Freitag, 12. Februar 2021

# 277 - Was wäre passiert, wenn Hitler Facebook genutzt hätte?

Steile These oder lohnendes Gedankenexperiment?
Maik Fielitz und Holger Marcks stellen diese Überlegung, die 2019 vom britischen Komiker Sacha Baron Cohen geäußert wurde, an den Anfang ihres Buches Digitaler Faschismus. Cohen hatte seinerzeit eine Rede vor der Anti-Defamation League (ADF) gehalten, in der er diese These vertreten hat: 

"Hätte es Facebook in den 1930-er Jahren gegeben, hätte es Hitler für seine Lösung der Judenfrage werben lassen."

Fielitz und Marcks teilen diese Ansicht, weil in den letzten Jahren zu beobachten gewesen ist, wie prinzipienlos sich Facebook verhalten hat. Zuckerberg hat seit 2016 immer wiederholt, man solle vorsichtig damit sein, die Plattformen als Schiedsrichter über die Wahrheit anzusehen. Eine Sichtweise, über die man geteilter Meinung sein kann.

In acht Kapiteln schildern die Autoren, wie das Internet, das zu Beginn als Hort des Informations- und Meinungsaustauschs sowie Bereicherung für die Demokratie gesehen wurde, sich zu einem wirkungsvollen Instrument entwickelt hat, Menschen zu manipulieren. Dabei wird mit verschiedenen Methoden gearbeitet, die von der stetigen dramatischen Wiederholung von Ereignissen und dem Schüren von Panik bis zum Gaslighting reichen. Ein bekanntes Gaslighting-Beispiel ist hier die Aussage der früheren Sprecherin von Ex-US-Präsident Trump, Kellyanne Conway, die im Zusammenhang mit der angeblich riesigen Menschenmenge, die 2017 die Amtseinführung des 45. Präsidenten vor der National Mall in Washington beobachtet hat, von "alternativen Fakten" gesprochen hatte. Ihre Formulierung war der Beginn einer einzigartigen Kette von Lügen, die Trumps gesamte Amtszeit geprägt haben und die vor allem durch die Verbreitung auf Internetplattformen ihre Wirkung entfaltet haben.

Doch sieht es in Deutschland besser aus? Auch hier machen sich vor allem rechte Gruppierungen - allen voran die AfD - das Internet zunutze. Messenger-Gruppen, YouTube oder Facebook-Gruppen bieten ein breites Spektrum, um Falschnachrichten oder Halbwahrheiten, ausgestattet mit emotionalen Triggern, unter die Menschen zu bringen. Hier wird nichts auf den Wahrheitsgehalt untersucht, sondern die sog. 'Nachrichten' werden in schneller Folge verbreitet. Die immer besseren Video- und Bildbearbeitungstechniken verleihen vermeintlichen Nachrichten Glaubwürdigkeit und werden immer mehr dazu verwendet, Personen zu denunzieren, in denen ihnen Aussagen in den Mund gelegt oder Handlungen zugeschrieben werden, die sie nie gesagt bzw. getan haben.

Die Autoren sehen eine Aushöhlung der Demokratie und bemerken immer mehr Rufe nach einer Regulierung. Vorgaben müssen jedoch den "faschistischen Dynamiken im Netz entgegenwirken ohne selbst die Demokratie zu schwächen". (S. 203) Wie das gehen kann, machen Fielitz und Marcks mit ihren Vorschlägen deutlich.

Lesen?

Dass die sozialen Medien für Rechtsextreme ein beliebtes Betätigungsfeld sind, ist zunächst einmal nichts Neues mehr. Was dieses Buch allerdings lesenswert macht, ist die anschauliche Erläuterung der verschiedenen Mechanismen und Manipulationsmöglichkeiten, die das Internet für eine wirkungsvolle Meinungsmache mithilfe von Fake News bereithält. In Digitaler Faschismus wird deren ganze Palette dargestellt, sodass man als Leser wie die beiden Autoren nur zu dem Schluss kommen kann, dass hier etwas passieren und eingegriffen werden muss.

Digitaler Faschismus ist 2020 im Dudenverlag erschienen und kostet als Klappenbroschur 18 Euro sowie als E-Book 13,99 Euro.

Nachtrag: Hier gibt es weitere Informationen über das Buch, u. a. die Zusammenfassung von drei Kapiteln in Illustrationen.

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