März. In Deutschland gelten etwa 16 Prozent der Erwachsenen als schwerhörig, bei den über 70-Jährigen ist es sogar die Hälfte. Merkwürdig ist allerdings, dass Menschen geringe Probleme damit haben, eine Fehlsichtigkeit einzugestehen und eine Brille oder Kontaktlinsen zu tragen. Geht es aber um ein vermindertes Hörvermögen, wird heftig abgewehrt: "Ich und schwerhörig? Ich bin doch noch nicht alt!" Schwerhörigkeit ist aber nicht unbedingt eine Frage des Alters: Sie kommt bereits bei Säuglingen vor und kann die verschiedensten Ursachen haben.
Auch Thomas Sünder hat sein Hörproblem jahrelang verharmlost: Er war früher ein erfolgreicher und gefragter DJ, der nach einem Hörsturz eine so deutliche Reduzierung seines Hörvermögens erlitt, dass eines seiner Ohren mit einem Hörgerät versorgt werden musste. Den ärztlichen Rat, in Zukunft Hör-Risiken zu vermeiden und sich beruflich neu zu orientieren, ignorierte er. Das rächte sich: Einige Jahre nach dem Hörsturz brach er während einer Party, bei der er aufgelegt hatte, mit starkem Schwindel und Übelkeit hinter dem Mischpult zusammen und verbrachte mehrere Tage im Krankenhaus. Die Diagnose Morbus Menière, eine Erkrankung des Innenohrs, die mit Hörverlust und Tinnitus einhergeht, bedeutete das endgültige Aus für seine Selbstständigkeit als DJ.
Aber Sünder ist mit seinen Fragen und Problemen nicht allein. Über Jahre hinweg steht ihm sein Freund, der Mediziner und Psychologe Dr. Andreas Borta, mit Ratschlägen und Erläuterungen immer dann zur Seite, wenn sich Sünder bei den Ärzten, auf die er trifft, weniger gut aufgehoben fühlt.
Diese sehr persönliche Geschichte der beiden Männer wird in ihrem gemeinsamen Buch Ganz Ohr - Alles über unser Gehör und wie es uns geistig fit hält von allem, was es zum Thema Hören Wissenswertes gibt, eingerahmt. Der Leser erfährt nicht nur, warum zum Zeitpunkt des Urknalls nichts zu hören war, sondern auch, was es mit dem Satz "Dass Sie diese Zeilen lesen können, verdanken Sie Ihren Ohren" auf sich hat. Es geht außerdem um den Zusammenhang zwischen einer verminderten Hörfähigkeit und dem Risiko einer Demenz (ohne Hörgeräte um 400 Prozent erhöht), der motorischen Probleme von Schwerhörigen und der Frage, wie sinnvoll das Tragen von Hörgeräten bei einer Schwerhörigkeit ist und worauf man bei der Wahl des passenden Geräts achten sollte.
Für diejenigen, die zu eitel sind, um Hörgeräte zu benutzen, sei ganz plakativ gesagt: Eine ignorierte Schwerhörigkeit fördert signifikant eine Demenz und führt zu sozialer Isolation. Die Fähigkeit, zu hören und damit auch, zu verstehen, ist der Schlüssel für eine funktionierende soziale Interaktion.
Das Buch ist nicht nur für diejenigen zu empfehlen, die sich bislang um ihre Schwerhörigkeit herumgedrückt oder sich ihre Situation schön geredet haben, sondern wendet sich auch an Leser, die sich umfassend über das Hören informieren wollen. Die beiden Autoren sorgen mit ihrem flüssigen und lockeren Schreibstil dafür, dass es nicht langweilig wird und auch komplexere Zusammenhänge gut verständlich sind.
Zum Buchtrailer geht es hier:
Und die Aktionsseite zum Welttag des Hörens ist hier.
Ganz Ohr - Alles über unser Gehör und wie es uns geistig fit hält ist bei Goldmann erschienen und kostet als Taschenbuch 14 Euro sowie als epub- oder Kindle-Ausgabe 11,99 Euro.
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