. Grundsätzlich kommen eine ganze Reihe von Personen aus Johnnys Umfeld in Betracht: seine Tochter Isa, deren Freund Alex, zwei von Johnnys Mitarbeitern und nicht zu vergessen Alf Leefmann. Für alle, die bereits die vorigen Bände der Reihe 'Kripo Wattenmeer' kennen: Kunos Bruder Okko und der praktisch allgegenwärtige Inselreporter Friedrich Fliegenfischer sind auch wieder mit dabei.

Countdown in Westerland kostet als Taschenbuch (BoD) 10,99 Euro und als ePUB- oder Kindle-Edition 3,99 Euro. 

Sonntag, 2. September 2018

Die Longlist des Deutschen Buchpreises 2018 - diese Titel sind im Rennen

Vor einem Jahr hatte ich die Longlist für den Deutschen Buchpreis 2017 vorgestellt, nun liegt der Reader mit der Longlist 2018 in den Buchhandlungen aus. 105 Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben 165 Bücher eingereicht, aus denen zwanzig Titel in die engere Wahl gekommen sind. Der Reader beinhaltet eine kurze Vorstellung der Autoren einschließlich eines Fotos sowie einen fünfseitigen Textausschnitt der nominierten Titel. Die Jury hat die Werke von dreizehn Autorinnen und sieben Autoren nominiert, die ihre Wurzeln nicht nur in D/A/CH, sondern auch in Osteuropa und in einem Fall in Argentinien haben.

Meine Favoriten

Immerhin zwölf der 20 Leseproben haben mir gut gefallen.Die Kurzbeschreibung zu jedem Buch bezieht sich nur auf das, was die Textausschnitte beinhalten.  Ich fange einfach mal an:

  • María Cecilia Barbetta: Nachtleuchten. Das Buch spielt in Buenos Aires, der Geburtsstadt der Autorin. In diesem Abschnitt erfährt die elfjährige Teresa, dass ihre Mutter ein Kind erwartet. Auf die Frage des Vaters, ob sie sich freue, sagt sie pflichtschuldig "Ja", ahnt aber, dass es für sie nicht mehr die ungeteilte Liebe der Eltern geben würde. Schlimmer noch ist für Teresa aber die Vorstellung, wie es zu der Schwangerschaft gekommen ist: Die Harmlosigkeit, die in der Mitteilung über den Nachwuchs enthalten ist, lenkt aus ihrer Sicht nur von der Anzüglichkeit, die dahinter steht, ab. Der Roman ist im August 2018 im S. Fischer Verlag erschienen. 
  • Maxim Biller: Sechs Koffer. Mai 1965, Prag: Der erzählende fünfjährige Junge blickt in der kurzen Szene auf seinen Vater, einen Übersetzer. Das Kind schildert einen Konflikt, der seit einer Weile durch die gesamte Familie zu geistern scheint. Onkel Dima, einer der Brüder des Vaters, sitzt im Gefängnis, und für den kleinen Jungen ist klar: Dort sitzen nur Leute, die jemanden umgebracht haben. Der Junge tippt darauf, dass der Großvater das Opfer war. Bei den anderen Brüdern des Vaters ist er sich sicher, dass sie Menschen umgebracht haben, schließlich waren sie in der Roten Armee. Doch schon der nächste - und letzte - Absatz dieses Textauszugs lässt vermuten, dass Onkel Dima kein Menschenleben auf dem Gewissen hat, sondern durch seine ungeschickte Vorbereitung seiner Flucht nach Westberlin aufgeflogen und verhaftet worden ist. Erscheint bei Kiepenheuer & Witsch.
  • Susanne Fritz: Wie kommt der Krieg ins Kind.
    Die Autorin hat sich mit der eigenen Familiengeschichte beschäftigt. Im Textausschnitt nimmt sie zum polnischen Staatsarchiv Kontakt auf, um Einblick in die Akten über ihre Mutter zu erhalten, die 1945 als Vierzehnjährige von der sowjetischen Geheimpolizei GPU verhaftet wurde und mit 15 im Straflager Potulice inhaftiert war. Sie begibt sich auf die Suche nach dem gefangenen Kind, das ihre Mutter damals gewesen ist. Fritz ist erschüttert, als sie die Akte aufschlägt und ihr Blick auf den Fingerabdruck ihrer Mutter fällt. Doch die Unterlagen enthalten auch Angaben zu ihren Großeltern, die bereits vor ihrer Geburt verstorben sind. Die Trauer der Mutter um die eigenen Eltern war immer so präsent, dass Susanne Fritz während ihrer Kindheit immer das Gefühl hatte, dass die Großeltern geisterhaft mit am Tisch sitzen. Das, was sie in den alten Akten findet, ist wie ein Ruf aus der Vergangenheit, der eine Brücke in die Gegenwart schlägt. Das Buch ist im März 2018 im Wallstein Verlag erschienen.
  • Arno Geiger: Unter der Drachenwand. Arno Geiger hat bei mir quasi Vorschusslorbeeren, seitdem ich sein Buch Es geht uns gut gelesen habe, mit dem er 2005 den damals erstmals verliehenen Deutschen Buchpreis gewann. Ein verwundeter Wehrmachtssoldat will sich 1944 am Mondsee am Fuße der Drachenwand erholen. Er kommt im Ort Mondsee an und erhält eine ungemütliche Unterkunft bei einer sehr unfreundlichen Quartiersfrau. Geiger schafft es bereits in diesem kurzen Textauszug, eine sehr dichte Atmosphäre zu erzeugen, die den Leser das Dorf mit den Augen des Soldaten sehen lässt. Erschienen im Carl Hanser Verlag.
  • Nino Haratischwili: Die Katze und der General. In diesem Buch geht es um die Kriege in Tschetschenien und Georgien. Im Mittelpunkt
    steht ein junger Mann aus Moskau, dessen Vater in Afghanistan gekämpft und dafür als Held verehrt wurde - auch von seinem Sohn. Doch der Vater ist tot, und die Mutter hat ihr Leben als Witwe damit verbracht, ihren Mann zu heroisieren. Der Sohn kann dem nichts mehr abgewinnen. Erschienen bei der Frankfurter Verlagsanstalt.
  • Franziska Hauser: Die Gewitterschwimmerin. 2011: Die Mutter der Erzählerin ist mit 79 Jahren plötzlich verstorben. Beim Kaffeetrinken nach der Beerdigung singen die älteren Trauergäste
    Lobeshymnen auf die Verstorbene und ihren Mann, der schon länger nicht mehr am Leben ist. Doch die Töchter wollen das nicht so stehen lassen. Sie deuten an, dass sich der Vater an ihnen sexuell vergriffen hat, woraufhin sie von den Gästen als Nestbeschmutzer bezeichnet werden. Erschienen im Eichborn Verlag.
  • Anja Kampmann: Wie hoch die Wasser
    steigen
    . Die Autorin schreibt über das harte Leben auf einer Bohrinsel im Atlantik. Schon der kurze Abschnitt überzeugt durch die authentische Atmosphäre.






  • Gert Loschütz: Ein schönes Paar. Ein Paar flüchtet 1957 mit seinem Kind  aus der DDR und trennt sich nicht lange danach. In der ausgewählten Szene erhält der Vater vor der Flucht einen auffällig adressierten Brief vom Bundesministerium der Verteidigung, in dem es um seine Bewerbung um eine Stelle dort geht. Das Paar fragt sich, warum der Brief nicht von der Stasi abgefangen wurde. Will man ihnen eine Falle stellen? Erschienen im Verlag Schöffling & Co.
  • Susanne Röckel: Der Vogelgott. Die Menschen
    einer abgelegenen Berggegend fühlen sich von einem Aas fressenden Riesengeier bedroht. Im Textausschnitt sucht die Erzählerin als Fremde in einem Dorf dieser Region eine Unterkunft, weil die Lok ihres Zuges ausgefallen ist. Der Ort wirkt rückständig, aber was am meisten auffällt, sind die allgegenwärtigen Vögel. Erschienen im Jung und Jung Verlag.
  • Matthias Senkel: Dunkle Zahlen. In Moskau
    findet 1985 eine Programmier-Spartakiade statt. Hier ist die kubanische Dolmetscherin gerade dabei, sich auf die Suche nach ihrer Mannschaft zu machen. Wen sie auch fragt, sie erntet nur Ratlosigkeit. Auch das Verhalten der Organisatoren ist merkwürdig. Erschienen im Verlag Matthes & Seitz.

  • Stephan Thome: Gott der Barbaren. Die
    Handlung des gezeigten Abschnitts setzt im Mai 1885 an Bord der HMS Nimrod im Golf von Zhili (ca. 280 km östlich von Peking) ein. Die Szene beschreibt den Angriff von britischen und französischen Kriegschiffen auf ein chinesisches Fort. Das Geschehen wird aus der Sicht des britischen Befehlshabers, des 8th Earl of Elgin, erzählt, der hier wie ein vom Schicksal Getriebener wirkt. Erschienen im Suhrkamp Verlag.
  • Christina Viragh: Eine dieser Nächte. Das Buch spielt während eines Flugs von Bangkok nach
    Zürich. Der eher unsympathisch wirkende und Whisky trinkende Amerikaner Bill erzählt Geschichten, die ihm die Aufmerksamkeit der Mitreisenden einbringen. In der im Reader abgedruckten Szene drängt er sich mit seinem Mitteilungsbedürfnis seiner Sitznachbarin Emma auf. Noch hat sie kein Mittel gefunden, ihn zum Schweigen zu bringen. Erschienen im Dörlemann Verlag.

    Womit ich nichts anfangen konnte

     

    Seit der unseligen Plagiatsgeschichte um ihr Buch Axolotl Roadkill kann ich mit Helene Hegemann nichts mehr anfangen, zumal sie das auch nie bedauert, sondern ihr Verhalten als normal und völlig in Ordnung eingeschätzt hat. Ihr nominiertes Buch Bungalow hat es nun auch nicht in meine persönliche Top-Liste geschafft. Ich habe mir den Textauszug natürlich ebenfalls angesehen, aber es ist wohl keine Überraschung, dass er mir nicht gefallen hat. Mich hat schon auf diesen wenigen Seiten gestört, dass der Protagonistin in ihrem Alltag ständig seltsame Dinge passieren, die sie emotionslos wahrnimmt und erzählt. Eine ziemlich verkopfte Schreibe, die mich nicht anspricht.

    So geht's weiter

     

    Am 11. September wird sich zeigen, wer es eine Runde weiter geschafft hat: Die Shortlist wird veröffentlicht.
    Am 8. Oktober wird der Deutsche Buchpreis auf der Frankfurter Buchmesse verliehen. Ich habe einen Favoriten, behalte ihn diesmal aber für mich.