Gewissheiten, die sich Stück für Stück auflösen,
und Menschen, die unverhofft in das eigene Leben treten: Davon handelt der neueste Roman Kieloben von Karin Nohr.
Ein bisschen passt dieses Buch zu meiner gerade mit Holocaust in Norwegen beendeten Norwegen-Reihe. Die Autorin Nohr ist zwar keine Norwegerin, hat aber zentrale Bestandteile ihres neuesten Werks in das Land verlegt.
Die im Mittelpunkt stehende deutsche Familie Niemann eignet sich nicht als Sinnbild für ein harmonisches Miteinander. Die Ehe zwischen den Eltern Irmela und dem schon verstorbenen Richard war kühl und distanziert, die Erziehung ihrer drei Kinder Matthias, Markus und Inga, die heute selbst erwachsene Kinder haben, war ebenfalls nicht durch Herzlichkeit geprägt.
Als die frisch verwitwete Inga allein auf einer norwegischen Schäreninsel Urlaub macht, bleibt sie mit ihren Brüdern per E-Mail in Kontakt. Jeder der Drei erzählt nach und nach, welche Erinnerungen er an die Eltern hat. Das Thema entpuppt sich als Minenfeld: War der Vater wirklich nach dem Krieg in der Psychiatrie gewesen? Warum hieß sein Segelboot 'Inga'? Sollte die Mutter wirklich eine Beziehung mit dem Pfarrer gehabt haben? Und warum hatte Inga überhaupt diesen Namen bekommen, obwohl ihre Brüder, einschließlich des früh gestorbenen Lukas, biblische Namen hatten?
Fragen, die Matthias dazu bewegen, Nachforschungen zu betreiben. Das, was er im Bundesarchiv herausfindet und ein Brief, den er aus Norwegen erhalten hat, erschüttert die Geschwister. Lange nach dem Tod des Vaters hebt sich ein Schleier, der über dessen Vergangenheit gelegen hat. Ein gutgehütetes Geheimnis, das ihnen den Weg nach Tromsø weist, den zunächst nur Inga gehen will.
Wie war's?
In Kieloben schildert Karin Nohr eine Familiengeschichte, die vom Deutschland während des 2. Weltkriegs bis in die deutsch-norwegische Gegenwart reicht. Sie berührt existenzielle Lebensfragen und lotet auch aus, wie weit der Mensch zur Vergebung und Versöhnung bereit ist und wie unterschiedlich der Blick in die Vergangenheit sein kann.
Karin Nohr ist studierte Literaturwissenschaftlerin und Psychologin und hat sich in klassischem Gesang fortgebildet. Sie hat mehrere Jahre als niedergelassene Psychoanalytikerin gearbeitet, ehe sie sich ganz dem Schreiben zuwandte. Dieser persönliche Hintergrund hat auf die Handlung einen prägenden und positiven Einfluss. Klare Leseempfehlung.
Kieloben ist im Juli 2019 im Größenwahn Verlag erschienen und kostet als Hardcover-Ausgabe 19,90 Euro sowie als E-Book 17,99 Euro.
Ich bin nicht zum ersten Mal auf der Frankfurter Buchmesse, aber dennoch ein ganzes Stück davon entfernt, von einem professionellen Habitus umgeben zu sein und mich gewissermaßen zuhause zu fühlen.
Aus Gesprächen weiß ich, dass etliche andere Buchblogger den Besuch auf der "fbm" deutlich strukturierter angehen. Viele haben sich einen Plan gemacht, welche Stände und Veranstaltungen sie besuchen und welche Autoren sie interviewen wollen.
Es ist jetzt nicht so, dass ich mich gar nicht vorbereitet hätte. Immerhin habe ich mir die App heruntergeladen und schon mal gestöbert, was denn so angeboten wird und mich interessieren könnte. Eine Menge. Bei Licht betrachtet viel zu viel. Würde ich alles besuchen, was mir gefällt, würden die Tage auf dem Messegelände in Stress ausarten. Und mal ehrlich: Wer will das schon?
Heute, nachdem am Ende des Messetages die Jacken aus der Garderobe abgeholt waren und wir darauf warteten, dass die zur S-Bahn strömenden Menschenmassen ein wenig abebben würden, habe ich noch mal nachgesehen, welche Veranstaltungen ich mir in der App schon zu Hause markiert und welche ich tatsächlich besucht habe. Das Fazit lässt mich an meiner Planungsfähigkeit zweifeln: Ich war bei keinem vorgemerkten Termin, dafür aber bei zweien, die ich vorher gar nicht auf dem Schirm hatte. An dieser Stelle geht mein Dank an Mirella P., die den Hinweis zu einer der beiden Veranstaltungen gegeben hat und die ich endlich "live und in Farbe" kennenlernen durfte.
Zum Schluss komme ich zu den Beweisfotos, damit ihr mir auch glaubt, dass ich tatsächlich vor Ort gewesen bin. Zu jedem werde ich nur eine kurze Erklärung geben oder auch ganz auf eine Erläuterung verzichten.
Der Preis für das Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhändler ging an:
Sehr interessant war der Diogenes-Talk mit diesen Autoren:
Simone Lappert, die ihr neuestes Buch Der Sprung vorstellte, konnte hier besonders beeindrucken: Sie trug den Beginn ihres Romans frei und so emotional vor, dass ich sofort den Wunsch hatte, ihn zu kaufen. Mehr geht nicht, oder?
Mirella führte uns zu einem Stand, den sie am Vortag entdeckt hatte: Hier gibt es eine große Auswahl an handgefertigten Buchstützen, die bekannte Schriftstellerinnen und Schriftsteller zeigen. Sehr sehens- und kaufenswert:
Abends war dieses das letzte Getränk in einem Darmstädter Lokal in der Nähe des Hauptbahnhofs:
Mein erster sauer Gespritzter seit 27 Jahren. Fazit: In der Erinnerung wird manches verklärt.
Zur Barrierefreiheit - oder ihrer Abwesenheit - wird es einen separaten Artikel geben, den ihr in meinem "Gruselblog" nachlesen könnt. Bald. Demnächst.