Es fällt fast gar nicht auf, dass ich ein Fan von
Mallorca bin. In meiner Bücherkiste habe ich bislang fünf Titel vorgestellt, die mit der Baleareninsel in Verbindung stehen (siehe unten). Klar, dass ich Das Teufelshorn von Anna Nicholas lesen musste. Nicholas ist Britin, lebt aber schon viele Jahre auf Mallorca.
Doch dann passiert am Montag, dem 20. August um 14 Uhr etwas Schreckliches: Die achtjährige Britin Miranda Walters verschwindet unbemerkt am Strand von Pollença, als ihre Mutter einen kurzen Moment abgelenkt ist. Es gibt keine Anhaltspunkte, ob es sich um einen Unfall oder ein Verbrechen handeln könnte. Aber die Lokalpolitik ist sich einig: Der Fall muss so rasch wie möglich aufgeklärt werden, um schlechte Presse zu vermeiden. Isabels Ex-Chef in Palma, Hauptkommissar Tolo Calbot, bittet seine frühere Kollegin noch am selben Tag um ihre Hilfe.
Die Suche nach dem Kind sollte alle Alarmglocken schrillen lassen, aber wie so oft zieht ein Verbrechen ein weiteres nach sich. Mindestens. So ist es auch diesmal: Ein alter Mann, der gemeinsam mit seiner Haushälterin in seiner Finca lebt, wird grausam ermordet aufgefunden. Die ebenfalls betagte Angestellte wurde von den Tätern an einen Stuhl gefesselt. Beide stammen ursprünglich aus Kolumbien. Der Senior ist dem örtlichen Pater wegen seiner Frömmigkeit bekannt, auch die Haushälterin ist eine eifrige Kirchgängerin. Ansonsten lebten die beiden alten Leute sozial isoliert. Wer hatte einen Grund, diesen Mord zu verüben? Auch für diesen Fall wird Isabel von der Polizei um Unterstützung gebeten.
Und dann ist da noch das mysteriöse Kokain in einer Meereshöhle, das vermutlich von Drogenschmugglern dort versteckt wurde.
Als ob das nicht reichen würde, kommt noch eine dem Okkultismus anhängende Bruderschaft hinzu, die vor langer Zeit vom Drogenbaron Pablo Escobar gegründet wurde. Hier kommt der Buchtitel ins Spiel: Das Geheimzeichen dieser Bruderschaft ist ein Teufelshorn gewesen.
Lesen?
Das Teufelshorn ist genau das Richtige für einen entspannten Sommertag auf Mallorca oder anderswo. Der Roman ist leichte Lektüre, die man genießen kann, wenn man die Dinge nicht so eng sieht. Ich finde allerdings, dass der Respekt vor den Leserinnen und Lesern beinhaltet, ihnen keine falschen Informationen anzubieten. Einige Beispiele, über die ich in diesem Buch gestolpert bin:
Wer Mallorca kennt, weiß, dass Pollença keinen Strand hat, sondern man nach Port de Pollença fahren muss, um das Meer zu genießen.
Nicholas beschreibt das Innere einer Höhle im Westen Mallorcas, in der Jahre zuvor die Knochen von Tausenden von Höhlenziegen gefunden worden waren. In diesem Zusammenhang spricht sie von einem "Elfenbeinberg", der ein Geschenk für Paläontologen war. Als Elfenbein werden die Stoßzähne von Elefanten oder Mammuts, manchmal auch die Eck- oder Stoßzähne einiger Säugetiere wie zum Beispiel Pott- oder Narwale bezeichnet. Kein Teil einer Ziege ist als Elfenbein bekannt.
Die toxikologische Untersuchung des ermordeten alten Mannes ergibt, dass er mit einer Substanz vergiftet wurde, "die als Burundanga bekannt ist. Das Pulver wird aus einem Nachtschattengewächs hergestellt, das in Kolumbien verbreitet ist. Wohlgemerkt, es wächst auch hier auf Mallorca." Doch diese Nachricht des Rechtsmediziners überrascht Isabel nicht: "Ich kenne Burundanga. [...] Enthält Scopolamin." Das geht knapp an den Tatsachen vorbei: Burundanga ist die in kriminellen Kreisen verwendete Bezeichnung für Scopolamin. Scopolamin ist Burundanga und nicht ein Teil davon. Für seine Herstellung kommen viele Nachtschattengewächse infrage und nicht nur eines. Einige davon (z. B. Engelstrompete, Stechapfel, Bilsenkraut) gibt es auf Mallorca, aber auch in den meisten anderen Teilen der Erde.
Diese und weitere Ungenauigkeiten können als dramaturgische Kniffe bewertet werden, haben mich allerdings gestört.
Irritierend ist auch Isabels Cleverness als Alleinstellungsmerkmal unter allen mit den Fällen befassten Personen. Sie lässt ihre früheren Kontakte spielen (hat ihr Ex-Chef keine?), hat immer den richtigen Riecher und ist einfach unverzichtbar. Man will nicht wissen, wie die mallorquinischen Polizeibehörden zurechtkommen, wenn sich Isabel eines Tages entschließt, sich nur noch um die Agentur zu kümmern.
Die Handlung ist abseits des kriminellen Anteils in eine Atmosphäre voller Harmonie und Zuneigung eingebettet. Außer von den Bösen fällt keine hässliche Bemerkung, niemand ist ungeduldig. Die Beschreibung von Mallorcas Schönheit vervollständigt die Idylle. Zum Schluss warten noch ein Liebes-Cliffhanger und die Auflösung des Rätsels um das Verschwinden von Isabels Onkel auf die Leserinnen und Leser des zweiten Bands.
Das Teufelshorn ist 2025 im Diogenes Verlag erschienen und kostet 18 Euro sowie als E-Book 14,99 Euro.
Nachtrag
Wie oben angekündigt zeige ich euch, welche Bücher über Mallorca sich außerdem in meiner Bücherkiste tummeln:
- ein toller Fotoband über Mallorca vor dem Beginn des Massentourismus'
- eine lyrische Liebeserklärung an die schönste Insel der Welt
- die erste Touristin auf Mallorca: George Sand und ihr 'Winter auf Mallorca'
- eine Jugend auf Mallorca während der Franco-Diktatur
- unterhaltsame Familienkomödie in und um Sollér