Den kleinen Verlagen eine Chance geben
Rund um die beiden Buchmessen in Leipzig und Frankfurt werden gerne Literaturpreise vergeben. Angesichts der vom 11. bis zum 15. Oktober 2017 stattfindenden Frankfurter Buchmesse wird der Deutsche Buchpreis im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, über den ich hier auch bereits geschrieben habe. Aber wer diesen Blog ein bisschen kennt, weiß, dass ich versuche, auch "die Kleinen" nach vorn zu bringen: sowohl die Self Publisher, die ihre Bücher ohne die Unterstützung eines Verlags auf den Markt bringen, als auch die unabhängigen Verlage. Aber was hat es mit diesen unabhängigen Verlagen auf sich? Ist nicht jeder Verlag unabhängig?
Das macht unabhängige Verlage aus
Zu den Unabhängigen zählen diejenigen Verlage, die sich nicht unter dem Dach eines Großverlags wie z. B. Random House (dazu gehören u. a. Blanvalet, Siedler oder Heine) oder dem Wissenschaftsverlag Elsevier befinden. Auf diesem Blog finden sich z. B. die Krimis Brant und Libreville aus dem Polar Verlag, Die 7 größten Irrtümer über Frauen, die denken und Die heiklen Passagen der wundersamen Herren Wilde & Hamsun aus dem Verlag Matthes & Seitz oder Mallorca clásica aus dem Heel Verlag.
Die Qualität der Bücher steht denen aus den Großverlagen in nichts nach, ich würde sogar behaupten, dass in den unabhängigen Verlagen sorgfältiger gearbeitet und sehr oft mehr Wert auf Qualität gelegt wird. Diesen Anspruch stellte auch der A1 Verlag an sich, der in der Bücherkiste mit dem Roman Herr der Krähen des "ewigen" Anwärters auf den Literatur-Nobelpreis, Ngũgĩ wa Thiong’o, vertreten ist. 1990 gegründet, landete er mit dem 1998 erschienen Buch Die weiße Massai einen Publikumserfolg, der Geld in die Kasse spülte. Der hohe Anspruch, den die drei Gründer an ihr Programm stellten, lässt sich nun aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr halten: Der Verlag befindet sich aktuell in der Liquidation.
Der Weg zur Hotlist 2017
Seit 2009 wird der "Preis der Hotlist" vom Verein der Hotlist ausgeschrieben. In diesem Jahr wurden von den unabhängigen Verlagen 184 Titel zur Prämiierung eingereicht, die zwölf Kategorien zugeordnet sind. Die Jury setzt sich zusammen aus einer schweizer Buchhändlerin, einem Autor, zwei Literaturwissenschaftlern sowie einem Redakteur bei ZDF-Kultur. Die 30 Bücher, die zur Wahl gestanden haben, wurden von dieser Jury ausgesucht. Anschließend konnte jeder Internetnutzer unter der Adresse www.hotlist-online.com an der Wahl teilnehmen. Die drei Titel, die mit den meisten Stimmen aus dieser Wahl hervorgehen, zogen in die Hotlist ein, weitere sieben Vorschläge steuerte die Jury bei. Welches der letzten zehn Bücher den Preis der Hotlist in Höhe von 5.000 Euro bekommt, entscheidet ebenfalls das Expertengremium. Auch Buchhändlerinnen und Buchhändler haben ein Wort mitzureden: Sie stimmen ab, welcher der Hotlist-Titel den Melusine-Huss-Preis erhält, der dem entsprechenden Verlag einen 4.000-Euro-Druckgutschein der Druckerei Christian Theiss GmbH sichert. Die Preisverleihung findet in diesem Jahr am 14. Oktober im Literaturhaus Frankfurt statt.
Das ist die Hotlist 2017
Der Verlag Assoziation A schlug erfolgreich den Titel Über Grenzen von Lutz Taufer vor. Der Autor schildert in seiner Autobiographie sein Leben im politisch linken Spektrum, angefangen vom Sozialistischen Patientenkollektiv über die RAF bis zur heutigen
Mitgliedschaft im Weltfriedensrat.
Aus dem bilgerverlag kommt Notre-Dame-de-la-Merci von Quentin Mouron. Ein tragischer Roman um drei Menschen, der in einem kanadischen Dorf spielt, das dem Buch seinen Titel gab.
In der Edition Korrespondenzen ist Das Einsame Begräbnis des Autorenduos Maarten Inghels und F. Starik veröffentlicht worden. Hier geht es um sehr persönliche Gedichte, die im Rahmen eines Projekts in den Niederlanden und in Flandern für Verstorbene, die vereinsamt gelebt haben, geschrieben und bei ihrer Bestattung vorgetragen werden.
Der lichtung verlag hat den Roman Schwimmerbecken von Ulrike Anna Bleier herausgegeben. Es geht um Luises Zwillingsbruder, der fünf Jahre verschwunden war und nach seinem überraschenden Auftauchen nur noch Indonesisch spricht. Luise geht der Sache auf den Grund.
Der Verlag Matthes & Seitz Berlin hat den Titel Strategien der Wirtsfindung zum Wettbewerb eingereicht. Brigitta Falkner entwirft auf 200 ganzseitigen Bild- und Texttafeln eine fröhliche Parasitologie, die zwischen Fiktion und Fakten pendelt.
Guy Delisle hat die Geschichte des ehemaligen "Ärzte ohne Grenzen"-Mitarbeiters Christoph André als Graphic Novel aufgezeichnet. Im bei Reprodukt herausgegebenen Titel Geisel schildert er, wie er 1997 im Nordkaukasus von tschetschenischen Separatisten entführt und 111 Tage in Geiselhaft gehalten wird.
Halb Taube halb Pfau von Maren Kames ist ein Leseerlebnis der besonderen Art. Zitat der Inhaltsbeschreibung: " HALB TAUBE HALB PFAU kennt keine Genregrenzen. Die Textspiegelungen oszillieren zwischen Prosa, Lyrik und Drama." Für dieses beim Secession Verlag für Literatur erschienene Buch erhielt die Autorin den Düsseldorfer PoesieDebütPreis.
Goldgefasste Finsternis ist das erste Buch des Österreichers Arno Tauriinen, das bei Topalian & Milani erschienen ist. Der Teufel ersinnt darin die Stadt "W", und die ganze Welt wird in ein Theaterstück transformiert.
Der Verlag Wallstein hat den Roman Als ob sie träumend gingen veröffentlicht. Anna Baar lässt ihre Hauptfigur die Ereignisse eines bestimmten Tages auf Band sprechen. Doch erst, als der Mann im Sterben liegt, wird ihm klar, was an diesem Tag wirklich geschah. Ein Buch um eine verpasste Liebe und menschliche Abgründe.
Im Wieser Verlag ist Miroslav Krležas Roman Die Fahnen erschienen. Das Buch ist so etwas wie eine Chronik der Schicksale der serbischen, kroatischen und ungarischen Intelligenz im 20. Jahrhundert. Zum Lesen braucht man einen ziemlich langen Atem: Die deutsche Übersetzung ist 2.300 Seiten lang.
Alle zehn nominierten Titel auf einen Blick einschließlich Leseproben gibt es hier.
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