Die serbische Schriftstellerin Milica Vučković hat bereits
einige literarische Auszeichnungen erhalten. Nun ist erstmals eines ihrer Bücher auf Deutsch erschienen: In ihrem Roman Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen geht es zwar nicht um Sport, aber um andere physische und psychische Verletzungen.
Eva ist knapp über dreißig und lebt nach einer gescheiterten Ehe mit ihrem zweijährigen Sohn bei ihren Eltern in einem Belgrader Vorort. Ihre Eltern sind ihr eine große Hilfe, weil sie sich um ihren Enkel kümmern, damit ihre Tochter arbeiten gehen kann. Doch Eva geht nur wegen des Geldes ins Büro, ansonsten ist sie sowohl von ihrer Tätigkeit als auch von den Kolleginnen und Kollegen angeödet. Ihr Leben läuft aus ihrer Sicht in einer Endlosschleife ab.
Bei einer Firmenfeier lernt Eva den gutaussehenden Viktor kennen. Er stellt sich ihr als Journalist und Schriftsteller vor, die beiden werden ein Paar. Dann folgt etwas, von dem man schon viele Male unter dem Stichwort "toxische Beziehung" gehört hat: Viktor umgarnt Eva mit Komplimenten und Liebesbeteuerungen, um kurz darauf wegen einer Nichtigkeit die Nerven zu verlieren, seine Freundin zu beschimpfen und irgendwann auch zu schlagen. Es folgen Entschuldigungen, Besserungsgelübde und neue Liebesschwüre, bis alles wieder von vorn beginnt. Es gelingt Viktor, Eva mit der Aussicht auf eine rosige gemeinsame Zukunft von Belgrad nach Stuttgart zu locken. Eva ist nun auf Viktor angewiesen, der mit Gemeinheiten, Lügen und Intrigen erreicht, dass seine Freundin in ihrer neuen Heimat keine stabilen sozialen Kontakte aufbauen kann.
Die Geschichte wird als Ich-Erzählung von Eva geschildert, was sie sehr eindringlich und nahbar macht. Was paradox erscheint, in Beziehungen nach diesem Muster jedoch typisch ist: Eva registriert, dass Viktor ein Soziopath und Choleriker ist, der dabei ist, sie zu brechen. Doch wenn es zwischen den beiden zum Streit kommt, ist sie zu oft bereit, die Schuld dafür bei sich zu suchen, um die Wogen zu glätten. Sie beginnt bald, körperlich zu spüren, wenn sich ein neuer Konflikt anbahnt: "[...], im Kopf hörte ich wieder dieses Geräusch, immer nur dieses eine Geräusch, ich stellte mir vor, dass man so ein Geräusch unter solchen Hochspannungstransformatoren, Signalverstärkern hörte, obwohl ich nie unter einem Signalverstärker gestanden hatte, aber das war bestimmt dieses Geräusch." Auch Evas kleiner Sohn leidet unter der katastrophalen Situation: Er wird immer stiller und beginnt, sich wieder einzunässen. Das Kind wird je nach Situation zu Evas Eltern, zur Nachbarin oder zu serbischen Freunden von Evas Vater, die in Stuttgart in ihrer Nähe leben, gebracht, bis sich das Verhältnis zwischen seiner Mutter und Viktor wieder eingerenkt hat.
Eva wird erst spät klar, dass viele Menschen um sie herum längst wahrgenommen haben, was da zwischen ihr und Viktor passiert; eher, als sie es sich selbst eingestanden hatte. Dann kommt der Moment, an dem sie sich einredet, dass ein gemeinsames Kind die Beziehung zum Guten wenden könnte. Als ihre Periode aussetzt, hofft sie auf weitere Anzeichen für eine Schwangerschaft. Das ist einer von vielen Momenten, an denen man Eva am liebsten schütteln und ihr sagen will: "Lauf weg von diesem Mann, so weit und so schnell du kannst." Der Roman endet so, wie es in Beziehungen, die nach diesem Muster verlaufen, häufig vorkommt.
Lesen?
Trotz des bedrückenden Themas schlägt das Buch beim Lesen nicht auf die eigene Stimmung. Das liegt vor allem am schwarzen Humor, den Milica Vučković wohldosiert einstreut. Eva nutzt beispielsweise ihr Handy als ein Ventil. Wenn wieder mal eine Situation eskaliert ist, gibt sie manchmal in die Suchleiste des Browsers dazu passende Anfragen ein: Viktor packt wieder seine Sachen in eine Reisetasche, um Eva auf seine übliche theatralische Art zu verlassen. Eva hingegen ist genervt vom Geräusch der Reißverschlüsse und gibt in das Suchfeld "Tod wegen Reißverschluss" ein. Das Ergebnis ist allerdings nicht das, was sie erwartet hatte.
Milica Vučković bedankt sich zum Schluss bei einer Freundin, die ihr ihre eigene Geschichte über eine toxische Beziehung mit einem Mann erzählt hat. Da kommt es dann wieder zurück, das Gefühl der Bedrückung.
Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen ist 2025 im Paul Zsolnay Verlag erschienen und kostet gebunden 23 Euro sowie als E-Book 16,99 Euro.