Vor fast einem Jahr habe ich hier über das erste Buch von M.J. Herberth geschrieben: Chlorophyll, eines der besten Science-Fiction-Bücher, das mir in den letzten Jahren untergekommen ist.
Jetzt hat Herberth mit Die Ankunft der Schlange die Fortsetzung vorgelegt. Die Handlung knüpft nahtlos an die des vorangegangenen Buches an.
Ist das Ende der irdischen Zivilisation gekommen?
Acht Milliarden Menschen sind an den Folgen der Pflanzenseuche gestorben. Ursache war die Ankunft eines Meteoriten, der ein Killerprotein mit sich trug. In den Gewässern siedelten sich jedoch fremdartige Organismen an, die elektrische Energie erzeugen und als Sender gezielt Strahlung abgeben konnten. Sie sollen einer fremden Intelligenz die Position der Erde übermitteln. Die Astrophysikerin Naomi Mae Wood konnte nicht mehr davon abgehalten werden, das aufgezeichnete Signal mithilfe eines Radioteleskops an den Stern Wolf-359 zu senden - 7,79 Lichtjahre von der Erde entfernt. Ein Experiment mit unklarem Ausgang.
Als die Zeitspanne, von der man annimmt, dass sie für ein außerirdisches Antwortsignal aus dem Weltraum benötigt wird, vorbei ist, halten die verbliebenen Menschen den Atem an. Mit wem oder womit müssen sie rechnen?
Doch da keimt buchstäblich Hoffnung auf: Auf dem geschundenen Planeten, auf dem alles Pflanzliche, was bis zur Ankunft des todbringenden Proteins wuchs, vernichtet wurde, entsteht eine neue Lebensform. Sie scheint aus dem Boden emporzuwachsen und sich aus diesem zu ernähren. Geht von ihrer Existenz neue Hoffnung für die verbliebenen Bewohner der Erde aus?
Die zerbrechliche Aussicht auf eine positive Zukunft für die Menschen hat nur kurz Bestand. Schon bald wird klar, dass dieses fremdartige Gewächs nicht einfach nur eine Pflanze ist, die man möglicherweise kultivieren und nutzbar machen könnte. Das, was da entsteht und nach und nach die gesamte Landmasse der Erde überwuchert, bildet die Grundlage für eine katastrophale Entwicklung: Kurze Phasen, in denen sich Chancen, der eigenen Vernichtung zu entkommen, in schneller Folge mit dramatischen und entsetzlichen Ereignissen abwechseln, bestimmen den weiteren Verlauf der Handlung. Dabei muss oft der Tod von Menschen in Kauf genommen werden, um andere zu retten. Der Leser muss sich von mehreren Figuren, die die Handlung des ersten Teils maßgeblich bestimmt haben, verabschieden.
Wie war's?
Die Ankunft der Schlange steht dem ersten Band Chlorophyll an Spannung in nichts nach, wobei das Tempo der Handlung noch zugenommen hat.
Während Chlorophyll ein Zukunftsszenario zeigte, das mit naturwissenschaftlichen Zusammenhängen vorstellbar und erklärbar ist, wirken diese Prozesse im zweiten Band jedoch mehrmals kaum nachvollziehbar. Der Schwerpunkt liegt dieses Mal in dem Versuch, die außerirdischen Invasoren aufzuhalten, um ein Weiterleben der Restbevölkerung auf der Erde zu ermöglichen.
Irritierend war auch, dass ausgerechnet die Person, der die Menschheit ihre fast völlige Auslöschung zu verdanken hat, wie aus dem Nichts wieder auftaucht und mitten im Geschehen ist, als ob nichts gewesen sei.
Trotz dieser Einschränkungen gibt es für Die Ankunft der Schlange eine Leseempfehlung, weil man als Leser sehr gut unterhalten wird und die Spannung fast durchgehend auf einem hohen Niveau bleibt. Das Ende des Buches deutet an, was M.J. Herberth bereits in einem Interview preisgegeben hat: Es wird noch einen weiteren Band geben.Ob dieser auch noch vom Leben auf der Erde handeln wird, weiß nur Herberth selbst.
Die Ankunft der Schlange ist im Selbstverlag erschienen und kostet als Taschenbuch 15,99 Euro sowie als E-Book 3,99 Euro.
Ferdinand von Schirach hat mit Kaffee und
Zigaretten ein Buch geschrieben, das ihn als Person deutlich stärker einbezieht als es bei seinen vorangegangenen Titeln der Fall war. Ich stelle hier das beim hörverlag erschienene Hörbuch vor, dessen gut dreieinhalb Stunden Spielzeit sich in 85 Abschnitte unterteilen. Das Hörbuch wurde von Lars Eidinger gelesen.
In den ersten Abschnitten spricht von Schirach über sich selbst, tritt aber einen Schritt zurück und erzählt von seinem Leben, das in den ersten zwanzig Jahren von einigen Tiefs geprägt war, häufig in der 3. Person. Man erfährt von der Entfremdung zwischen ihm und seinem Vater, der ständig geschäftlich auf Reisen war und seinem Sohn Postkarten aus aller Welt in das von Jesuiten geleitete Internat im Schwarzwald schickte. Man erfährt auch von seiner besonderen Weise, die Welt um sich herum wahrzunehmen: Von Schirach ist Synästhet, Menschen wie er koppeln Wahrnehmungen im Gehirn falsch. Bei ihm äußert sich diese sehr seltene Eigenschaft so, dass er Musik und Personen mit Farben verbindet und diese sieht. Von Schirach erwähnt auch seinen Selbstmordversuch: Er war 15, sein Vater kurz zuvor verstorben. Der Versuch misslang, weil er zu betrunken war, um ihn "erfolgreich" auszuführen.
Doch dann wendet er sich von seiner Person ab und einem Kaleidoskop von Betrachtungen verschiedenster Art zu. Wie in Selbstgesprächen schreibt er über den Rechtsstaat und was ihn ausmacht. Er zeigt auf den Stammheim-Prozess gegen die RAF-Terroristen Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe und erwähnt insbesondere einen der Verteidiger, den späteren Bundesinnenminister Otto Schily. Über ihn, den er als herausragende Anwaltspersönlichkeit sieht, sagt von Schirach: "Das Argument des Rechtsstaates ist das Leitmotiv seines Lebens."
Auch auf andere Richter, die im Buch namenlos bleiben, wird verwiesen. Einer von ihnen überlegt, wann er in die Situation kommen könnte, eine Sach- über eine Mehrheitsentscheidung zu stellen. Wie sollte er handeln, wenn es wieder eine Todesstrafe gäbe?
Ein weiterer roter Faden, der sich nicht nur durch dieses Buch zieht, ist der Vergleich des heutigen Rechtsstaates mit der Rechtsauffassung des Dritten Reichs. Er zitiert einen der damaligen Leitsätze: Was dem deutschen Volk schadet, wird verurteilt. Glücklicherweise geht es in der Rechtsprechung heute differenzierter zu.
Wie nebenbei flicht er die schleichende Beschneidung von Menschenrechten ein, die nicht nur von der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland nahezu widerspruchslos hingenommen wird. Mal ist es der Daten- und Persönlichkeitsschutz, mal die Pressefreiheit.
Alle Episoden haben diesen sehr sachlichen, schnörkellosen Tonfall, der für von Schirachs Bücher typisch ist und die Werke des Autors so glaubwürdig macht.
Der Schlusssatz spiegelt seine Persönlichkeit, die von einer langjährigen Depression, geprägt ist, treffend wider: "Glück ist eine Farbe und immer nur ein Moment."
Wie war's?
Kaffee und Zigaretten ist eine andere Art von Buch als die bisherigen von Ferdinand von Schirach. Die einzelnen Episoden laden den Leser (oder Hörer) zum Mitdenken und Nachvollziehen der oft sehr kurzen Gedankengänge ein. Immer wieder werden kleine Anekdoten in die ernsthaften Überlegungen hineingestreut. Ein bisschen ist es dann so, als würde man darüber stolpern.
Der einzige Wermutstropfen ist hier leider der Vorleser. Ich hatte mich beim Hören von Der Fall Collini an die sonore und tragende Stimme von Burghart Klaußner gewöhnt. Lars Eidinger hat den Text weniger markant und akzentuiert vorgetragen, sodass ich mich manchmal dabei erwischt habe, dass meine Gedanken eigene Wege gingen.
Kaffee und Zigaretten kostet als gebundenes Buch sowie als Hörbuch (CD) 20 Euro, als E-Book 15,99 Euro und als Hörbuch-Download 13,95 Euro.