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Die Verlegerin Donata Kinzelbach auf der FBM 2019 |
Frage: Liebe Donata, seit 33 Jahren gibt es Deinen Verlag schon.
Allein die Tatsache, so eine lange Zeit zu bestehen, obwohl die großen
Publikumsverlage so viel Aufmerksamkeit der Leserschaft auf sich ziehen,
verdient großen Respekt. Aber Du hast mit Deinen Titeln eine Nische im
Verlagswesen eingenommen, die es so in Deutschland kein zweites Mal gibt:
Literatur aus dem Maghreb. Wie kam es dazu?
Antwort: Liebe Ina, stimmt, mittlerweile gibt es den Verlag bereits
so lange! Ich habe mich immer schon für fremde Kulturen interessiert –
vielleicht auch besonders, da ich in der Eifel groß geworden bin. Schon als
Kind dachte ich, dass es neben dem täglichen Alltagstrott hoffentlich noch
etwas zu entdecken gäbe! Als ich dann im Studium (Vergleichende
Literaturwissenschaften, Philosophie, Anglistik) mit Literatur aus dem Maghreb
konfrontiert wurde, hat das in mir eine Saite zum Schwingen gebracht. Und ich
dachte mir, dass ich gegen große Verlage nur eine Chance habe, indem ich eine
Nische besetze. (Dass das Verlegen von ausländischer Literatur mit hohen Kosten
einhergeht, wurde mir erst später klar.)
F.: Hast Du damals auch über einen anderen oder weiteren
Schwerpunkt nachgedacht?
A.: In der Tat wollte ich ursprünglich türkische Literatur
verlegen – ganz einfach deswegen, weil ich im Studium mit einigen Türkinnen eng
befreundet war, die mir Tipps gaben. Aber die erste Übersetzung, die ich
anfertigen ließ, enttäuschte mich sehr, denn die Sätze waren sehr kurz, im
Deutschen las sich das hölzern. (Maghrebiner kannte ich nicht, denn die
studierten ja eher technische Studiengänge, und das zumeist im sozialistischen
Bruderstaat, der DDR.)
F.: Du musstest in Deine neue Rolle als Verlegerin erst
hineinfinden. Was waren Deine größten Probleme?
A.: In der Tat startete ich bei Null. Heute kann man alles
googeln, aber ich stand damals vor ganz simplen Fragen: Wo beantrage ich z. B.
eine ISBN-Nummer? Wie komme ich an gute Manuskripte? Wie viel zahlt man für
Rechte? (Ja, natürlich habe ich Lehrgeld bezahlt!)
F.: In Deutschland sind die Namen von Schriftstellern aus
Algerien, Marokko oder Tunesien eher unbekannt. Vermutlich können nur wenige
Leser etwas mit Maïssa Bey, Abdelhak Serhane oder Malika Mokeddem anfangen. Wie
lernst Du Autorinnen und Autoren kennen und wie kommt es dann zu der
Entscheidung, ihre Bücher auf Deutsch herauszubringen?
A.: Kennen gelernt habe ich meine Autorinnen und Autoren alle
nach und nach: auf Messen, bei Literaturkongressen in Algerien oder bei
Lesereisen im deutschsprachigen Raum. Und dann wurden es immer mehr, denn es
sprach sich schnell herum, dass es diesen kleinen Verlag gibt. Und die Autoren
waren zufrieden mit meinem Engagement und lobten meinen Mut. Das hat wirklich
gut getan!
Die Entscheidung für oder gegen ein Buch hängt einzig von
meiner persönlichen Meinung darüber ab.
F.: Ein fremdsprachiges Buch zu verlegen ist aufwendiger als ein
deutsches Buch herauszubringen. Was passiert genau in der Zeit zwischen der
Einigung zwischen Dir und den Autorinnen und Autoren und dem Moment, in dem ein
neuer Titel in den Buchhandel gelangt? Läuft da alles problemlos ab?
A.: Im Prinzip läuft das sehr einfach ab, ich erwerbe die Rechte
und suche einen passenden Übersetzer oder Übersetzerin. Nachdem die Übersetzung
vorliegt, lektoriere ich den Text, layoute ihn und gebe die fertige PDF an die
Druckerei. Von dieser bekomme ich dann das, was früher die Blaupause war,
nämlich das fertig gesetzte Buch als PDF zur Druckfreigabe. Dann braucht es nur
ein Quäntchen Geduld, bis das Buch geliefert wird. Bei Taschenbüchern dauert
das heute nur wenige Tage, bei Hardcover-Ausgaben etwas länger.
F.: 2008 hast Du vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler
das Bundesverdienstkreuz erhalten. Wofür wurdest Du ausgezeichnet und wer hatte
Dich vorgeschlagen?
A.: Wer mich vorgeschlagen hat, weiß ich gar nicht. Horst Köhler
war seinerzeit oft in Algerien und hat dann meine Bücher entdeckt, vielleicht
auch auf Hinweis des deutschen Botschafters, bei dem er ja zu Gast war.
F.: Hat sich in Deinem Leben als Verlegerin in den letzten 33
Jahren etwas verändert?
A.: Oh ja, die Digitalisierung hat einiges verändert – nicht nur
zum Schlechten! Während man früher ausgedruckte Druckvorlagen beim Drucker
vorbeibrachte oder per Post schickte, verschickt man heute mit einem Klick die
PDF-Dateien.
Auch sämtliche Recherche-Arbeiten sind dank Google leichter
geworden – und den Gang in die Unibibliothek kann ich auch online tun.
F.: Auf welchen Veranstaltungen ist der Donata Kinzelbach Verlag
zu finden?
A.: Normalerweise – also vor Corona – besuche ich die Messen in
Frankfurt, Leipzig, Nürnberg, Berlin, Algier sowie kleinere regionale
Buchmessen. Außerdem halte ich Vorträge (in Zusammenarbeit mit der
Landeszentrale für politische Bildung, der Vollmar Akademie in Kochel, mit
Buchhandlungen und VHS ...). Und ich mache Lesungen, vielfach zweisprachig mit
meinen Autorinnen und Autoren.
F.: In jedem Beruf gibt es Höhen und Tiefen. Was liebst Du als
Verlegerin besonders und was tust Du nur, weil es getan werden muss?
A.: Lesen ist meine Passion und es ist ein Luxus, sein Hobby zum
Beruf haben zu dürfen. Insofern bin ich sehr demütig und erledige auch die
ungeliebteren Jobs (Mahnungen verschicken an säumige Kunden, Buchhaltung,
schwere Pakete zum Versand bringen) mit meist guter Laune.
Liebe Donata, ich bedanke mich ganz herzlich für das Interview mit Dir und
möchte zum Schluss auf ein Buch aus Deinem Verlag hinweisen:
Mourad Kusserow entführt die Leserinnen und Leser in seinem Buch Märchenhaftes Marokko
in die Welt der marokkanischen Mythen, des Aberglaubens und dem ewigen Wettstreit des Guten gegen das Böse. Die 17 Märchen beginnen alle mit dem Satz "Es war einmal, vielleicht aber auch nicht...", wie es in Marokko üblich ist. Denn die Wahrheit kennt nur Gott, weil Märchen hier Allgemeingut sind und sich nicht auf einen Verfasser zurückführen lassen. Die ausgewählten Märchen erzählen viel von der marokkanischen Lebensart, von Konflikten zwischen Berbern, Arabern und Juden und wie diese gelöst werden. Oft sind der Glaube an Geister und das beherzte Eingreifen von Zauberwesen gefragt, damit die Dinge wieder ins Lot kommen.
Märchenhaftes Marokko öffnet die Tür zu einer anderen Welt, aber das ein oder andere Motiv hat durchaus Ähnlichkeit mit Märchen, die uns in Deutschland geläufig sind. Die Sammlung schließt mit einem Nachwort Kusserows, in dem er auch auf die kulturhistorischen Hintergründe der Märchen eingeht.
Am Ende eines jeden Märchens verabschiedet sich der Erzähler mit den Worten: "Ich habe sie ihrem Schicksal überlassen und bin zu euch geeilt, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute." Hoffen wir, dass die Tradition des Märchenerzählens nie aussterben wird.
Märchenhaftes Marokko kostet 18 Euro und kann direkt beim Verlag bestellt oder über den Buchhandel bezogen werden.
Weitere Bücher aus dem Donata Kinzelbach Verlag
In der Bücherkiste habe ich bereits weitere Titel vorgestellt:
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