Bert Lingnau hat es wieder getan: Vor vier Jahren hat er mit Rübe ab! den ersten Band mit tatsächlich geschehenen Kriminalfällen zwischen der Lübecker Bucht und Usedom herausgebracht, mit Singende Barsche folgt nun die Fortsetzung.
62 echte Kriminalfälle hat Lingnau zusammengetragen, die sich zwischen 1185 und 1985 ereignet haben. Auf der Grundlage umfangreicher Recherchen in Archiven, Büchern, Zeitungen und Websites schildert der Journalist lustige, aber auch schaurige Taten. Damit klar ist, in welche Kategorie jede Missetat fällt, hat Lingnau jede einzelne Schilderung mit verschiedenfarbigen Barschen gekennzeichnet. Wer sich nicht mit zu üblen Taten belasten will, kann die Fälle, die mit einem schwarzen Fisch versehen sind, einfach überschlagen.
Bert Lingnau erzählt zum Beispiel von einer 1983 gescheiterten "Republikflucht" aus der DDR und ihren Begleitumständen, einem Schmied, der 1885 seine herrische Schwiegermutter erdrosselte oder einem Fall, der sich 1985 zugetragen und diplomatische Verwicklungen ausgelöst hat: Ein US-Offizier wurde in der Nähe von Ludwigslust von einem sowjetischen Wachposten angeschossen, der dessen Fahrer daran hinderte, seinem Vorgesetzten Erste Hilfe zu leisten. Der Offizier starb an seiner Verletzung.
Das Buch greift auch Themen auf, die einem sehr bekannt vorkommen: Da geht es um Denunzianten, die ihre Mitmenschen der Hexerei bezichtigten, um sie loszuwerden; ein immer wiederkehrendes Tatmotiv - daran hat sich bis heute nichts geändert - ist die Gier, und viele kriminelle Übergriffe passierten im Vollrausch. Haben sich Kriminelle und ihre Motive im Laufe der letzten 800 Jahre denn gar nicht geändert? Oft kann man tatsächlich diesen Eindruck haben: Im Mittelalter flogen Diebe, Betrüger und Mörder häufig auf, weil sie ihre Taten vorher nicht geplant hatten oder der Plan diesen Namen nicht verdiente. Andere, insbesondere korrupte Amtsträger, hielten sich für cleverer, als sie waren. Und auch die Verfolgung der Juden ist ein Thema, das den Rahmen für Kriminalfälle bildet.
Einen deutlichen Unterschied zwischen dem Mittelalter und unserer Zeit gibt es allerdings in der Art und Weise, wie mit Verbrechen umgegangen wurde: Damals genügte ein Hinweis oder ein bloßer Anschein einer Straftat, um festgenommen und vor Gericht gestellt zu werden. Urteile wurden auch dann gesprochen, wenn die Beweislage so dünn wie ein Spinnennetz war. 'In dubio pro reo' war der mittelalterlichen Rechtsprechung fremd, es galt vielmehr der Rachegedanke. Dazu gehörte auch, dass der Henker jede Menge zu tun bekam - ein todsicherer Beruf also.
Auch Singende Barsche ist wie Rübe ab! in vier regionale Kapitel aufgeteilt und enthält zahlreiche von Bert Lingnau selbst gemachte Fotos, die die Landschaften zeigen, in denen sich "de Moorden" (plattdeutsch für Morde) und andere Missetaten ereignet haben. Im letzten Kapitel kommen Niederdeutsch-Fans auf ihre Kosten: Den Personen werden plattdeutsche Dialoge in den Mund gelegt, wie sie früher höchstwahrscheinlich stattgefunden haben.
Lesen?
Wer Rübe ab! mochte, wird auch Singende Barsche gern lesen. Viele Kriminalfälle sind kurios, oft muss man schmunzeln. Das Buch kann man auch zwischendurch zur Hand nehmen, den jeder Fall beschränkt sich auf drei Seiten. Die Übersichtskarte am Ende des Buches, aus der die einzelnen Tatorte hervorgehen, macht den Titel "rund".
Singende Barsche ist 2022 im Klatschmohn Verlag erschienen und kostet als Taschenbuch 11,80 Euro.
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