Jede Woche stelle ich ein Buch vor, das ich gelesen habe und das mich auf irgendeine Weise berührt hat.
Freitag, 3. April 2020
# 234 - Der Blick nach Algerien: Ist die Hoffnung auf Veränderung berechtigt?
Mitte Januar 2020 hatte ich hier bereits zwei Bücher aus dem Verlag Donata Kinzelbach vorgestellt. Im heutigen Buch geht es um ein Stück der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung, die Algerien in der jüngsten Vergangenheit durchgemacht hat.
In dem Buch Im Aufbruch, herausgegeben von dem algerischen Dichter Amin Khan, versammeln sich 19 Texte von zum Teil namhaften algerischen Dichtern, Schriftstellern, Journalisten und/oder Wissenschaftlern. Alle beschäftigen sich mit den seit Februar 2019 in Algier stattfindenden Demonstrationen, an denen zehntausende Menschen teilnehmen.
Zunächst ging es um den Protest gegen die am 12. September 2019 geplante Präsidentschaftswahl. Es wurde zwar zwischenzeitlich klar, dass der an der Macht hängende greise und gesundheitlich schwer angeschlagende bisherige Präsident Bouteflika nun doch nicht mehr kandidieren würde, aber das änderte wenig am Zorn der Algerier.
Schon viel zu lange fühlten sie sich ausgebootet. Diejenigen, die den Staat repräsentierten, haben nicht zugunsten des Volkes gehandelt, sondern zugunsten der eigenen Taschen. Junge Algerier haben entweder kaum eine Chance auf eine Berufsausbildung oder können den erworbenen Hochschulabschluss im eigenen Land nicht nutzen. Viele von ihnen haben im Laufe der Jahre versucht, der bodenlosen Hoffnungslosigkeit in der eigenen Heimat durch die Flucht übers Mittelmeer zu entgehen.
Die Texte handeln nicht nur von der Wut gegen die Regierung. Es geht auch um die Achtung, die die Älteren nun den Jungen entgegenbringen, weil diese Proteste organisieren und eine Veränderung erreichen wollen. Auch das, was in der algerischen unruhigen und gewaltsamen Geschichte, insbesondere seit Ende der 1980-er Jahre, passierte, wirkt bis heute in den Menschen nach. So berichtet zum Beispiel der Arzt Farid Chaoui von schwer traumatisierten Patienten quer durch alle Altersgruppen, die aus einer bestimmten Region kommen, die am meisten unter Gewalt und Terrorismus zu leiden hat.
Die algerische Protestbewegung ist seit mehr als einem Jahr aktiv und verschafft sich Gehör. Aktuell wird sie durch Covid-19 gestoppt. Wie es mit ihr und dem Land weitergeht, wenn die Pandemie vorbei ist, weiß heute keiner.
Im Aufbruch ist als Taschenbuch erschienen und kostet 22 Euro.
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