Der bekannte und wohlhabende Seidenfabrikant Sahei Inugami hat sowohl sein Unternehmen als auch seine Familie streng patriarchalisch geführt. 1945 stirbt der 81-Jährige in seinem Anwesen am Nasu-See im Kreis seiner Familie. Nur sein Anwalt Kyozo Furudate ahnt, dass mit dem letzten Atemzug des alten Mannes keine guten Zeiten anbrechen. Furudates ungutes Gefühl soll sich in Der Inugami-Fluch des japanischen Krimi-Autors Seishi Yokomizo bewahrheiten. Das Buch ist der vierte Band einer Reihe um den unkonventionellen, aber erfolgreichen Privatdetektiv Kosuke Kindaichi.
Kindaichi wird von einem Mitarbeiter Furudates gebeten, unverzüglich an den Nasu-See zu kommen. Jemand hat unbefugt Inugamis Testament gelesen, der Detektiv soll nun das Schlimmste verhindern. Doch Kindaichi lernt den Mitarbeiter nicht mehr kennen, weil dieser vergiftet wird. Kindaichis Interesse ist geweckt. Mit Erlaubnis der Familie nimmt er an der Testamentseröffnung teil und erlebt hautnah das Entsetzen der Angehörigen: Das Testament des Verstorbenen sieht vor, dass nicht etwa Inugamis drei Töchter oder seine Enkelkinder bedacht werden sollen, sondern die junge und sehr schöne Tamayo Nonomiya das Vermögen erbt. Tamayo ist allerdings kein Familienmitglied, sondern die Enkelin eines Priesters. Dieser kümmerte sich um den damals 17-jährigen Waisen Inugami und hat ihn sein ganzes Leben lang unterstützt.
Tamayos Erbschaft ist jedoch an eine Bedingung geknüpft: Sie muss innerhalb von drei Monaten einen der Enkelsöhne heiraten. Tut sie es nicht, verfällt ihr Anspruch. Als Nacherbe hat Inugami einen unehelichen Sohn benannt, der seit langer Zeit als verschollen gilt und von der Familie totgeschwiegen wird. Die Erbkonstellation setzt eine Mordserie in Gang, bei der die Toten in bizarren Situationen aufgefunden werden.
Privatermittler Kindaichi findet sich bei seinen Nachforschungen in einem Geflecht von Intrigen, Lügen, heimlichen Liebschaften und enttäuschten Hoffnungen wieder, das er entwirren muss, um herauszufinden, wer für die Morde verantwortlich ist.
Lesen?
Vor mehr als zwei Jahren habe ich hier den ersten Band der 77-teiligen Krimiserie um den Detektiv Kosuke Kindaichi Die rätselhaften Honjin-Morde vorgestellt. Der Autor Seishi Yokomizo ist bereits seit über vierzig Jahren verstorben, seine Bücher sind in Japan jedoch noch immer populär. Sie bieten einen Einblick in frühere Gepflogenheiten des Landes, an die sich heute nur wenige Menschen erinnern. Bei Yokomizo wird nicht nur gemordet, um jemanden aus dem Weg zu schaffen; es wird gemordet, um mit viel Symbolik und Anspielungen auf Landes- oder Familientraditionen Botschaften zu vermitteln. Das trägt wesentlich zur etwas mystischen Atmosphäre des Krimis bei.
Unübersehbar ist die Beurteilung von Frauen: Yokomizos männliche Figuren beurteilen ihren Wert vor allem nach ihrem Aussehen und ihrer Zugewandtheit. Es wird deutlich, dass Frauen unterhalb von Männern stehen. Diese Sichtweise besteht in der japanischen Gesellschaft seit dem 6. Jahrhundert, als der Konfuzianismus begann, sich im Land auszubreiten. Der Inugami-Fluch ist also nicht nur die Geschichte eines Kriminalfalls, sondern auch ein Blick in eine uns fremde Kultur in einer zurückliegenden Zeit.
Der Inugami-Fluch wurde 1951 im japanischen Original erstmals unter dem Titel Die Familie Inugami veröffentlicht. Der von Ursula Gräfe ins Deutsche übersetzte Krimi erschien 2025 bei Blumenbar, einem Imprint des Aufbau-Verlags. Das Buch (Hardcover) kostet 24 Euro, als E-Book 14,99 Euro.
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