Donnerstag, 4. September 2025

# 487 - Elefanten in Berlin lösen eine Regierungskrise aus

Gaea Schoeters greift in ihrem neuesten Roman Das
Geschenk
 eine politische Begebenheit aus den Jahren 2023 und 2024 auf: Mehrere europäische Staaten, darunter auch Deutschland, sprachen sich dafür aus, das EU-Recht hinsichtlich des Imports von Jagdtrophäen zu verschärfen. Die Einfuhr von beispielsweise Elfenbein sollte nach Ansicht des Bundesumweltministeriums „insgesamt reduziert und im Einzelfall ganz verboten“ werden. 
Botswanas Präsident 
Mokgweetsi Masisi war darüber verärgert, er und andere afrikanische Staatschefs werteten diesen Vorschlag als neokoloniale Einmischung. Im Scherz drohte Masisi, 20.000 Elefanten nach Deutschland zu schicken.

Schoeters hat den Faden weitergesponnen und in ihrem Buch tatsächlich den botswanischen Präsidenten Elefanten nach Berlin schicken lassen. Eines Tages werden einige von ihnen im Morgennebel am Spreeufer gesehen, nach und nach tauchen im ganzen Stadtgebiet immer mehr auf. Zum Schluss werden 20.000 Tiere gezählt. Sie trampeln nieder, was ihnen vor ihre Füße kommt, brauchen riesige Mengen Futter und hinterlassen wahre Kotberge. Außer, dass die riesigen Kotfladen stinken, haben sie noch eine andere Wirkung: In ihnen sind unverdaute Samen aus der afrikanischen Heimat der Elefanten, die die Pflanzenwelt der Hauptstadt verändern. Das bezieht auch hohe Gebäude ein, die schon nach bis dahin elf vergangenen Wochen in einen grünen Mantel eingewoben sind. Geht das wirklich so schnell? Die Antwort: nein.

Die Elefanten-Armada hat aber nicht nur eine ökologische Dimension, sondern wirft auch finanziell, sicherheitstechnisch und politisch reichlich Probleme auf. Bundeskanzler Hans Christian Winkler wird von der Gesamtsituation kalt erwischt. Er muss diese Krise unbedingt bewältigen, denn die nächsten Wahlen stehen an und er will sein Amt gegen den Rechtsaußen-Politiker Holger Fuchs verteidigen. Während ein Krisenstab eingerichtet wird und man Zuständigkeiten hin und her schiebt, verschärft sich die Situation.

Die Elefanten werden von der Bevölkerung zu Beginn ihres Auftauchens als Ereignis angesehen, aber hundert Tage später lehnen sich ganze Berufsgruppen von den Landwirten bis zu den Müllwerkern gegen ihre Anwesenheit auf. Der Kanzler steht als Versager da, sein Kontrahent Fuchs gewinnt in Wählerumfragen an Boden. Der Satz "Wir schaffen das!", fällt auch hier, damit auch die und der Letzte die Parallelen sieht. Wer kann da helfen? Winkler wendet sich an Ex-Kanzlerin Erika Fuchs, die einen Rat parat hat.

Doch kaum, dass sich eine Lösung anbahnt, ergeben sich neue Probleme: Wie kann verhindert werden, dass sich die Elefantenpopulation vergrößert?

Das Ende des Romans erinnert stark an Vorschläge, was mit illegal eingereisten Menschen, die nicht in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden können, passieren sollte. 

Lesen?

Vor etwa einem Jahr habe ich hier Trophäe vorgestellt, das erste Buch von Gaea Schoeters, das auf Deutsch übersetzt wurde. Nicht nur ich war von diesem Roman begeistert, der inhaltlich und sprachlich überzeugte. Inhaltlich knüpft Das Geschenk daran an, wenn auch weniger überzeugend.

Die amüsante Grundidee, dass sich ein afrikanischer Regierungschef mit dem Verschicken von Wildtieren für eine politische Entscheidung rächen könnte, wird schon ab dem Zeitpunkt unglaubwürdig, in dem völlig unklar ist, wie die Tiere nach Berlin gekommen sind. Doch offensichtlich geht es Schoeters nicht um Elefanten und Artenschutz. Im Verlauf der Handlung wird immer klarer, dass die Elefanten metaphorisch für illegal eingereiste Flüchtlinge stehen, die nun insbesondere von Holger Fuchs für politische Propaganda herhalten müssen: "Und so muss der durchschnittliche, hart arbeitende Deutsche für den Schaden geradestehen, für den invasive afrikanische Arten als Folge irgendeines woken Gesetzes verantwortlich sind." Die Situation ist "der perfekte Nährboden für eine Partei, die nur Phrasen drischt und von der Unzufriedenheit der Bürger lebt. Dass ihre Lösung [...] nicht umsetzbar ist, ist egal; sie können das einfach rausposaunen, ohne es je umsetzen zu müssen."

Die Handlung des Romans erstreckt sich über 435 Tage, wobei Schoeters in großen Zeitsprüngen erzählt. Auf weniger als 150 Seiten reißt sie Themen wie Natur- und Artenschutz, Landwirtschaft, Integration, Klimakrise, Postkolonialismus, die Fallstricke des Politikbetriebs, Wirtschaft, ... - habe ich etwas vergessen? - an, vertieft jedoch nichts davon. Am Ende des Buches bleibt die Frage: Wollte Gaea Schoeters ihre Leserinnen und Leser amüsant unterhalten oder sie zum Nachdenken bringen? 
Von den Geschlechterklischees habe ich da noch gar nicht angefangen. 

Das Geschenk ist 2025 im Zsolnay Verlag erschienen (Übersetzung: Lisa Mensing) und kostet als gebundenes Buch 22 Euro sowie als E-Book 16,99 Euro.