Freitag, 13. November 2020

# 265 - Ein heißes Eisen: Impfgegner, Alternativmedizin und Gesundheitspolitik

Die Journalistin Beate Frenkel, die als Redakteurin für das politische ZDF-Fernsehmagazin Frontal21 arbeitet, hat mit Pillen, Heiler, Globuli ein Buch herausgegeben, in dem sie sich intensiv mit der sog. Alternativmedizin sowie deren Verbreitung und Vermarktung beschäftigt.

Anhand zahlreicher Beispiele schildert sie, wie sehr selbsternannte Heiler die Verzweiflung von Menschen ausnutzen, die für sich oder Angehörige eine Möglichkeit suchen, eine Krankheit zu überwinden. 

Frenkel schreibt auch über Impfgegner, die Impfungen generell ablehnen und dabei nicht nur gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse ignorieren, sondern auch das Risiko in Kauf nehmen, dass sich Menschen, die (noch) nicht geimpft werden können, anstecken und im schlechten Fall lebenslang unter den Krankheitsfolgen leiden oder sogar an ihnen versterben. Es kommen zahlreiche Fachleute zu Wort, darunter zum Beispiel auch die Psychologin und Gesundheitswissenschaftlerin Prof. Dr. Cornelia Betsch. Sie hat Diskussionen mit Impfverweigerern mittlerweile aufgegeben, weil diese "Cherry-Picking" betreiben: Studien, die die eigene These stützen, werden als glaubwürdig eingestuft; Studien, die der eigenen Anschauung widersprechen, werden entweder als gefälscht oder gekauft abgetan oder nicht zur Kenntnis genommen. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema findet jedoch nicht statt.

Frenkel schreibt über Ärzte, die auf Wunsch ihrer Patienten Impfungen bescheinigen, die nie stattgefunden haben. Ein Kinderarzt bietet sogar die Ausstellung von Impfunfähigkeitsbescheinigungen an, nachdem ihm ein frankierter Rückumschlag und in Silberpapier einegschlagene zehn Euro gesendet wurden. Es ist für ihn nicht nötig, das jeweilige Kind zu kennen. Nach Ansicht desselben Arztes werden auch die Folgen einer Masernerkrankung völlig überschätzt, die man gut mit Einläufen, einer guten mental-physichen Führung und Homöopathie heilen könne.

Wenn es überhaupt Aktivitäten der Ärztekammern gegen solche Mediziner gibt, werden sie halbherzig angegangen und verlaufen häufig im Sande. Den Medizinlobbyisten ist das Thema zu heikel, als dass sie sich daran die Finger verbrennen wollen. Auch die Krankenkassen ziehen keine Konsequenzen, wenn auch aus anderen Gründen.

Frenkel geht auch auf die Wirksamkeit des "Wundermittels" Chlorbleiche ein, das spätestens seit Donald Trumps Auslassungen hierzu im Zusammenhang mit der Covid 19-Pandemie eine größere Bekanntheit erlangte. Im alternativmedizinischen Bereich wird die ätzende Flüssigkeit u. a. für Einläufe bei autistischen Kindern empfohlen. Einen positiven Effekt hat sie definitiv nicht, dennoch wird mit ihrem und dem Verkauf von Büchern, in dem die Anwendung beschrieben wird, Kasse gemacht.

Die Grenzen zwischen alternativer und Schulmedizin sind häufig nicht klar auszumachen. Frenkel berichtet, welche Menschen sich typischerweise in besonders starkem Maß gegen das Impfen und für alternative Methoden aussprechen und was ihrer Meinung nach passieren muss, damit Schaden von Patienten abgewendet wird, die den Versprechen der Heiler glauben. Auch zu der Wirkung der Covid 19-Pandemie auf diese Entwicklung nimmt sie Stellung.

Lesen?

Wer sich umfassend über die Kluft zwischen der Schul- und der Alternativmedizin informieren möchte, ist mit diesem Buch gut beraten. Lesern, die sich ohnehin schon mit dieser Thematik befasst haben, wird das eine oder andere bekannt vorkommen. Frenkel stellt jedoch in ihrem Buch ihre große Sachkenntnis unter Beweis, für die sie bereits 2019 für ihre Frontal21-Dokumentation "Pillen, Pulver, Wunderheiler – Das Geschäft mit der Alternativmedizin" den expopharm-Medienpreis erhalten hatte.

Pillen, Heiler, Globuli ist 2020 im Hirzel-Verlag erschienen und kostet als Klappenbroschur 18 Euro. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen