Die württembergische Königin Olga wurde 1822 geboren und war das dritte Kind von Zar Nikolaus I. und seiner Frau, der Zarin Alexandra Fjodorowna. Sie wuchs behütet und sorgenfrei im Kreis ihrer Familie auf, was auch daran lag, dass die Ehe ihrer Eltern nicht arrangiert worden war, sondern aus Liebe geschlossen wurde. Das war für den Adel der damaligen Zeit ungewöhnlich, doch Nikolaus und Alexandra ließen ihren sieben Kindern bei der Wahl ihrer Partner oder Partnerinnen freie Hand.
Olga verliebte sich in den Kronprinzen Karl von Württemberg, und die beiden heirateten 1846 in St. Petersburg. Damit war Olga für damalige Verhältnisse ein "spätes Mädchen". Sie wünschte sich immer eine große Familie und war vom ambivalenten Verhalten ihres Mannes sehr irritiert: Tagsüber kümmerte er sich vorbildlich um seine Frau und zeigte ihr seine Verehrung und Liebe - doch am späten Abend brachte er Olga bis zur Tür ihres Schlafgemachs und verabschiedete sich dann von ihr.
Doch der Tag kam, an dem er seiner Frau gestand, dass er zwar starke Gefühle für sie habe, er sexuell sich aber nur zu Männern hingezogen fühlt. Olgas Traum, Mutter vieler Kinder zu werden, zerplatzte. Doch sie bewies Größe: Karl sollte seine Beziehungen zu Männern zwar ausleben, dies sollte aber diskret geschehen, um keinen Skandal heraufzubeschwören.
Olga hat sich als Königin von Württemberg um mehrere karitative Einrichtungen gekümmert, was sie sehr beliebt gemacht hat. Ihr lagen besonders die Bildung von Mädchen sowie die Unterstützung von behinderten oder im Krieg verwundeten Menschen am Herzen. Auf ihr Engagement gehen auch die Einrichtung einer Krankenpflegeschule und die Versorgung der einhundert Ortschaften auf der Schwäbischen Alb mit Wasser zurück.
Ihr Kinderwunsch sollte sich dann doch noch erfüllen - auf eine andere Weise, als sich Olga das vorgestellt hatte. Die Freude darüber wurde später von einer großen Illoyalität ihres Mannes überschattet, der dafür teuer bezahlen musste.
Lesen?
Königin Olga - Die Zarentochter auf dem württembergischen Thron ist ein interessantes Buch, das durch die eingestreuten persönlichen Erinnerungen Olgas sehr authentisch ist. Diese Aufzeichnungen sind zwischen April und Oktober 1892 entstanden, als Königin Olga spürte, das ihr nicht mehr viel Zeit bleiben würde.
Antje Windgassen hat sich fast durchgehend an die zeitliche Abfolge der Ereignisse gehalten, sodass man nicht nur viel über die deutsche, sondern auch die europäische Geschichte erfährt. Sie streift beispielsweise die Hungersnöte, die zur massenhaften Auswanderung von Württembergern führten, ebenso wie das "Jahr ohne Sommer": Durch einen Vulkanausbruch auf einer indonesischen Insel im Jahr 1815 sanken die Temperaturen ein Jahr später in Teilen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz so dramatisch, dass noch im Mai 1816 die Brunnen zufroren und ab Juni so viel Regen fiel, dass das Getreide verfaulte. Viele Menschen starben; wer konnte, floh.
Wenn man Kritik am Buch üben wollte, dann die, dass es nicht den geringsten Makel an Olgas Charakter gegeben zu haben scheint. Auch die Stellung der Adelshäuser wirkt etwas entrückt, das gemeine Volk ist oft nur eine Randerscheinung. Der Verlag beschreibt den Titel jedoch als Romanbiografie, sodass man nicht den Rundumblick eines Sachbuchs erwarten sollte.
Die teilweise sehr ähnlichen Namen der Angehörigen des Adels und ihre Verwandtschaftsbeziehungen sind verwirrend, aber das am Ende des Buches angefügte Personenverzeichnis hilft bei der Orientierung. Ein Glossar erklärt außerdem Begriffe, die für uns nicht (mehr) alltäglich sind.
Antje Windgassens flüssiger Schreibstil sorgt für etliche Stunden Lesevergnügen, weshalb ich dieses Buch empfehlen kann.
Königin Olga - Die Zarentochter auf dem württembergischen Thron ist 2021 im Südverlag erschienen und kostet als gebundenes Buch 22 Euro.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen