Freitag, 21. August 2020

# 254 - Wie Demokratien sterben - eine "Anleitung"

Die amerikanischen Politikwissenschaftler David Ziblatt und Steven Levitsky erklären in ihrem Buch Wie Demokratien sterben, welche gesellschaftlichen und politischen Prozesse letzten Endes dazu führen, dass aus einer Demokratie eine Autokratie wird. 

Grundsätzlich gibt es hierfür zwei Möglichkeiten: ein einzelnes Ereignis wie zum Beispiel einen Putsch oder einen schleichenden Prozess. Bei der ersten Variante ist die Veränderung für jeden sofort erkennbar, bei der zweiten kann sich die Transformation über mehrere Jahre erstrecken, sodass erst an ihrem Ende erkennbar wird, was sich da vor aller Augen abgespielt hat.

Levitsky und Ziblatt sind Harvard-Professoren und haben in ihrem 2018 veröffentlichten Buch den antidemokratischen Entwicklungen in den USA viel Raum gegeben. Sie haben sich jedoch nicht nur auf den amtierenden Präsidenten Donald Trump beschränkt, sondern sich auch in der amerikanischen Geschichte umgesehen. Fazit: Immer wieder haben US-Präsidenten versucht, ihre Macht auszuweiten und dabei zu Mitteln gegriffen, die den Einfluss der Pfeiler der Demokratie untergraben sollten. Levitsky und Ziblatt unterscheiden hierbei in die Möglichkeiten und Grenzen, die aus der Verfassung hervorgehen sowie das, was dort nicht steht, aber allgemeiner Konsens ist: die sogenannten "Leitplanken", die in der Regel von allen an der Politik beteiligten Akteuren eingehalten werden. So lange, bis versucht wird, diese zu ignorieren. Trump ist allerdings derjenige Präsident, der es in der Grenzüberschreitung zu einer traurigen Meisterschaft gebracht hat.

Die Autoren sehen sich jedoch auch die Schwierigkeiten an, die andere Staaten beim Erhalt ihrer Demokratien haben oder hatten. Ihr Blick geht nach Europa ebenso wie nach Südamerika oder Asien. Sie stellen fest, dass Militärputsche seit dem Ende des Kalten Krieges selten geworden sind und demokratische Zusammenbrüche mehrheitlich durch gewählte Regierungen stattgefunden haben. Die Schritte, die zu diesen Zusammenbrüchen geführt haben, beruhen auf äußerlich legalen Maßnahmen, die vom Parlament beschlossen oder von einem Gericht abgesegnet wurden. Auch die Begründung, man handele zum Wohl des Landes, weil man beispielsweise die Korruption bekämpfen wolle, muss immer wieder herhalten, wenn es darum geht, demokratische Prozesse und Möglichkeiten abzuwürgen.

Ziblatt und Levitsky erläutern, welche Parallelen es gegeben hat, wenn in bislang demokratischen Ländern politische Außenseiter an die Macht drängten: In vielen Fällen (z. B. Deutschland mit Hitler, Italien mit Mussolini oder Peru mit Fujimori) setzten die politischen Eliten dort darauf, dass sich die Außenseiter einhegen ließen, wenn sie an der Regierung beteiligt würden. Ein fataler Irrtum.  
Sehr ausführlich wird erläutert, anhand welcher Warnzeichen autoritäre Politiker zu erkennen sind und dass bereits die Erfüllung nur eines Kriteriums genügt, um sich Sorgen zu machen. Die Autoren bezeichnen diese Warnzeichen auch als Lackmustest:
Da werden die "Schiedsrichter" (z. B. Gerichte, Ethikkommissionen) bedrängt, die "Schlüsselspieler" (z. B. Medien oder politische Gegner) neutralisiert und neue "Spielregeln" aufgestellt - einschließlich der Bereitschaft, diese mit Gewalt durchzusetzen oder andere dazu zu ermutigen.

Lassen sich diese die Demokratie zerstörenden Mechanismen und Vorgänge aufhalten? Die beiden Wissenschaftler sind optimistisch: Sie sehen insbesondere in den USA die Parteien in der Pflicht, dem Präsidenten die mittlerweile verrutschten und ramponierten Leitplanken deutlich aufzuzeigen und sich untereinander nicht mehr als Feinde, sondern als politische Gegner zu sehen, die sich trotz aller Differenzen darum bemühen, einen parteiübergreifenden Konsens zu finden. Als Beispiele dafür, dass Länder ihre demokratischen Systeme schützen konnten, führen Ziblatt und Levitsky Belgien (1936) und Finnland (1929) an: In beiden Staaten waren es die politischen Eliten, die dafür sorgten, dass die Demokratie nicht von Faschisten zerstört wurde.


Lesen?

Auf jeden Fall! Während des Lesens bemerkt man, dass man sich an viele demokratieschädliche Vorgänge bereits gewöhnt hat. Die in diesem Buch geballte Darstellung all dessen, was zu einem Zusammenbruch eines demokratischen Systems führen kann oder geführt hat, macht die Dringlichkeit dieses Themas noch deutlicher.
Das Buch wurde mit dem NDR Kultur Sachbuchpreis 2018 als bestes Sachbuch des Jahres ausgezeichnet.

Wie Demokratien sterben ist bei der Deutschen Verlags-Anstalt erschienen und kostet als gebundene Ausgabe 22 Euro, broschiert 14 Euro sowie als E-Book 12,99 Euro. Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet das Buch in Heftform als Teil ihrer Schriftenreihe für 4,50 Euro zuzügl. Versandkosten an.

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