Das Ehepaar Claudia und Simone Paganini hat sich in seinem Buch Von wegen Heilige Nacht! der Weihnachtsgeschichte angenommen und untersucht Schritt für Schritt in 17 Kapiteln, wie viel Wahrheit eigentlich in ihr steckt. Das tut es unter Heranziehung zahlreicher religiöser Quellen und historischer Zusammenhänge sowie mit einer profunden Sachkenntnis. Kein Wunder: Beide sind promovierte Theologen; Simone Paganini ist Professor für Biblische Theologie an der RWTH Aachen, Claudia Paganini ist am Institut für christliche Philosophie an der Universität Innsbruck tätig.
Die zentrale Erkenntnis: Fast alles, was uns die Bibel in der Weihnachtsgeschichte, ist falsch oder zumindest sehr wahrscheinlich falsch. Dahinter steckt nicht unbedingt die Absicht, der Nachwelt ein für die Christen identitätsstiftendes Märchen aufzutischen, sondern oft ein Effekt, der sich bis in unsere Zeit erhalten hat: Versteht man einen Sachverhalt nicht zu 100 Prozent, wird er mit inhaltlicher Füllmasse ein bisschen aufgehübscht. Aber auch eine politische Absicht dürfte hin und wieder der Grund dafür gewesen sein, dass man sich die biblischen Geschehnisse etwas zurechtgebogen hat. Oft dürften auch Übersetzungsfehler eine Rolle gespielt haben. Und ein bisschen zusätzliches Drama kann ohnehin nicht schaden.
Ist der 24. Dezember tatsächlich der Tag, an dem Jesus geboren wurde? War es tatsächlich bitter kalt? Ist es plausibel, dass die heilige Familie auf der Suche nach einer Unterkunft überall abgewiesen wurde und deshalb das Jesuskind in eine Krippe gelegt werden musste, kritisch beäugt von Ochs und Esel? Waren Maria und Josef arm? Wurde Jesus wirklich in Bethlehem geboren? Es reiht sich Frage an Frage, und jede wird ausführlich und gut nachvollziehbar beantwortet.
Claudia und Simone Paganini haben mit ihrem Buch nicht vor, jemandem mit ihren Erläuterungen in religiöser Hinsicht zu nahe zu treten. Sie degradieren die Weihnachtsgeschichte auch nicht zu einem Märchen, in dem die gesamte Handlung der Phantasie entspringt: Das Lukasevangelium bedient sich bei Jesus' Biographie schriftlicher Quellen sowie Berichten von Augenzeugen, außerdem wird auf einen chronologischen Aufbau Wert gelegt. Die Geschichte von Jesus' Geburt wurde allerdings bis zum Beginn des 2. Jahrhunderts mündlich weitergegeben und erst dann schriftlich niedergelegt. Wenn man die Weihnachtsgeschichte und ihren eigentlichen Zweck verstehen will, geht das nicht ohne den Blick auf die Zeit vor etwa 2.000 Jahren: Die Menschen erwarteten eine religiöse Unterstützung und die Bestätigung, dass sich ihr Gott für sie interessiert und es sich bei Jesus' Geburt um ein wichtiges Ereignis gehandelt hat. Es ging damals um Hoffnung und Zuversicht, nicht aber unbedingt um Rationalität. Denn: Die Adressaten der Weihnachtsgeschichte waren nicht wir Menschen des 21. Jahrhunderts.
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