Wer sich ein bisschen für klassische Musik interessiert,
hat seinen Namen vielleicht schon mal gehört: Felix Klieser ist einer der weltbesten Hornisten, obwohl bei seiner Geburt nichts für diese außergewöhnliche Karriere gesprochen hatte.
Klieser kommt ohne Arme auf die Welt. Seine Eltern haben sich darum wahrscheinlich schon früh gefragt, welchen Weg ihr Sohn später einschlagen würde - und könnte. Mit seinem Wunsch, den er als Vierjähriger äußerte, haben sie wohl kaum gerechnet: In seinem Buch Stell dir vor, es geht nicht, und einer tut es doch erzählt er, dass er sich wünschte, Horn zu spielen. In seiner Familie spielte niemand ein Instrument, der kleine Felix hatte noch nie bewusst ein Horn gesehen. Wie dieser Wunsch entstanden ist, bleibt bis heute ein Rätsel.
Felix Klieser bleibt am Ball. Er stellt sich den Problemen, die sich beim Spielen des Instruments ergeben, und findet kreative Lösungen. Als Klieser fünfzehn Jahre alt und seit zwei Jahren Jungstudent an der Musikhochschule Hannover ist, entwickelt sich der Verlauf eines Interviews zu einem Tiefschlag. Eine Stiftung zeichnet ihn mit einem Preis aus, der seine Karriere unterstützen soll. Ein Reporter der örtlichen Tageszeitung bittet ihn und seinen Lehrer um ein Interview. Der Journalist fragt Klieser, ob er sich vorstellen kann, das Hornspielen zum Beruf zu machen. Noch bevor dieser antworten kann, greift sein Lehrer in den Dialog ein: "Felix ist ein toller junger Hornist. Doch mehr als ein Hobby wird bei ihm leider nicht möglich sein. Denn für gewöhnlich haben Hornisten ihre rechte Hand im Schalltrichter. Damit können Sie den Klang modifizieren. Da Felix ohne Hand im Schalltrichter spielt, wird er niemals so klingen, wie ein normaler Hornist. So wird er es professionell nie schaffen."
Das saß. Nie zuvor hatte der Lehrer mit seinem Schüler Felix über dieses technische Problem und seine Zukunftsaussichten gesprochen. Doch im Interview fand er nichts dabei, die musikalischen Grenzen des Fünfzehnjährigen in der Öffentlichkeit zu definieren und ihm eine Zukunft als Berufsmusiker abzusprechen. Der Lehrer soll sich irren: Felix Klieser stellt sich jedem Problem und findet als Autodidakt Lösungen. Er sieht immer nach vorn und sagt: "Manchmal bin ich überzeugt davon, dass diejenigen, die ihr Ziel erreichen, einfach nur nicht stehen bleiben. Egal, was passiert, sie laufen weiter." Disziplin und Beharrlichkeit zeichnen Klieser aus. Aber es gibt auch Tiefpunkte, an denen er kurz davor ist, das Hornspielen an den Nagel zu hängen und seinen Traum vom Profimusiker aufzugeben. Doch er entscheidet sich jedes Mal fürs Weitermachen.
Felix Kliesers Blick ist jedoch nicht nur auf seine Karriere als Musiker gerichtet. Er beschreibt auch, wie Mitmenschen auf eine Person mit einer sichtbaren Behinderung reagieren: Von der körperlichen Einschränkung wird oft auf eine geistige Minderung geschlossen. Der Weg zur Förderschule ist dann manchmal nicht mehr weit, der behinderte Mensch wird in eine Schublade gesteckt und aussortiert. Viele behinderte Menschen haben deshalb Selbstzweifel, die ein Leben lang anhalten können. Das blieb ihm erspart.
Felix Klieser ist heute auf der ganzen Welt als Musiker unterwegs und arbeitet mit renommierten Orchestern und Dirigenten zusammen. 2013 wurde der heute 34-Jährige mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet.
Lesen?
Felix Kliesers Buch ist nur auf den ersten Blick eine reine Autobiographie. Vielmehr zeigt er seinen Leserinnen und Lesern, dass es sich lohnt, seine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren und Hürden zu überwinden. Problemen kann er Positives abgewinnen: "Mit jedem Problem, das wir lösen, lernen wir. Machen positive Erfahrungen. Auf diese Weise verlieren wir Stück für Stück die Furcht vor ihnen." Die Botschaft: Du kannst alles schaffen.
In einem Punkt stimme ich ihm allerdings nicht zu: Klieser ist der Meinung, "die Hauptgründe dafür, nicht noch mal etwas Neues zu beginnen, liegen meist eher in der Sorge vor Verlust als in der Sorge, vielleicht nicht so viel zu gewinnen, wie man womöglich könnte." Aus meiner persönlichen Perspektive kann die Angst vor Neuem auch daher rühren, dass eine Entscheidung auch Folgen für andere wie zum Beispiel die eigenen Kinder hat.
Stell dir vor, es geht nicht, und einer tut es doch ist 2024 im Econ Verlag erschienen und kostet 22,99 Euro und als E-Book 18,99 Euro.

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