Freitag, 19. Juni 2020

# 245 - Die Ladenhüterin


Mit Die Ladenhüterin feierte die japanische Autorin Sayaka Murata in ihrer Heimat große Erfolge. Was dazu beigetragen haben dürfte: Sie weiß, wovon sie schreibt.

Keiko Furukura ist 36 Jahre alt, ledig und arbeitet seit 18 Jahren als Aushilfe in einem Konbini, einem japanischen Gemischtwarenladen, der das ganze Jahr rund um die Uhr geöffnet hat. Der Besitzer hat in der Zwischenzeit gewechselt, von den Kollegen der ersten Stunde ist niemand mehr da und Keiko erlebt den mittlerweile achten Filialleiter.

Keiko ist zufrieden mit ihrer Arbeit, oder besser: Sie geht in ihr auf. Alles, was ihr Leben ausmacht, tut sie im Dienste des Konbinis. Sie ist eins geworden mit dem Laden. Er gibt ihr das, was das Leben außerhalb des Geschäfts ihr nicht bieten kann: Stabilität und Gleichförmigkeit.

Die Verkäuferin war schon in ihrer Kindheit anders als ihre Mitmenschen: Unfähig, sich in die Gedanken- und Gefühlswelt der Menschen um sie herum hineinzuversetzen, eckte sie mit ihrer eigenen Logik immer wieder an. Sie war nie zu tiefen Gefühlen anderen gegenüber in der Lage und wurde zum Sorgenkind ihrer Eltern.

Der Job im Konbini wirkte damals auf ihre Familie wie ein Schritt in eine gute Zukunft: Endlich tat Keiko etwas aus eigenem Antrieb. Doch der fast zwei Jahrzehnte dauernde Stillstand behagt ihnen nicht: Warum lernte die Tochter nicht endlich einen Mann kennen, heiratete und bekam Kinder? Warum suchte sie sich nicht endlich eine richtige Arbeitsstelle?

Keiko spürt, dass die Menschen um sie herum von ihrer Lebensweise irritiert sind. Weil sie so weit wie möglich als normal wahrgenommen werden möchte, imitiert sie die Verhaltensweisen ihrer Kolleginnen und Bekannten.

Doch dann tritt Shiraha in ihr Leben. In dem nörgelnden Drückeberger, der für kurze Zeit ihr Kollege wird, erkennt sie Parallelen zu sich selbst: Beide sind sie Ausgestoßene der japanischen Gesellschaft. Warum sollte man sich da nicht einfach zusammentun?


Lesen?


Sayaka Murata greift in ihrem Roman das Korsett der gesellschaftlichen Konventionen in Japan auf. Das Leben hat in bestimmten Bahnen zu verlaufen, anderenfalls wird es als nicht erfolgreich angesehen. 

Der Buchtitel kann hier doppeldeutig verstanden werden: Da Keiko mit 36 immer noch nicht verheiratet ist, ist sie nach den Vorstellungen der Gesellschaft eine Ladenhüterin. Doch sie hütet auch "ihren" Konbini wie ihren Augapfel, nichts darf dort das Wohlergehen der Kundschaft beeinträchtigen.

Die Autorin arbeitete selbst lange Zeit in einem Konbini und beschreibt die Atmosphäre und Arbeitsweise dort in einer einfachen und klaren Sprache. Die Ladenhüterin war in Japan ein sehr großer Erfolg, Murata wurde für ihr Buch mit mehreren japanischen Literaturpreisen ausgezeichnet. Klare Leseempfehlung!

Die Ladenhüterin ist 2018 im Aufbau Verlag erschienen und kostet als gebundenes Buch 18 Euro sowie als E-Book 7,99 Euro.

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