Delia Owens hat mit ihrem Roman Der Gesang der Flusskrebse 2019 einen Bestseller veröffentlicht, der seinen großen Erfolg verdient hat. Die Hauptperson Catherine Clark, die von allen Kya genannt wird, lebt mit ihren Eltern und vier Geschwistern im Marschland an der Küste von North Carolina, in der Nähe der beschaulichen fiktiven Küstenstadt Barkley Cove. Ihr Lebensweg ist mehr als ungewöhnlich.
Ihr Weggang lässt die Familie förmlich erodieren: Innerhalb weniger Tage verlassen die drei ältesten Geschwister ebenfalls ihr Zuhause – wie die Mutter ohne ein Wort. Zum Schluss geht auch Jodie, der Bruder, der Kya immer am nächsten stand. Er bittet seine Schwester um Verständnis, aber sie fragt sich, warum sie von allen alleingelassen wird und sie niemand mitnimmt. Sie fühlt sich zum ersten Mal völlig verlassen.
Allein mit ihrem Vater versucht Kya, ihm möglichst aus dem Weg zu gehen. Oft kommt er tagelang nicht nach Hause, und wenn er da ist, ist er unberechenbar. Trotzdem wird ihre Beziehung nach einer Weile etwas besser. Doch dann – Kya ist jetzt acht Jahre alt - ist ein Brief von ihrer Mutter im Briefkasten. Das Mädchen erkennt die Handschrift auf dem Umschlag, lesen kann sie ihn nicht: Sie war nur einen Tag in der Schule, will aber nie mehr dorthin, weil sie von den anderen Kindern verspottet und ausgelacht wurde. Der Inhalt des Briefs führt zu einem Wutanfall ihres Vaters.
Als Kya zehn Jahre alt ist, kommt ihr Vater immer seltener nach Hause und dann gar nicht mehr. Von da an schlägt sie sich allein durchs Leben. Sie bleibt in der windschiefen Hütte und ernährt sich von dem, was sie findet und anbaut. In Barkley Cove nennt man sie nur „das Marschmädchen“. In der sozialen Hierarchie steht Kya ganz unten – nach den Schwarzen und den anderen Marschbewohnern. Ihre schlechten Erfahrungen mit Menschen machen sie scheu und misstrauisch, sie vermeidet es, in die Stadt zu fahren. Sie beschäftigt sich lieber mit den Tieren und Pflanzen um sie herum. Lange ist Jumpin‘, der einen kleinen Laden und eine Bootstankstelle betreibt, ihr einziger Kontakt. Er und seine Frau Mabel versuchen, Kya zu unterstützen und respektieren ihre spezielle Art zu leben.
Später lernt sie den freundlichen und geduldigen Tate kennen, der sich wie sie oft mit seinem Boot in der Marsch aufhält, um zu angeln oder Tiere zu beobachten. Er ist Kya zwar sympathisch, aber ihre Menschenscheu hält sie auf Abstand zu ihm. Er bringt ihr Lesen bei und öffnet ihr damit das Tor zu einer neuen Welt.
Einige Jahre später verliebt sie sich in den Kleinstadtcasanova Chase, einen jungen Mann mit reichen Eltern und überbordendem Ego. Aber Chase hält nichts von dem, was er Kya verspricht und heiratet eine andere Frau. In Barkley Cove wird über das Verhältnis getuschelt, wovon Kya nichts ahnt. 1969 wird Chases Leiche unter dem alten, maroden Feuerwachturm gefunden. Er ist an den Folgen eines Sturzes gestorben und die Einwohner und die Polizei von Barkley Cove haben sofort Kya in Verdacht, den jungen Mann getötet zu haben. Alles, was sie entlastet, wird in der Beweisführung so verdreht, dass es sie belastet. Sie wird angeklagt und muss mit der Todesstrafe rechnen.
Lesen?
Der Gesang der Flusskrebse ist ein ungewöhnlich anrührender Roman, der seine Leser das ganze emotionale Spektrum nachfühlen lässt, dass Kya durchlebt: die enge Verbundenheit zu der Natur um sie herum, das tiefe Gefühl des schuldlosen Verlassenwerdens, die große Bindungsangst aufgrund der vielen enttäuschenden Erfahrungen und trotzdem immer die Hoffnung, eines Tages zu jemandem zu gehören und eine Familie zu haben. Delia Owens schafft es, diese ganze Bandbreite zu vermitteln, ohne ins Kitschige abzugleiten. Das Buch gehört zu denen, die man nach dem letzten Wort nicht einfach zuklappen kann. Das Gelesene hallt noch eine Weile nach.
Der Gesang der Flusskrebse ist 2019 bei hanserblau erschienen und kostet als gebundenes Buch 22 Euro, als Taschenbuch 11,99 Euro sowie als E-Book 16,99 Euro.
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