Aus irgendwelchen Gründen, die ich nicht kenne, ist es in unserem Kulturkreis verpönt, übers Geld zu reden. Dem zu seiner Zeit reichsten Mann der Welt, dem amerikanischen Öl-Milliardär Jean Paul Getty, wird das Zitat zugeschrieben: "Über Geld spricht man nicht, man hat es."
Getty ist 1976 gestorben, in der Zwischenzeit hat sich hinsichtlich dieser sehr speziellen Sprachlosigkeit etwas geändert. Heute ist es vielen Menschen möglich, auch ohne eine sprudelnde Erdöl-Quelle ihr Vermögen zu vermehren, nämlich mit Wertpapieren. Wie genau, das erklären zahlreiche Bücher, Blogs und Börsenseiten.
Aus der Fülle der Bücher möchte ich zwei herausgreifen und euch vorstellen. Beide haben einen unterschiedlichen Ansatz und sprechen ihre Leser auf verschiedene Weise an. Gemeinsam haben sie allerdings, dass sie auch Menschen erreichen, die sich zwar für das Thema interessieren, deren Kenntnisse bislang aber gering sind. Man kann es auch anders formulieren: Beide Titel haben das Zeug dazu, die Angst vor der Börse zu verlieren und zu erklären, wie man sich einer guten Kaufentscheidung nähert. Sie öffnen eine Tür für alle, die vor der Lektüre vielleicht gar nicht gewusst hätten, wo deren Klinke ist.
Ich beginne mit dem Buch einer jungen Frau, die sich
schon mit Mitte 20 auf diesem Feld einen Namen gemacht hat: Aya Jaff. Jaff sagt über sich selbst, dass Mathe in ihrer Schulzeit nicht zu ihren starken Fächern gehört hat. Das hielt sie nicht davon ab, ein Wirtschaftsinformatik-Studium zu beginnen und als Programmiererin und Gründerin tätig zu sein. Als Keynote-Speakerin spricht sie u. a. über Digitalisierung. In ihrem Buch Moneymakers wendet sie sich der Börse zu. Wer jetzt hofft, ein paar Kauftipps für den schnellen Reichtum zu finden, sollte sich einer anderen Veröffentlichung widmen, denn Aya Jaff geht es um etwas anderes: Sie möchte ihre Leser dazu ermuntern, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Das geht nicht ohne einige Grundkenntnisse darüber, wie die Wirtschaft und insbesondere die Börse funktioniert.
Sie lenkt den Blick nicht nur auf eine bekannte Influencerin, die im Allgemeinen als wandelnder Kleiderbügel wahrgenommen wird, aber eine clevere Geschäftsfrau ist; Jaff zeigt am Beispiel von China auch, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten Asiens in Europa noch immer deutlich unterschätzt werden. Sie greift eine Reihe von "Moneymakers" beispielhaft heraus, um zu dokumentieren, wodurch deren Erfolg begründet wurde. Da kommen natürlich die bekannten Börsen-Gurus André Kostolany und Warren Buffett vor, aber auch die Influencerin Madame Moneypenny oder die chinesischen Unternehmer Jack Ma und Pony Ma.
Aya Jaff zeigt auch auf, wohin die Trends gehen: Biotech, KI oder Blockchain sind nur einige Stichworte. Alles wird leicht nachvollziehbar erläutert, zurückliegende Finanzereignisse werden anschaulich dargestellt. Völlig zu Recht kritisiert die Autorin, dass uns unser Bildungssystem diese Zusammenhänge nicht vermittelt.
Wenn man sich für dieses Buch etwas wünschen dürfte, dann wäre das ein aufmerksameres Lektorat, das bei der einen oder anderen Zahl stutzig wird. Jack Ma wäre sicher begeistert, wenn sein Unternehmen 31 Millionen Mitarbeiter hätte, tatsächlich sind es aktuell aber "nur" etwas mehr als 117.000. Richtig ist statt dessen, dass bis 2017 31 Millionen Stellen im Zusammenhang mit den Alibaba-Aktivitäten geschaffen wurden. Mit den Umsatzzahlen, die seinem Unternehmen zugeschrieben wären, wäre er aber sicher nicht zufrieden. Das soll mich jedoch nicht davon abhalten, dieses Buch zu empfehlen.
Moneymakers ist im Mai 2020 beim Finanzbuchverlag erschienen und kostet als Taschenbuch 16,99 Euro sowie als E-Book 12,99 Euro.
Weiter geht's mit dem zweiten Buch:
"Schatz, ich habe den Index geschlagen!" Wie ich auszog, die besten Aktien der Welt zu kaufen von Christian Thiel. Thiel ist "eigentlich" Philosoph und arbeitet als Single- und Paarberater. Die Welt der Aktien ist jedoch seine Leidenschaft, die er so fachkundig betreibt, dass es sein Finanzblog Grossmutters Sparstrumpf 2016 auf die Shortlist für den 'comdirect finanzblog award' schaffte.
Nennenswertes Vorwissen ist auch bei diesem Buch nicht nötig. Thiel verfolgt wie schon Jaff das Ziel, den Lesern die Sorge zu nehmen, beim Aktienhandel handele es sich um Hexenwerk. In zwölf Kapiteln erläutert er, warum Aktien entgegen aller Unkenrufe eine lohnende Anlage sind, was von anderen Anlageformen (Gold, selbstbewohnte Immobilien, Lebensversicherungen) zu halten ist und dass man bei der Beurteilung einer Aktie nicht nur durch die Front-, sondern auch durch die Heckscheibe schauen soll: Wie hat sie sich in den letzten fünf, zehn, 20 oder auch 30 Jahren entwickelt?
Thiel rät Anlegern zu Geduld, gepaart mit profunden Kenntnissen über die Unternehmen, deren Wertpapiere sie kaufen wollen. Er räumt auch mit so manchen Mythen aus der Aktienszene auf: Diejenigen, die wir für wirtschaftlich erfolgreich halten, sind es in der Mehrzahl gar nicht. Die Rede ist hier zum Beispiel von Tradern, von denen die meisten Zocker sind, was sich fatal auf ihren Anlageerfolg auswirkt. Und am Rande merkt Thiel an: Auch die große Mehrheit der Drogendealer hat ein so geringes Einkommen, dass es nur für das Kinderzimmer im Hotel Mama reicht.
Und was ist, wenn man nicht ständig auf volatile Börsenkurse starren will, immer in der Angst, das eingesetzte Vermögen könnte quasi über Nacht verglühen? Auch hier hat Thiel praktikable Vorschläge in petto. Nebenbei verrät er seinen Lesern, mit welchen Aktien es ihm gelungen ist, den Index zu schlagen. Das Buch ist zwar schon Anfang 2017 erschienen, hat aber seine Gültigkeit und Aktualität nicht verloren. Einziger Nachteil von Thiels Strategie: Junge Aktien haben hier das Nachsehen, weil sich ihre Entwicklung nun mal nicht Jahre oder Jahrzehnte zurückverfolgen lässt.
"Schatz, ich habe den Index geschlagen!" Wie ich auszog, die besten Aktien der Welt zu kaufen ist im Campus Verlag erschienen und kostet broschiert 17,95 Euro sowie als E-Book 15,99 Euro.
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