Der durch seine Kolumnen in der Süddeutschen Zeitung bekannt gewordene Journalist und Schriftsteller Axel Hacke beschäftigt sich in seinem Buch Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte mit der Frage, was es eigentlich mit der Heiterkeit auf sich hat: Stellt sie sich von selbst ein? Muss man einen entsprechenden Charakter haben, um sein Leben heiter zu verbringen? Wie wichtig ist Heiterkeit im Alltag?
Es soll hier nicht um bierselige Festzelt-Heiterkeit gehen oder den Nachbarn, der einen schlüpfrigen Witz nach dem anderen vom Stapel lässt und sich lachend auf die Schenkel schlägt. Was Hacke meint, ist so etwas wie eine Lebensheiterkeit, eine grundsätzliche Einstellung, die das Gegenteil dessen verkörpert, was wir zum Beispiel von der von Charles Dickens geschaffenen Figur Ebenezer Scrooge kennen: einen ständig missgelaunten Menschen, der anderen stets abweisend gegenüber tritt.
Dass sich ausgerechnet Axel Hacke diesem Thema widmet, verwundert zunächst. Seine regelmäßigen oben erwähnten Kolumnen vermitteln Heiterkeit und eine gewisse Leichtigkeit des Seins, ohne oberflächlich zu sein. Doch er sagt tatsächlich über sich, dass er sich im Alltag um die Heiterkeit bemühen muss und kein heiterer Mensch ist.
Den Anstoß zu diesem Buch gab ein Auftrag zu einem Artikel, den er spontan zugesagt hat, dessen Bedeutung für ihn selbst sich Hacke aber erst später erschloss. Es sollte um die Heiterkeit gehen. Aber Hacke merkte rasch, dass dieses auf den ersten Blick luftig-leicht wirkende Wort seine Tücken hat; erst recht, wenn es um Heiterkeit in schwierigen Lebensphasen geht.
Axel Hacke ist nicht mehr weit weg von seinem 70. Geburtstag und damit rund zehn Jahre älter als ich. Beim Lesen seines Buches denke ich immer wieder, dass seine Bewertung von Ereignissen, die er rückblickend als heiter einstuft, auch an seinem Alter und den damaligen "Highlights" liegen mag: Beispielsweise ging es in der mit einer mehrjährigen Pause gesendeten Quiz-Show "Was bin ich?" mit dem Moderator Robert Lembke darum, möglichst rasch den Beruf des jeweiligen Kandidaten zu erraten. Die Sendung hatte in den 1970-er Jahren sehr gute Einschaltquoten und war so wie später "Wetten dass...?" eine Familiensendung. Was der Popularität sicher half, war die geringe Zahl der Fernsehsender: Je nachdem, ob man auch die DDR-Sender empfangen konnte, waren es nur drei oder eben fünf Kanäle. Als ich selbst so alt war wie Hacke zur besten "Was bin ich?"-Zeit, riss mich das Format nicht mehr vom Hocker. Es wirkte auf mich verstaubt und überholt.
Axel Hacke sieht sich bei zahlreichen Fachleuten, die aus verschiedenen Perspektiven etwas über die Heiterkeit geäußert haben, um. Da ist zum Beispiel die Kolumnistin Doris Knecht, die er zitiert, als er sich Gedanken darüber macht, ob es angesichts von Krisen wie dem Krieg in der Ukraine in Ordnung ist, sich seine Heiterkeit zu bewahren. Knecht reagiert 2022 auf die Kritik einer Leserin mit einem Fluchthintergrund und vermittelt hier eine pragmatische Haltung:
"Sie, Knecht, habe etwas über ihre Lieblingsspeisen geschrieben. Die Leserin fand es lächerlich und oberflächlich, angesichts der aktuellen Situation (vor allem des Krieges in der Ukraine) etwas über Essensvorlieben lesen zu müssen. Knecht schrieb die klaren und eleganten Sätze: »Natürlich hat sie recht. Aber ich finde, sie hat auch ein bisschen nicht recht."
Sie schrieb weiter: "Wir haben diesen Krieg nicht angefangen, keiner von uns wollte ihn, alle sind entsetzt. Ich finde nicht, dass wir uns Tag und Nacht dafür schuldig fühlen sollten, dass wir weiter das tun, was auch die Menschen in der Ukraine taten und weiter tun wollten: ganz normal in Frieden leben." Dieser Krieg höre nicht auf, wenn wir aufhörten uns zu freuen an unseren Kindern, an einem guten Essen, an Kunst. Den Menschen in der Ukraine und den Flüchtenden gehe es nicht besser, wenn wir den ganzen Tag ein schlechtes Gewissen hätten wegen unserer Ohnmacht.
"Was stattdessen passiert: Wir lassen Putin auch Krieg führen gegen uns", schrieb sie. Dann gewinne Putin. Dann bestimme Putin auch über unser Leben und nehme auch uns die Freiheit. "Helfen wir den Menschen in der Ukraine und auf der Flucht, wie und wo wir können, aber lassen wir Putin nicht bestimmen: wie wir leben wollen, woran wir uns freuen und was wir schreiben."
Die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich brachte ihre Haltung über das Zulassen von Heiterkeit angesichts von Krisen noch knapper zum Ausdruck, als sie 2008 im Alter von 91 Jahren während eines Vortrags in Frankfurt einem Zuhörer antwortete, der sich länger über die düstere Lage der Nation, den Werteverfall und die unfähigen Politiker ausließ:
"Das ist mir alles viel zu wehleidig, junger Mann. Sie sind ja nur am Jammern. Lassen Sie es mich so sagen: Jedes Leben hat seine Erschütterung, jede Zeit auch. Diese Selbstverständlichkeit zu beklagen - da machen Sie es sich sehr einfach."
Lesen?
Es fällt mir schwer, für dieses Buch eine klare Empfehlung zu geben. Axel Hacke zitiert so viele Wissenschaftler, Autoren, Philosophen und Künstler, dass es an einigen Stellen schwer fällt, den Überblick zu behalten. Dabei drohen seine eigenen Gedankengänge beinahe unterzugehen.
Manchmal kommt es auch vor, dass der Autor einen interessanten Gedanken aufgreift, ihn aber nicht bis zum Ende ausführt. Ein Beispiel hierfür sind die Überlegungen über Weltuntergangsphantasien: Die Vorstellung der Vernichtung alles Lebendigem kennt man in dieser Ausprägung nur in den sog. westlichen Ländern. In China oder Japan ist solch eine Idee einer Komplettvernichtung unbekannt. Die sich für mich automatisch stellende Frage, wie dieser Unterschied zu erklären ist, wird von Axel Hacke nicht beantwortet.
Und zu welchem Ergebnis kommt Axel Hacke nach seinen ausführlichen Überlegungen zu Heiterkeit? Ja, er gibt eine Antwort auf die Frage, wie man ein heiterer Mensch sein kann. Aber ich bezweifle, dass sie das ist, was seine Leserinnen und Leser am Ende dieses Buches erwartet haben.
Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte ist 2023 im DuMont Buchverlag erschienen und kostet als gebundene Ausgabe 20 Euro sowie als E-Book 16,99 Euro.
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