Freitag, 11. Oktober 2019

# 215 - Holocaust in Norwegen

Dies ist das sechste und letzte Buch, das ich im Rahmen meiner Norwegen-Reihe vorstelle. Ich behaupte, es ist das wichtigste.

Holocaust in Norwegen - Registrierung,
Deportation und Vernichtung des norwegischen Historikers Bjarte Bruland ist 2017 in der Original- und 2019 in der deutschen Ausgabe erschienen. Das Buch gilt als die erste wissenschaftliche Monographie zu diesem Thema. Nicht, dass es bis zum Erscheinen dieses Titels keine entsprechenden Publikationen gegeben hätte, die sich mit der Judenverfolgung in Norwegen beschäftigt hätten; die Geschichtsforschung war allerdings nur unvollständig, weil der Fokus allein auf den Tätern - insbesondere den Polizeibehörden - gelegen hat. 

Bruland hat in seiner Einleitung deutlich gemacht, dass er vor allem dokumentieren möchte, wie die deutschen Sicherheitsbehörden mit der norwegischen Staatspolizei zusammenarbeiteten, nach welchen Richtlinien vorgegangen wurde und wie die informelle Kooperation funktionierte. Der Umstand, dass die Gestapo ihre Unterlagen vernichtete, bevor sich die deutschen Streitkräfte in Norwegen ergaben, hat seine Recherchen erschwert. Auch die Mitverantwortung der Nationalversammlung sowie der norwegischen Bürokratie wird hier hinterfragt.

Bruland stieß auf ein System des Verschleierns und des Abschiebens von Verantwortung. Er fand nicht nur heraus, dass das in Norwegen praktizierte Vorgehen, eine "Endlösung" hinsichtlich der Vernichtung der Juden herbeizuführen, sich von dem in den anderen europäischen Staaten unterschied. Der Autor richtet seinen Blick auch auf das Verhalten der Kirchen und anderer Institutionen. Ein Beispiel: Nachdem 1942 alle Bischöfe und die meisten Pastoren aus ihren staatlichen Kirchenstellen ausgeschieden waren, waren sie dennoch weiterhin als kirchliche Amtsträger tätig. Norwegens Kirche arbeitete also als autonome Institution unter einer provisorischen Kirchenleitung. Diese und weitere kirchliche Kreise riefen im sogenannten Hebräerbrief dazu auf, die Verfolgung der Juden, "ohne dass sie wegen des Verstoßes gegen die Gesetze des Landes angeklagt waren", zu beenden. Der sehr emotionale Protestbrief war von fast allen christlichen Kreisen in Norwegen unterzeichnet worden - außer der katholischen Kirche.

Bruland beschreibt sehr detailliert, was sich seit dem Beginn des Holocausts in Norwegen 1942 abgespielt hat. Er zeichnet die schleichende Enteignung und die Registrierung der norwegischen Juden ebenso nach wie ihre Deportation in die Konzentrationslager und das Wirken der Helfer, die etliche Juden vor dem sicheren Tod retteten.

Lesen?

 

Bruland hat ein jahrelanges Quellenstudium betrieben. Er ist der Enkel eines seinerzeit vom norwegischen Holocaust betroffenen Juden und hat sich nicht nur in seiner Diplomarbeit und mehreren Büchern, sondern auch als früherer Chefkurator des Jüdischen Museums in Oslo sowie als Leiter des Jüdischen Museums in Trondheim viele Jahre mit der Judenverfolgung in Norwegen beschäftigt. 

Holocaust in Norwegen - Registrierung, Deportation und Vernichtung wird von Fachleuten als Meilenstein der Forschung angesehen. Es ist allen, die sich für dieses Thema interessieren, unbedingt zu empfehlen.


Holocaust in Norwegen - Registrierung, Deportation und Vernichtung ist im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erschienen und kostet als gebundene Ausgabe 60 Euro.

Ich bedanke mich beim Verlag, der mir ein Exemplar zur Verfügung gestellt hat. 

Mit diesem Titel endet meine Reihe mit Büchern norwegischer Autoren, die ich anlässlich der kommenden Frankfurter Buchmesse, zu der Norwegen als Ehrengast eingeladen ist, begonnen habe. Dies waren die vorangegangenen Bücher:
 

 

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