Deutschland beschäftigen sich die Journalistinnen Julia Cruschwitz und Carolin Haentjes mit einem Thema, das bei uns nur langsam mehr Aufmerksamkeit erhält.
Es geht um Femizide, also Morde an Frauen, die vor dem Hintergrund eines patriarchalischen Weltbilds von Männern begangen werden, die Frauen innerhalb einer partnerschaftlichen Beziehung als ihr Eigentum betrachten.
Der Mord an einer jungen Frau im Leipziger Auwald ist der Einstieg in das Buch und der Anstoß für die beiden Autorinnen, umfangreiche Recherchen zu beginnen. Im Frühling 2020 wurde eine junge Mutter von ihrem Ex-Partner mit einem Hammer erschlagen, als sie mit ihrem drei Monate alten Baby spazieren ging. In der Presse wurde die Tat als Beziehungstat bezeichnet und zum Teil auch rassistisch ausgeschlachtet. Nur an wenigen Stellen wurde die Ermordung der jungen Mutter als das bezeichnet, was sie war: ein Femizid.
Cruschwitz und Haentjes haben sich mit Expertinnen und Experten unterhalten, die sich beruflich mit der Thematik befassen. In Interviews kommen auch Frauen zu Wort, die einen solchen Angriff ihres (Ex-)Partners überlebt haben und mit den Folgen zurechtkommen müssen. An diesem Punkt machen die Autorinnen deutlich, dass es in Deutschland ein allenfalls lückenhaftes Unterstützungssystem gibt, das sich nicht nur von einem Bundesland zum anderen, sondern sogar innerhalb der verschiedenen Landkreise unterscheiden kann. Wie gut die Hilfe nach einem solchen Übergriff ausfällt, ist oft reine Glückssache.
Wer vor der Lektüre von Femizide - Frauenmorde in Deutschland davon ausging, dass es so etwas wie ein Schutzsystem für gefährdete Frauen gibt, wird eines Besseren belehrt: Die Polizeiverwaltungen der Länder befinden sich mehrheitlich noch in der "Findungsphase" und überlegen, welche Strategien sie ihren Beamten an die Hand geben könnten, wenn es um die Anzeichen eines sich anbahnenden Femizids oder das Verhalten am Tatort geht.
Cruschwitz und Haentjes belassen es jedoch nicht dabei, sich nur die Situation der Opfer und Täter anzusehen. Da in zahlreichen Fällen eines (versuchten oder vollendeten) Femizids auch Kinder zu den Betroffenen gehören, die zum Beispiel Augenzeugen der Ermordung ihrer Mutter werden oder plötzlich ihr Zuhause verlieren, wird auch untersucht, wie gut sie von staatlichen Stellen sowie der Rechtsprechung geschützt und unterstützt werden. Auch hier sollte man sich keinen Illusionen hingeben.
Fazit: Der erste wichtige Schritt, um Femiziden vorzubeugen ist, sie klar zu benennen. Die dpa hat im November 2019 angekündigt, Begriffe wie "Familientragödie" oder "Beziehungsdrama" nicht mehr zu verwenden, wenn es um Gewaltverbrechen in Familien oder partnerschaftlichen Beziehungen geht.
Femizide - Frauenmorde in Deutschland ist 2021 im Hirzel Verlag erschienen und kostet 18 Euro.
Nachtrag: In der Bücherkiste habe ich im Oktober 2021 über das Buch Alle drei Tage geschrieben. Es geht dort ebenfalls um Femizide, sodass es zu inhaltlichen Überschneidungen der beiden Titel kommt. Wer sich allerdings umfassend informieren möchte, sollte beide Bücher lesen. Ich kann nicht sagen, dass ich eines der Bücher dem anderen vorziehen würde.
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