Freitag, 28. Februar 2020

# 231 - Das Leben der Gräfin: eine Biografie über eine der einflussreichsten Journalistinnen Deutschlands


Marion Gräfin Dönhoff war lange Jahre Herausgeberin und Chefredakteurin der Wochenzeitung DIE ZEIT und eine einflussreiche Publizistin, die mit den Mächtigsten ihrer Zeit Kontakt hatte und mit vielen von ihnen befreundet war. Gleichzeitig wurde ihre eine etwas unterkühlte Aura nachgesagt. Die Herausgeberin der Frauenzeitschrift EMMA, Alice Schwarzer, hat noch zu Lebzeiten Dönhoffs eine Biografie über sie geschrieben: Marion Dönhoff - ein widerständiges Leben.

Marion Dönhoff wurde 1909 als jüngstes von sieben Kindern auf Schloss Friedrichstein in der Nähe von Königsberg geboren. Entgegen der damals üblichen Gepflogenheiten bestand sie darauf, das Gymnasium zu besuchen - als einziges Mädchen. So durchsetzungsstark, wie ihr Leben begonnen hatte, sollte es auch weitergehen. Alice Schwarzer hat im Laufe eines Jahres in zahlreichen Gesprächen mit Dönhoff sowie deren Angehörigen und Freunden viele kleine Puzzlestücke zusammengetragen, die sich in diesem Buch zu einem Bild zusammenfügen.

Die Biografie zeigt, unter welchen Umständen Marion Dönhoff die Zeit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und den 2. Weltkrieg in Ostpreußen erlebt hat. Schwarzer schildert, dass es da einen kurzen Moment in Dönhoffs Leben gab, in dem dieser die Vorstellung, Sozialismus und Nationalismus miteinander zu verbinden, attraktiv erschien. Sie erlebte Adolf Hitler dann, als er in einer Schule eine Rede hielt:
"Er trat auf, tobte, geiferte und redete, wie ich fand, viel Unsinn. Angewidert kam ich zurück und erklärte (..): 'Ohne mich! Mit denen nie!'"
In dieser Zeit beobachtet sie, dass nur wenige Menschen wussten, was eine Demokratie ausmacht: "Alle hatten nur noch einen Wunsch: den starken Mann am Ruder zu sehen."

Unter abenteuerlichen Umständen musste Marion Dönhoff im Januar 1945 Ostpreußen in Richtung Westen verlassen. 1.200 Kilometer legte sie in klirrender Kälte auf ihrem Pferd zurück, bevor sie in Westfalen ankam. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie nicht nur ihre Heimat, sondern auch eine ganze Reihe Menschen verloren, die ihr wichtig waren: Ihr Bruder und ihre Neffen waren im Krieg gefallen, mehrere Freunde wurden als Verschwörer im Zusammenhang mit dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 hingerichtet. Dönhoff hatte sie unterstützt und es nur ihrem Glück zu verdanken, nicht selbst verhaftet worden zu sein. Die Witwen der Hingerichteten erhielten einige Tage später eine Rechnung über die 'Gebühr für die Todesstrafe' und die 'Kosten der Vollstreckung'. Die vielen schlimmen und existenziellen Erfahrungen hatten das Wesen von Dönhoff verändert, sie war hart geworden.

Alice Schwarzer beschreibt den Weg Marion Dönhoffs nach Hamburg in die Redaktion der ZEIT. Dönhoff berichtet über die Nürnberger Prozesse, die Demontage der Industriebetriebe und den Grund, der sie dazu veranlasste, sich kurzzeitig von der ZEIT abzuwenden: Einer der Mitbegründer und Chefredakteur der Wochenzeitung, Richard Tüngel, fand nichts dabei, dass der Staatsrechtler Carl Schmitt, ein seit 1933 aktives Mitglied der NSDAP, dort Artikel schrieb. Hier wird erneut ihr starke Abneigung gegen den Nationalsozialismus deutlich, der sie ihr ganze Leben lang schreibend Ausdruck gegeben hat.

Man wundert sich zunächst etwas, dass einer bekannten Feministin wie Alice Schwarzer so viel daran lag, sich biografisch einem Menschen wie Marion Dönhoff zuzuwenden, die vom Feminismus nie viel gehalten hat. Im zweiten Teil des Buches findet man ein Interview aus dem Jahr 1995, in dem Schwarzer ihre eigene Verwunderung darüber formuliert hat:
"Es sieht so aus, als würde unser Buch bald erscheinen. Meinen Sie nicht, dass einige Leute erstaunt gucken werden, wenn unserer beider Namen auf einem Buchdeckel stehen?" - Antwort Dönhoff: "Sicher ist das so. Aber das ist mir wurscht." 

Wer Marion Dönhoff - ein widerständiges Leben gelesen hat, erfährt nicht nur viel über die 2002 verstorbene Journalistin, sondern bekommt einen tiefen Blick in die deutsche Geschichte. Das Buch wird zum Schluss durch eine Auswahl an von Dönhoff zwischen 1950 und 1995 für die ZEIT verfassten Artikeln abgerundet, in denen sich sehr deutlich erkennen lässt, welche Themen sie bewegt haben.

Marion Dönhoff - ein widerständiges Leben hat mir als vom Verlag Kiepenheuer & Witsch herausgegebenes E-Book vorgelegen. Der Titel wurde zuerst 1996 und dann erneut 2017 veröffentlicht. Das E-Book ist für 9,99 Euro erhältlich, das gebundene Buch kostet 17,95 Euro und das Taschenbuch 9,99 Euro.

1 Kommentar:

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