Freitag, 13. September 2019

# 212 - Von der Hauptstadt raus aufs Land

Die Journalistin Agnes Ravatn hat mit Ein kleines Buch vom Leben auf dem Land ein kleines, feines Buch darüber geschrieben, wie es ist, von der Hauptstadt Oslo mit ihrem pulsierenden Leben aufs Land zu ziehen, wo fast nur die Geräusche der Natur zu hören sind. Ihr und ihrem Mann hat in Oslo nichts gefehlt, im Gegenteil: Sie fühlten sich wohl in ihrer Dreizimmerwohnung, zwischen so unterschiedlichen Menschen, die sie auf der Straße, bei der Arbeit oder bei Veranstaltungen antrafen. Warum also dieser radikale Schritt?


Der Auslöser ist die Geburt des ersten Kindes. Die jungen Eltern wollen ausprobieren, wie es sich auf dem Land lebt und dafür die sechsmonatige Elternzeit nutzen. Die Familie von Ravatns Mann besitzt im westnorwegischen Valestrand ein leerstehendes Bauernhaus, das von den Verwandten sofort bezugsfertig renoviert wird. Hier leben auf einer Fläche von 59 km² etwas mehr als 1.200 Menschen. Bis nach Oslo sind es ungefähr 450 Kilometer. Dazwischen scheinen Welten zu liegen: So, wie es Ravatn schildert, sind der westnorwegische Humor und die Fähigkeit zur Ironie den ostnorwegischen Gewohnheiten so ähnlich wie  die zwischen Holstein und Bayern: Man spricht zwar dieselbe Sprache, aber immer hübsch aneinander vorbei.

Doch das ist nicht der einzige Unterschied, an den sich die kleine Familie gewöhnen muss: kein Internet, kein Fernsehen, keine kulturellen Veranstaltungen, keine Spontankäufe und gefühlt kein Tag ohne Regen. Dafür jede Menge Ruhe, Natur, das Wahrnehmen des Wechsels der Jahreszeiten und die Rückbesinnung auf grundsätzliche Dinge, die das Leben ausmachen.

Ein stetiger Lichtblick sind der in der Nähe wohnende Dichter und Essayist Einar Økland und seine Frau Liv Marit. Økland ist fast 40 Jahre älter als Ravatn und eine in Norwegen sehr bekannte Persönlichkeit. Er ist ein väterlicher Freund, der mit seinen liebenswerten Schrullen schon seit 40 Jahren in seinem Haus auf dem Land lebt. Als er sich entschloss, Oslo zu verlassen, war er also etwa so alt wie die Autorin es heute ist.

Wer schon einmal auf dem Land gelebt hat, weiß, dass man hier und da nicht besonders zimperlich sein sollte. Das ist in Norwegen nicht anders: Die Methoden, die Schnecken im Garten zu dezimieren oder den geangelten Fischen den Garaus zu machen, bevor sie an Ort und Stelle ausgenommen werden, ist nichts für sensible Gemüter.
Und noch etwas lernt Ravatn von Økland: wie man richtig gutes Knäckebrot backt und was wahres Glück ist.


Wie war's?


Ein kleines Buch vom Leben auf dem Land beschreibt die Sicht einer Städterin auf das Landleben. Ravatn und ihr Mann verlassen das gewohnte Umfeld und stürzen sich kopfüber in das neue Leben. Die Betrachtung des täglichen Lebens fällt in diesem Buch relativ oberflächlich aus, es geht mehr um die Beschreibung des sich nach und nach herausschälenden neuen Lebensgefühls. Interessant und sehr kurzweilig zu lesen, aber wer einen intensiven Blick auf die die Autorin umgebende Natur erwartet hat, ist mit diesem Titel weniger gut bedient.

Ein kleines Buch vom Leben auf dem Land ist 2019 in der deutschen Ausgabe bei btb erschienen und kostet als gebundenes Buch 15 Euro sowie als E-Book 11,99 Euro.

Diese Rezension ist Teil einer Reihe, die sich anlässlich der Frankfurter Buchmesse 2019 mit ihrem Ehrengast Norwegen mit norwegischen Schriftstellern beschäftigt.
In den letzten Wochen habe ich über diese Bücher geschrieben:


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