Freitag, 10. Mai 2019

# 196 - Lanzarote oder der Weg zur Erkenntnis

Henning und Theresa reisen mit ihren beiden noch
kleinen Kindern über Weihnachten und Silvester nach Lanzarote. Oberflächlich betrachtet geht es ihnen gut: Sie haben Freude an ihren Berufen, keine finanziellen Sorgen und die Kinder sind zwar manchmal anstrengend, aber vermutlich nicht mehr als andere Kinder auch. Aber was ein unbeschwerter Urlaub unter kanarischer Sonne hätte werden können, ist von einer Missstimmung zwischen den Eheleuten überschattet.

Neujahr - ein Blick in die Vergangenheit

 

Am Neujahrstag beschließt Henning spontan, eine Radtour zu machen. Sein Ziel: der Atalaya-Vulkan. Er vergisst, Proviant oder Geld mitzunehmen und merkt nach einer Weile, dass er anfängt, an seine Grenzen zu geraten: Er kämpft mit dem Wind, dem schweren Leihrad, gegen den Durst und die Steigung der Straße. Aber noch viel mehr kämpft er gegen ES, das ihn schon seit zwei Jahren quält. ES schleicht sich immer wieder an und wirft ihn nieder, sorgt für Herzrasen, lähmende Angst und beeinträchtigt das Familienleben. ES steht zwischen Henning und Theresa und belastet die Beziehung zu den Kindern. ES sind Panikattacken, die Henning auflauern und ihn in die Knie zwingen.

Während der Radtour lässt Henning seinen Gedanken freien Lauf, während er sich immer weiter dem auf der Strecke zum Vulkan liegenden Dorf Femés nähert. Sein Verhältnis zu seiner Frau und den Kindern, eine verstörende Beobachtung während des Silvesterdinners am Vorabend und sein ungewöhnlich inniges Verhältnis zu seiner jüngeren Schwester Luna spielen eine Rolle. Er versucht, sein Leben positiv zu bewerten, aber auf allem liegt der dunkle Schleier seiner psychischen Probleme.

In Femés spürt er, dass dort etwas ist, das ihn anzieht. Er folgt dem inneren Drang, seine Fahrt fortzusetzen, verlässt das Dorf und blickt kurze Zeit später zurück: Die Häuser liegen jetzt unter ihm, aber obwohl er in diesem Moment sicher ist, hier nie zuvor gewesen zu sein, bringt die Aussicht etwas in ihm zum Klingen. Er erkennt den Ort wieder, der Anblick aus dieser Perspektive ist ihm vertraut. Aber wie kann das sein?


Lesen?

 

Neujahr ist eine Reise in die Vergangenheit und erzählt davon, wie sehr uns Ereignisse beeinflussen können, an die wir uns nicht mehr aktiv erinnern können. Der Roman erzählt auch, wie schwer es sein kann, sich dieser Vergangenheit zu stellen, er handelt vom Schweigen derer, die besser hätten erzählen sollen und davon, dass es ein Weg sein kann, mithilfe einer radikalen Maßnahme zu versuchen, sein Leben wieder ins Lot zu bringen. Auch, wenn diese Maßnahme sehr schmerzhaft ist. 
Neujahr zeigt aber auch, wie trügerisch Erinnerungen und Eindrücke sein können, die man für gesichert gehalten hat.
Juli Zeh schildert all das in einer bidhaften und eindringlichen Sprache, die ihre Leser mitnimmt: sowohl in die karge Landschaft Lanzarotes als auch ins winterliche Deutschland; Letzteres allerdings nur kurz.

Neujahr ist bei Luchterhand erschienen und kostet als gebundenes Buch 20 Euro sowie als epub- oder Kindle-Ausgabe 15,99 Euro.

 

 

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