Ein hochgelobter Roman um den modernen Büroalltag
Björn ist die Hauptfigur im Roman Das Zimmer des schwedischen
Autors Jonas Karlsson und ein Mensch, der von seinem Arbeitsverhalten restlos
überzeugt ist. Er sieht sich als cleveren Mitarbeiter, zu dem die Kollegen aufschauen sollten.
Tun sie es nicht, liegt das nur an ihnen.
So war es auch mit seinem letzten Job gewesen: Björn hatte
sich ständig unterfordert gefühlt und sich nicht immer mit den Kollegen gut
verstanden. Eines Tages hatte ihm sein ehemaliger Chef nahegelegt, an seiner
Karriere zu arbeiten und etwas aus sich zu machen. Das leuchtete Björn ein. Er
wechselte ohne Komplikationen zu einer neuen und sehr großen Behörde in Stockholm. Wäre man böswillig, könnte man Björn als einen "Wanderpokal" bezeichnen.
Kollegialität? Was soll das sein? Wer braucht das?
Björn stellt an seinem neuen Arbeitsplatz fest, dass er im
Vergleich zu seinem alten mit einigen Verschlechterungen leben muss. Das trübt
jedoch nicht seinen Optimismus. Wie gewohnt teilt er sich seine Arbeitszeit in
ein festes Schema ein, das er strikt einhält: Nach 55 Minuten konzentrierter
Arbeit folgen fünf Minuten Pause, in denen auch der Toilettengang erledigt
werden muss. Er arbeitet sich intensiv in seine neuen Aufgaben ein und nutzt
dafür sogar das Wochenende. Björn möchte sich möglichst schnell einen Vorsprung
verschaffen, der ihn aus der Masse der Kollegen positiv heraushebt. Sein Ziel
ist es, irgendwann zur Führungsebene dieser Behörde zu gehören.
Björn beginnt sofort, sein neues Umfeld zu analysieren und
bei jedem Menschen dessen Stärken und Schwächen herauszufinden. Echte
Sympathien kann er für keinen der 22 Kollegen aufbringen, die mit ihm in der Abteilung
zusammenarbeiten.
Selbstverständlich fragt er auf der Suche nach Kopierpapier
auch niemanden danach, wo es normalerweise aufbewahrt wird, sondern streift selbst auf der Etage herum. Dabei öffnet er zufällig die Tür zu einem kleinen Zimmer,
das wie ein Büro eingerichtet ist und sich neben der Altpapiertonne und dem Fahrstuhl und hinter den Toiletten befindet. Der Raum ist akkurat aufgeräumt und
staubfrei, alles ist genau an seinem Platz. Björn hat das deutliche Gefühl, dass dieses Büro
auf jemanden wartet. Auf ihn.
Wer spinnt hier wirklich?
Niemand außer Björn scheint das Zimmer zu kennen. Aber für
ihn wird es wie eine zweite Heimat: Dort kann er sich am besten konzentrieren
und ungestört seine Akten bearbeiten. Doch Björn ist irritiert, dass niemand
außer ihm dieses Zimmer zu sehen scheint. Sind um ihn herum tatsächlich alle
zu blöd, um wahrzunehmen, was für ihn offensichtlich ist? Oder wollen sie ihn
gemeinsam in den Wahnsinn treiben? Er überprüft den Grundriss seiner und der
darüber liegenden Etage und muss feststellen, dass dieses Zimmer irgendwie
nicht hineinpassen kann. Was wird da vor ihm verheimlicht?
Die Situation spitzt sich zu, als sowohl seine Kollegen als
auch sein Chef ihn misstrauisch beäugen und ihm immer distanzierter begegnen.
Björn kann sich ihr Verhalten zuerst nicht erklären, aber dann wird er von Håkan
direkt gefragt, was er „da“ eigentlich mache, wenn er so im Toilettenflur
herumstehe. Björn wird mit aller Deutlichkeit klar, dass seine Kollegen ihn für
einen verschrobenen Spinner halten und ihm die Existenz des kleinen Zimmers
nicht glauben. Doch er weiß sich zu helfen: Er beruft eine Versammlung aller
Kollegen ein und fordert sie einer nach dem anderen auf, in diesen Raum, den
sie angeblich nicht kennen, einzutreten. Als Björn sieht, dass sich die ganze
Abteilung in dem kleinen Zimmer versammelt hat, ist er sicher, ihren Scherz
entlarvt zu haben. Doch er irrt sich, und die Situation eskaliert.
Ausgewachsene Psychose oder ausgefeiltes Mobbing?
Björn ist ohne Frage ein Kollege, wie ihn sich niemand selbst
freiwillig aussuchen würde. Er ist über alle Maßen von seiner Großartigkeit
überzeugt und der Meinung, dass ihm keiner ernsthaft das Wasser reichen
kann. Es bleibt ihm unbegreiflich, dass es anderen Menschen so schwer fällt,
sein Genie zu erkennen. Eine Weihnachtsfeier, die die Kollegen als willkommene Abwechslung vom
Arbeitsalltag betrachten, ist für ihn nur albernes Getue, das unnötig Zeit
kostet. Ob sein Verhalten krankhaft oder er einfach nur eine Nervensäge ist,
lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen.
Im Klappentext wird davon gesprochen, dass sich der Autor
„mit der Konformität in der modernen Arbeitswelt“ beschäftigt. Das, was Jonas Karlsson in Das Zimmer beschreibt, hat allerdings weniger mit Anpassung und
Gleichheit, als vielmehr damit zu tun, dass die Hauptperson Björn eine
ausgewachsene Klatsche hat.
Das Buch hat mich leider nicht überzeugt und ich habe mich gefragt, wo ich während meiner eigenen Jahre in verschiedenen Behörden war, dass ich nichts von dem, was Karlsson hier beschrieben hat, wiedererkannt habe.
Das Zimmer ist im Luchterhand Literaturverlag erschienen und wurde mir vom Bloggerportal zur Verfügung gestellt, wofür ich mich herzlich bedanke. Es kostet als gebundene Ausgabe 17,99 €, als Audio-CD 16,99 €, als Kindle- oder epub-Edition 13,99 € und als Hörbuch-Download 12,95 €.
Danke für deinen Kommentar :) Deine Rezension kann ich teilweise nachvollziehen. Offenbar sind nicht alle Büros und Behörden gleich ...
AntwortenLöschenBehörden gleichen einander so viel oder wenig, wie es Unternehmen tun. Ich habe verschiedene Behörden auf Bundes- und Landesebene kennengelernt und keine so erlebt, wie es im Buch dargestellt wurde. Auch die Vorstellung vom gleichgeschalteten Behördenfuzzi, der irgendwie den Tag herumbringt, ist überholt. Allerdings weiß ich nicht, wie es in schwedischen Behörden zugeht ;-)
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