Sommer, Sonne ... Reisen!
Diesmal geht es um zwei Bücher, die gemeinsam haben, dass sie von Männern geschrieben wurden, die auf einer mehrmonatigen Reise zusammen mit ihren Partnerinnen viel von der Welt gesehen haben. Da hören die Übereinstimmungen allerdings auf. Aber lest selbst.
Drei Kontinente in sieben Monaten
Der Journalist Torsten Johannknecht hat mit Die Welt von oben sein erstes Buch veröffentlicht. Mit Ausnahme der ersten sechs Wochen reist er zusammen mit seiner Freundin Bärbel um den Globus. Dabei sind ständig besonders zwei Hindernisse zu bewältigen: Bärbel gehört zu den Optimierern und Man-muss-alles-super-planen-Menschen, was dem gern vor sich hin dümpelnden Johannknecht immer wieder ziemlich auf die Nerven geht. Und: seine Körpergröße. 205 Zentimeter bei Schuhgröße 52 haben durchaus ihre Nachteile. Das beginnt bei der Bettenlänge und hört bei der vor Ort üblichen Raumhöhe noch lange nicht auf.
So manches Mal muss er im Geiste mehrmals über seinen Schatten springen, um die Herausforderungen dieser Reise zu bewältigen. So isst er zum Beispiel im peruanischen Urwald nahe Iquitos widerstrebend einen lebenden Wurm, den einer der Guides aus einer Art Nuss gezogen hat. In Ushuaia (Argentinien), der südlichsten Stadt der Welt, haben Johannknecht und seine Freundin bereits vorab eine Off-Road-Tour gebucht, ohne so ganz genau zu wissen, was sie erwarten wird. Und diese Tour hat es in sich: Die Warnung des Fahrers vor dem launischen Wetter soll sich schon nach wenigen Minuten bewahrheiten, als es anfängt, zu schneien. Doch der größte Aufreger dieser Fahrt soll noch kommen, als sie erkennen, dass man nicht nur neben dem Grenzsee Lago Fagnano fahren kann...
Im bolivianischen La Paz geht das Paar zum Frauen-Wrestling ("Cholitas Wrestling"), um etwas Ausgefallenes zu erleben. Das ist es dann auch: Johannknecht sticht aus der Menge dermaßen heraus, dass er aufgefordert wird, mit einer der 1,50 Meter kleinen Wrestlerinnen zu "kämpfen". Als er genügend Kämpfe "verloren" hat, muss er vor der Frau niederknien - und überragt sie immer noch, was alle in der Halle brüllend komisch finden.
Außer Südamerika bereisen die beiden noch Neuseeland, Australien, Fidschi und Asien (China und Hongkong) und sind, weil sie fast immer in Hostels wohnen, mitten im Geschehen - was spannend ist, weil man mehr erlebt, aber auch anstrengend sein kann, wenn Städte völlig überfüllt sind und sich die Menschenmengen nur noch vorwärts schieben (Hongkong und Jakarta).
Ganz klar: Auch die typischen Touristen-Hot-Spots dürfen nicht fehlen, wenn man denn schon mal in der Nähe ist: Hobbiton bei Matamata (Neuseeland), die Kulisse von ... ja, genau: der Hobbit-Trilogie.
Natürlich musste der Autor auch sich und der Nachwelt beweisen, dass er zu Großem auf dem Gebiet des Fischfangs berufen ist. Mit diesem Beweisfoto sind auch die letzten Zweifel ausgeräumt: Johannknecht präsentiert einen von ihm auf dem Amazonas in Peru mit der Hand gefangenen Piranha. Die anderen Piranhas sind danach vermutlich verängstigt geflohen, denn es blieb bei diesem einen:
Wie war's?
Johannknecht hat mit Die Welt von oben ein sehr unterhaltsames Buch geschrieben, das aber nicht als Reiseführer betrachtet werden sollte. Es liest sich so, als würde man mit ihm in einer Bar sitzen und jemand würde sagen: "Mensch, Torsten, erzähl doch mal von eurer Reise!" Schön ist, dass er nichts auslässt, sondern offen auch über die Schwächen seiner Reise schreibt, angefangen von der schlechten Unterkunft, nervtötenden anderen Touristen bis hin zur kurzzeitigen Beziehungskrise mit Bärbel. Während die eine oder andere Station etwas zu kurz kommt (Titicacasee), schildert er emotional einen der für ihn schönsten Momente auf einem Hügel in Patagonien mit Ausblick auf einen Gletscher. Das, was allerdings irgendwann ein bisschen ermüdend wirkt, ist der sich etliche Male wiederholende Hinweis auf seine außergewöhnliche Körpergröße. Das lässt sich aber angesichts des guten Gesamteindrucks vernachlässigen.
Die Welt von oben ist im Juni 2018 beim Goldmann Verlag erschienen und kostet als Klappenbroschur 12,-- Euro. Das Buch sowie die Fotos wurden mir von der Agentur Literaturtest zur Verfügung gestellt, wofür ich mich herzlich bedanke.
Das zweite Buch: eine Reise zu den Alten der Welt
Das Buch des Lebens - Eine Reise zu den Ältesten der Welt von Andrew Jackson ist so etwas wie das Kontrastprogramm zum vorherigen Titel. Dieses Buch ist bereits 2000 in der deutschen Erstausgabe erschienen, und Jackson hat für die zweijährige Reise, die ihn und seine Frau Vanella auf alle Kontinente geführt hat, einen Top-Job in der Werbebranche aufgegeben. Das Paar hatte sich vorgenommen, sehr alte Menschen in der ganzen Welt zu finden und mit ihnen über ihr Leben und das Alter zu sprechen. Dabei geht es nicht um die ältesten Menschen im Sinne eines Superlativs; die beiden sind an ihren Zielorten direkt auf die Suche nach sehr betagten Senioren gegangen und durchweg auf offene Persönlichkeiten gestoßen, die bereit waren, mit den Fremden auch sehr private Dinge zu teilen. Und tatsächlich unterscheiden sich die Sichtweisen der einzelnen Senioren auf das, was im Leben wichtig ist und war. Das ist sicherlich nicht nur auf das Heimatland, sondern auch auf die persönlichen Erfahrungen und die Werte, die innerhalb einer Gesellschaft eine Rolle spielen, zurückzuführen. Das Paar trifft zum Beispiel auf einen balinesischen Brahmanen, der sich vor ihnen die Schneidezähne feilt, oder auf einen 102-jährigen Inder, der immer noch zu den Top-Kricketspielern der Welt gehört. Manche dieser Alten sind eher still und leise, andere nutzen ihre letzte Lebensphase, um das auszuleben, was sie sich bislang verkniffen haben. Zu den bemerkenswertesten Gesprächen gehörte für Jackson das mit Sir Mark Oliphant, einem 2000 im Alter von fast 99 Jahren verstorbenen Physiker und Politiker. Es geht darin um die Frage, warum die australische Regierung trotz der günstigen Bedingungen nicht auf Solarenergie umgestellt hat. Seine Antwort: "Weil eine Regierung wie die Industrie funktioniert. Wenn etwas nicht schon morgen Profit abwirft, ist es uninteressant. Jede Art von langfristigem Ansatz ist heute praktisch allen Regierungen ein Greuel." Daran hat sich bis heute, fast 20 Jahre nach diesem Interview, nichts geändert.
Aber es geht in Jacksons Buch auch um Privates. Er schildert, wie Vanella wegen einer Darmerkrankung, die sie schon seit ihrer Kindheit begleitet, in Caracas fast daran verstirbt. Die Not, in der sich die beiden dort befinden, ist praktisch mit Händen zu greifen. Am Ende der Reise weiß er, was für sein eigenes Leben wichtig ist. Mir hat dieses Buch so gut gefallen, dass ich es zweimal gelesen habe.
Das Buch des Lebens - Eine Reise zu den Ältesten der Welt ist in der National Geographic-Reihe bei Frederking & Thaler erschienen und kostete in der mir vorliegenden 2. Auflage von 2003 12,-- Euro. Es ist heute nur noch antiquarisch zu bekommen, was aber auf den hierfür bekannten Internetseiten kein Problem ist.
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