Freitag, 8. November 2019

# 218 - Gibt es eine stärkere Liebe als die zum ... Schach?


Man kann sich über diese Überschrift wundern, denn würden wir auf die Frage, wen oder was wir am meisten lieben, nicht fast alle den Namen unseres Partners oder unserer Partnerin, unserer Kinder oder vielleicht auch einer Gegend, die uns besonders am Herzen liegt, nennen?

Ja, das würden sicher sehr viele Menschen tun. Bei Sebastian Raedler dürfen nach dem Lesen seines Buches Schachfieber - Von der Liebe zu einem unmöglichen Spiel hier allerdings Zweifel angemeldet werden. Er ist nicht nur ein Fan, sondern süchtig.

Raedler hat nicht die typische "Karriere" der meisten begeisterten Schachspieler hinter sich, die schon im Kindes- oder Jugendalter ihre ersten Züge auf dem Brett gemacht haben. Der Anstoß, sich einem der ältesten Spiele der Welt zuzuwenden, war die Langeweile, die er auf seinen Geschäftsreisen während der Wartezeiten in Bahnhöfen oder Flughäfen empfand. Hier geschah der Einstieg ins Onlineschach, hier begann seine Sucht nach dem Schachspiel.

Raedler beobachtet sich selbst und entdeckt, dass das Schachspiel für ihn nicht nur eine immer neue Herausforderung, sondern auch eine Zuflucht in den Zeiten ist, in denen er beruflich stark beansprucht wird. Er erklärt auch, was den grundlegenden Unterschied zwischen diesem und allen anderen Spielen ausmacht. Während man bei einer Niederlage sonst zu einem gewissen Anteil das Glück des Gegners für das eigene Scheitern verantwortlich machen kann, verfängt dieses Argument hier nicht: Beim Schach werden dem Spieler nach jedem Misserfolg die eigenen intellektuellen Schwächen unbarmherzig vor Augen geführt. Das hält nicht jeder aus; Raedler verweist auf prominente Beispiele von Spielern, die extensives Schachspielen an den Rand des Wahnsinns geführt hat - oder auch darüber hinaus.

Der Autor ist Finanzanalyst und weiß den hohen analytischen Anspruch des Schachspiels sehr zu schätzen. Das trifft auch auf das Blitzschach zu, dem Raedler fast schon obzessiv verfallen ist und das ihn schon mehrmals in absurde Situationen gebracht hat.

Schachfieber - Von der Liebe zu einem unmöglichen Spiel kann von jedem gelesen werden; ob und wie gut man das Spiel beherrscht, spielt grundsätzlich keine Rolle. Raedler verweist für alle, die sich näher für Spielstrategien interessieren, auf spannende und anspruchsvolle Partien. Diese mangels Kenntnissen nicht nachvollziehen zu können, tut dem Lesespaß keinen Abbruch. Raedlers Enthusiasmus lädt auch Nicht-Schachspieler dazu ein, sich für dieses Spiel zu interessieren.

Einen Eindruck vom Buch und seinem Autor gibt ein Interview, das kurz nach dem Erscheinen des Titels im Radioprogramm des rbb ausgestrahlt wurde.

Schachfieber - Von der Liebe zu einem unmöglichen Spiel ist im Oktober 2019 im mairisch Verlag erschienen und kostet 12 Euro.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen