Nach zwei Jahren Pause kommt jetzt die Fortsetzung
Rebecca Gablé hat ihre sehr bekannte und erfolgreiche Romanserie, in der sich alles um die erfundene englische Familie Waringham und die Geschichte Englands dreht, um einen fünften Band ergänzt.
Wer die vorangegangenen Bücher kennt weiß, dass der erste Roman Das Lächeln der Fortuna im Jahr 1360 ansetzt. Die nachfolgenden Bücher schließen sich zeitlich fast nahtlos an, der heute vorgestellte fünfte Teil Der Palast der Meere versetzt seine Leser zurück in die Jahre 1560 bis 1588.
Lug und Trug und jede Menge Seefahrt - das Elisabethanische Zeitalter
Im Mittelpunkt des Geschehens stehen neben Queen Elisabeth I. die jetzt erwachsenen Kinder der Waringham-Generation des vorherigen Romans Der dunkle Thron: Eleanor ist das "Auge" der Königin, ihr Bruder Francis Earl of Waringham lebt mit seiner Frau und seinen Kindern auf dem Familiensitz in Waringham und betreibt sehr erfolgreich das Gestüt, Eleanors jüngerer Brüder Isaac lebt in London bei seinem Onkel Philipp Durham, und die Jüngste, Isabella, wächst behütet in Waringham auf.
Nach den üblichen Regeln ist klar, dass Francis' Sohn Lappidot irgendwann das Gut und den Titel erben wird. Doch da kommt der Familientradition die Pest dazwischen: Der sechsjährige Lappidot erkrankt so schwer daran, dass er völlig erblindet. Somit scheidet er als Erbe aus. Francis schickt einen Boten aus, um seinen Bruder Isaac aus London aufs Land zu holen, damit der sich in den nächsten Jahren auf die ihm zugedachte Rolle vorbereiten kann. Doch Isaac verbindet mit dem idyllischen Landleben nichts weiter als Unfreiheit und stiehlt sich davon. Es zieht ihn in die Ferne, und er möchte Abenteuer erleben. Er schlägt sich nach Plymouth durch und versteckt sich als blinder Passagier auf der "Salomon", weil ihm, der von Schifffahrt nichts versteht, das Schiff als das beste im Hafen erscheint. Erst als er auf See entdeckt wird, wird ihm klar, auf wessen Schiff er geraten ist: Der Captain ist John Hawkins, der berühmt-berüchtigte Freibeuter. Isaac verschweigt seine wahre Identität und hat zunächst noch Glück, als sich Hawkins Vetter Francis Drake um ihn kümmert. Doch entgegen Isaacs erster Vermutung, dass die "Salomon" einen niederländischen oder französischen Hafen ansteuern würde, dauert ihre Fahrt zwei Monate, bis sie den Hafen von Teneriffa anläuft. Nachdem Captain Hawkins seine Geschäfte dort abgewickelt hat, verkauft er Isaac kurzerhand als Sklave an einen spanischen Zuckerrohrpflanzer. Für ihn beginnen die schrecklichsten beiden Jahre seines Lebens.
Immer schön den Schein wahren
Niemand in London oder Waringham weiß, wo sich Isaac befindet. Doch die Nachforschungen seiner Schwester Eleanor ergeben zumindest, dass er sich in Plymouth eingeschifft hat. Das untermauert das schlechte Image als schwarzes Schaf der Familie, das sich Isaac schon in der Vergangenheit erarbeitet hat.
Eleanors Leben verläuft indessen in einem Rhythmus, den die Königin vorgibt. Sie ist als ihr "Auge" nicht nur ihre Hofspionin, sondern auch seit Kindertagen ihre engste Vertraute. Ihr Privatleben kommt eine ganze Weile zu kurz, aber dann beginnt sie eine heimliche Beziehung mit Gabriel Durham, dem Londoner "König der Diebe", die sie lange Zeit geheimhalten kann.
Elisabeth I. hat jahrelang mit den Intrigen der schottischen Königin Maria Stuart zu kämpfen, die nach der Ermordung ihres zweiten Ehemanns Lord Darnley durch ihren späteren dritten Mann jeden Rückhalt in Volk und Adel verliert und schließlich 1567 abdanken muss. Doch Maria Stuart besteht darauf, dass ihr Anspruch auf den englischen Thron größer ist als der von Elisabeth I. Auch während ihrer Haft in wechselnden englischen Burgen und Schlössern versucht sie, ihren Machtanspruch mithilfe von treuen Anhängern durchzusetzen. Elisabeth I. widersteht lange Zeit dem Drängen ihrer Vertrauten, diesem Treiben ein Ende zu setzen, kann letztlich aber nicht anders, als 1857 das Todesurteil für die abgesetzte Königin zu unterschreiben.
Jede Menge Meer, Piraten und Sklaven
Dieses Buch stellt die Seefahrt und nicht mehr den Landsitz in Waringham in den Mittelpunkt. Für alle, die die ersten vier Romane*) gelesen haben, ist das sehr ungewohnt. Waringham und seine Bewohner spielen zwar immer noch eine Rolle, aber der Umstand, dass die damals regierende englische Königin den Sklavenhandel von Afrika nach Amerika gebilligt hatte und britische Piraten wie Hawkins und Drake (sowie der erfundene Charakter des Isaac Waringham) 1588 entscheidend an der Abwehr der Spanischen Armada beteiligt waren, haben die Handlung zugunsten der Freibeuter verschoben. Das tut der Spannung jedoch keinen Abbruch: Der Roman ließe sich gut "in einem Rutsch" lesen, wenn er dafür mit fast 960 Seiten nicht zu lang wäre.
Auch wenn es die Waringhams nicht gegeben hat und sie so etwas wie das Gerüst sind, an der sich die - historisch verbriefte - Handlung aufbaut, kann man sich kaum vorstellen, wie die englische Geschichte ohne ihre Unterstützung verlaufen wäre. Rebecca Gablé streut wie schon in den anderen Romanen sehr viele Figuren ein, die jedoch den Verlauf voranbringen und das Buch abrunden. Wer Schwierigkeiten hat, die zahlreichen Namen den Personen und ihren Funktionen zuzuordnen, kann hin und wieder einen Blick auf das übersichtliche Personenregister am Beginn des Buches werfen.
Ich habe schon die vorherigen Waringham-Romane verschlungen, und dieser machte keine Ausnahme. Es ist zwar schön, wenn die immer wieder auftauchenden Namen aus den ersten vier Büchern bereits bekannt sind, es ist aber nicht nötig, um dem neuesten Band folgen zu können.
Hätte ich Der Palast der Meere nicht als Rezensionsexemplar von blogg dein buch zur Verfügung gestellt bekommen, hätte ich es mir auf jeden Fall gekauft.
Die Daten zum Buch:
Rebecca Gablé, Der Palast der Meere, (C) 2015 by Bastei Lübbe AG, Bastei Lübbe , ISBN 978-3-431-03926-9
*) Die Titel der ersten vier Bücher der Waringham-Saga lauten
Band 1: Das Lächeln der Fortuna (1360 - 1399)
Band 2: Die Hüter der Rose (1413 - 1442)
Band 3: Das Spiel der Könige (1455 - 1485)
Band 4: Der dunkle Thron (1529 - 1553)
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