Donnerstag, 1. April 2021

# 284 - Raus ins Grüne! So gemütlich lebt es sich in einem Schrebergarten

Sebastian Lehmann hatte nach 20 Jahren in Berlin
ebenso wie seine Freundin die Nase voll vom ständigen Trubel der Großstadt und den zahllosen Baustellen im eigenen Viertel. Wahrscheinlich wird man, wenn man auf die 40 zugeht, empfindlicher und hat ein größeres Ruhebedürfnis.

Die Lösung scheint dem Paar ganz einfach zu sein: Ein Schrebergarten muss her! Ruhe und Erholung inmitten der Natur, mit dem Zwitschern der Vögel und dem leisen Säuseln des Windes als einzige harmoniestiftende Geräuschquellen. Das ist der Einstieg für sein Buch Das hatte ich mir grüner vorgestellt.

Lehmann erstellt eine Liste mit Kriterien, die das künftige Refugium erfüllen muss und schon kann die Suche nach einem geeigneten Garten losgehen. Blöd nur, dass auf diese originelle Idee auch viele andere Stadtflüchtlinge gekommen sind. Deshalb muss der Suchradius etwas ausgedehnt werden. Und tatsächlich: Nach einigen Misserfolgen ergibt sich die Möglichkeit, ein Gartengrundstück in einer sehr kleinen Kolonie auf dem platten mecklenburgischen Land zu kaufen. Das benachbarte Dorf bietet außer einer Straße keine Infrastruktur, der bereits vorhandene Bungalow schreit nach einer Sanierung und der eigentliche Garten hat in den vergangenen Jahren die Gelegenheit genutzt, sich frei zu entfalten.

Doch Lehmann, dem alles Handwerkliche bislang fremd war, sieht die Gesamtsituation als zu bewältigende Herausforderung an und kauft die Parzelle. Nebenbei stellt sich heraus, dass er nicht nur körperlichen Arbeiten sondern auch rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit einem Immobilienkauf ahnungslos gegenübersteht. Irgendwie wird es schon werden - das ist seine Herangehensweise allen Dingen gegenüber, die ihm fremd sind.

Mit Humor beschreibt der frischgebackene Hobbygärtner die Probleme, die sich im Laufe des ersten Gartenjahres auftun: Für ihn völlig überraschend realisiert er, dass die Gartenkolonie so weit draußen nicht an ein öffentliches Abwassernetz angeschlossen ist. Gerade noch rechtzeitig erreicht er eine Firma, die ihm seine Sammelgrube leerpumpt. Auch die Renovierung des Bungalows wirft Probleme auf: Der Boden ist uneben, die Veranda morsch und zum Entsetzen des Paares haben sich im Haus Spinnen gemütlich eingerichtet.

Die Illusion von entspannten Wochenenden im Liegestuhl zerplatzt ziemlich schnell, weil ein Problem das andere ablöst. Aber zum Glück ist da der Gartennachbar Heinz, der ganzjährig Feinrippunterhemden trägt und immer mit dem passenden Kommentar zur Stelle ist. Ohne seine Tipps wäre Lehmann möglicherweise bei seinem Versuch, ein Freizeit-Landei zu werden, krachend gescheitert.

Lesen?

Sebastian Lehmann ist Buchautor, Poetry Slammer und Kleinkünstler. Dass es in diesem Buch also eher um die lustigen Seiten des gärtnerischen Scheiterns als um die Heldentaten eines Großstädters gehen würde, war klar. Etliche Szenen sind wirklich witzig, andere leider aber klischeehaft: Ob es Heinz' Feinrippunterhemd, die eigene verkrampfte Anpassung an den örtlichen "Dresscode" oder das kontinuierliche Nichtwissen ist - das Gefühl, das schon mal irgendwo anders gelesen zu haben, wird bei jedem Kapitel stärker. Das hatte ich mir grüner vorgestellt ist nette Unterhaltung für einen Tag am Meer, auf dem Balkon oder ja, auch im Schrebergarten. Und zum Schluss wird dort, wo bislang eine olle Tanne gestanden hat, was gepflanzt? Genau, ein Apfelbaum.

Das hatte ich mir grüner vorgestellt ist im Goldmann Verlag erschienen und kostet als Klappenbroschur-Ausgabe 13 Euro und als E-Book 9,99 Euro.

Nachtrag: Es gibt Dinge, die mich bei Büchern ärgern, unabhängig von Verlag oder Autor/in. Dazu gehören Mängel beim Korrektorat, sodass es sich beim Lesen so anfühlt, als würde ich quasi beim Gehen mit dem Fuß hängenbleiben. Da wird dann die heisere zu einer heißeren Nachtigall oder "die ehemaligen Sozialdemokraten spuckten nur noch als seelenlose Gespenster ganz hinten in meinem Kopf herum."

An der Stelle kann man eventuell noch sagen, dass das schon mal passieren kann. Aber wenn auch der Imperativ falsch gebildet wird ("breche" statt "brich" oder "sehe" statt "sieh"), habe ich bei einem Verlag, der im Bereich der Taschenbücher zu den umsatzstärksten gehört, kein Verständnis mehr.



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