Freitag, 28. August 2020

Blogtour zu "Der Raum, in dem alles geschah" - Die Rolle des Nationalen Sicherheitsberaters

Siebzehn Monate hat es gedauert, bis John Bolton das Handtuch warf und von seinem Amt als Nationaler Sicherheitsberater von Präsident Trump zurücktrat. Er hat den Weg von seiner Ernennung bis zu seiner Aufgabe in seinem Buch Der Raum, in dem alles geschah zum Teil minutiös geschildert. Der Leser kann nachvollziehen, wie sehr und wie oft Bolton mit seinem Chef und seiner Position haderte. In Tinas Blog Tina liest vor findet ihr eine Rezension des Titels, ich werde in einer eigenen Rezension in Kürze meinen Eindruck schildern.

Aus europäischer Sicht ist die Position, die Bolton inne hatte, nur schwer nachzuvollziehen. Ein vergleichbares Amt, das mit dieser Aufgabenfülle ausgestattet ist, wie es von Bolton beschrieben wird, ist mir zumindest in Deutschland so nicht bekannt.
Bolton war so etwas wie ein Löwenbändiger, der Tag und Nacht damit beschäftigt war, den Präsidenten und seine Äußerungen wieder einzufangen. Er war im diplomatischen Sinn das Mädchen für alles, wobei ihm die Erfahrungen in anderen Ämtern während der Amtszeiten der Präsidenten Reagan und Bush (sen. und jun.) zugute kamen. Da stellt sich die Frage, wie genau das Aufgabenspektrum eines Sicherheistberaters definiert ist.


Was macht eigentlich ein Nationaler Sicherheitsberater?

Er ist der oberste Sicherheitsberater des US-Präsidenten, wird unmittelbar von diesem bestellt und untersteht ihm direkt. Die Zustimmung des Senats für seine Ernennung ist nur dann nötig, wenn es sich bei dem Kandidaten um einen Militärangehörigen handelt.

Der Sicherheitsberater gehört mehreren Sicherheits- und Militärräten an und nimmt an den Sitzungen des National Security Council (NSC) teil. Er organisiert außerdem die Auslandsreisen des Präsidenten, berät diesen in nationalen Sicherheitsfragen, informiert ihn über aktuelle Sachverhalte und schreibt für ihn Reden. Er sorgt auch dafür, dass die Pläne des Präsidenten durch die Exekutive (Kabinett, Behörden etc.) umgesetzt werden.

Der erste Nationale Sicherheitsberater war Robert Cutler, der 1953 unter Präsident Eisenhower tätig war. Schon bei ihm hat sich die Frage gestellt, inwieweit er sich wie ein dienstbarer Geist im Hintergrund halten oder aber die Öffentlichkeit suchen sollte. Dieser Punkt wird offenbar bei jedem neuen Nationalen Sicherheitsberater immer wieder austariert, genauso wie die Präsenz der einzelnen Sicherheitsbehörden.

Zu den wesentlichen Tätigkeitsmerkmalen des Nationalen Sicherheitsberaters gehört auch die Organisation von Entscheidungsprozessen, die üblicherweise zu Beginn der Amtsperiode eines Präsidenten stattfindet. Hier soll sich Cutler sehr positiv hervorgetan haben, während Bolton an seinem Chef fast verzweifelte. Das lag allerdings nicht nur an Trumps chaotischer und sprunghafter  Art und Weise, zu einer Entscheidung zu kommen und diese möglicherweise kurze Zeit später wieder zu revidieren; Bolton hatte das Amt als dritter Berater übernommen, wenn man die kommissarisch eingesetzten Personen nicht mitzählt, und war schon deshalb im Nachteil. Sein Nachfolger Robert O'Brian ist nun kurz davor, seinen ersten Jahrestag in dieser Position zu erreichen. Damit ist Trump auf einem guten Weg, den Rekordverschleiß an Nationalen Sicherheitsberatern zu knacken, den der republikanische Präsident Ronald Reagan in seiner Amtszeit von 1981 bis 1989 aufgestellt hat: Sechs Herren gaben sich damals die Klinke in die Hand. Dieser Job hat sich also oft genug als Schleudersitz erwiesen.


Bekannte Nationale Sicherheitsberater

Einzelne Personen haben sich so oft den Medien präsentiert, dass sich ihre Namen auch uns eingeprägt haben. Außer John Bolton war dies zum Beispiel Henry Kissinger (1969 bis 1975 unter Nixon und Ford): Seine politische Bilanz brachten ihm sowohl den Friedensnobelpreis als auch den Vorwurf ein, vor dem Hintergrund der Einmischung der USA in den kambodschanischen Bürgerkrieg ein Kriegsverbrecher zu sein.

Für politische Beben sorgten gleich zwei Nationale Sicherheitsberater, die für Präsident Reagan tätig waren: Robert Carl McFarlane und John Marlan Poindexter. Die sog. Iran-Contra-Affäre führte zu einem Selbstmordversuch McFarlanes, als herauskam, dass die Regierung dem Iran inoffiziell Waffen verkaufte und die Erlöse an die rechte Guerilla-Bewegung der Contras in Nicaragua weitergab, um diese in ihrem Kampf gegen die linke sandinistische Regierung zu unterstützen. Das war in mehrerer Hinsicht ein gravierender Rechtsbruch, an dem McFarlane und Poindexter maßgeblich beteiligt waren.

Ein weiterer bekannter Name ist der von Condoleezza Rice. Sie war während der ersten Amtszeit von Präsident Bush jun. (2001 bis 2005) dessen Nationale Sicherheitsberaterin und die erste Frau auf diesem Posten. Im Zusammenhang mit den beiden Anschlägen am 11. September 2001 wurde ihr einige Jahre nach ihrer Amtszeit vom ehemaligen CIA-Director George Tenet der Vorwurf gemacht, nicht auf seine Warnungen gehört zu haben. Die Bush-Regierung verfolgte auf Anraten von Rice damals den längerfristigen Plan, gegen Osama bin Laden vorzugehen, und Rice war Tenets Bauchgefühl (das er selbst als "unsicheres Voodoo" bezeichnete), dass da irgendetwas im Gange ist, zu wenig, um aktiv zu werden. Das sollte sich bekanntermaßen als Fehler herausstellen. Hier zeigt sich jedoch die große Schwierigkeit in dieser Position, wichtige von unwichtigen Nachrichten zu unterscheiden. Nicht jedes ungute Bauchgefühl sollte schließlich der Auslöser für militärische Aktionen sein.

Während Präsident Obamas zweiter Amtszeit von 2013 bis 2017 war Susan Elizabeth Rice Nationale Sicherheitsberaterin. Ihre Amtsführung war nicht unumstritten. Eine breit angelegte Abhöraktion des NSA, bei der die Telefonverbindungen französicher Diplomaten angezapft wurden, lobte sie 2013 ausrücklich: Die NSA-Aktion habe ihr im Zuge einer Abstimmung des UN-Sicherheitsrats über Sanktionen gegen Iran die Ansichten anderer Länder vermittelt, sodass die USA den Verhandlungen immer einen Schritt voraus gewesen seien.
Ihre Berufung verwundert, wenn man eine besondere Vorgeschichte kennt: Als außenpolitische Beraterin in Obamas Wahlkampf war sie bereits für die Position der Außenministerin gesetzt. Doch der Anschlag auf das US-Konsulat in Bengasi 2012, dem auch der US-Botschafter zum Opfer fiel, wurde von ihr zunächst heruntergespielt und als "spontaner Protest" bezeichnet. Als die Wahrheit bekannt wurde, konnte Rice ihre Ambitionen auf das Ministeramt beerdigen. Aufrichtigkeit und Transparenz gehörten offenbar nicht zu ihren Stärken.

Diese kurzen Schlaglichter auf einige Sicherheitsberater/innen zeigen, dass diese Tätigkeit von vielen Untiefen geprägt ist und oft den Charakter einer Gratwanderung hat: Bis wohin ist man bereit, geltendes Recht zu dehnen oder zu ignorieren, um die "nationalen Interessen" zu verfolgen? Ist dafür praktisch alles erlaubt?
Macht oder die Nähe zu ihr erfordern sicher immer wieder, sich einigen Versuchungen zu widersetzen. Einigen gelingt das - und anderen eben nicht.

Dieser Beitrag ist der fünfte und letzte der Blogtour anlässlich der Veröffentlichung von John Boltons Buch Der Raum, in dem alles geschah. Wer das Buch gelesen hat, weiß, dass allerdings nicht alles, worüber Bolton schreibt, im Oval Office geschehen ist: Weitere Schauplätze, an denen es zu Begebenheiten zwischen ihm und Trump kam, sind beispielsweise die Präsidentenmaschine 'Air Force One' oder eines der Luftfahrzeuge, die als 'Marine One' bezeichnet werden.

Das Buch könnt ihr übrigens hier gewinnen.

Die weiteren Beiträge zur Blogtour findet ihr hier, hier und hier.

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