Freitag, 1. April 2022

# 342 - Wut - Nicht unbedingt die Wurzel der Zerstörung

Der Hirzel Verlag widmet sich in einer neuen Buchreihe
den sogenannten Todsünden. Zeitgleich mit dem Titel Gier erschien Wut - Mut zum Zorn. Die Ärztin und Journalistin Johanna Kuroczik hat sich einem emotionalen Zustand gewidmet, der uns sehr befremdet, wenn wir ihn bei anderen Menschen wahrnehmen.

Kuroczik sieht sich die Wut von allen Seiten an. Sie wirft einen langen Blick zurück in die Geschichte der Menschheit und stellt Ausbrüche von Zorn (der eigentlichen Todsünde) schon bei Gott fest: Der tobende und Angst machende Gott nimmt die Position eines strafenden Vaters ein, während Jesus' Zorn nicht länger als unbedingt nötig aufflackert, um sich dann in eine positive Energie zu verwandeln, die Gutes tut.
Wer übrigens glaubt, dass die sieben Todsünden aus der Bibel stammen, erfährt, dass hierbei (wieder mal) ein Papst seine Finger im Spiel hatte.

Selbstverständlich ist auch den modernen Menschen unserer Zeit die Wut nicht fremd. Johanna Kuroczik berichtet von Studien, die sich mit dem Bruder des Zorns, dem Jähzorn, beschäftigen, und stellt einen fundamentalen Unterschied zwischen beiden fest: Im Gegensatz zur Wut lässt sich der Jähzorn nicht kontrollieren. Wer aber dessen Wurzeln kennt, kennt auch Strategien, damit umzugehen.

Wut (oder Zorn) hat ihren Ursprung in unserem Gehirn. Um das verständlich zu machen, stellt die Autorin die aktuellen Erkenntnisse aus der Hirnforschung vor und macht deutlich, dass es für einen Wutausbruch nicht den einen Grund, sondern ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren gibt. Ein leicht reizbarer Mensch macht es sich zu einfach, sich mit dem Verweis auf seine Gene aus der Verantwortung zu ziehen.

Kann Wut auch eine positive Wirkung haben? Und richtet sie sich nur gegen diejenigen, die man ohnehin nicht leiden kann? Auf diese Fragen gibt Johanna Kuroczik einfache und verständliche Antworten, die man vor dem Lesen ihres Buches möglicherweise nicht so deutlich gesehen hätte.

Wut wird gesellschaftlich sogar unterschiedlich wahrgenommen, wenn sie bei Männern oder Frauen beobachtet wird: Ein wütender Mann wird eher als durchsetzungsstark empfunden als eine aus der Haut fahrende Frau. Aber woher kommen diese rational nicht nachvollziehbaren Bewertungen?

Das nachfolgende Zitat Johanna Kurocziks befindet sich zwar nicht am Ende ihres Buches, kann aber gut als Fazit dienen:
"Gefühle erfüllen einen Zweck - sonst hätte die Evolution sie längst abgeschafft. Wut im gesunden Maße ist ein integraler Bestandteil des Menschsein. Es gibt kein Leben ohne Zorn." (Seite 120)

Lesen?

Wut - Mut zum Zorn ist trotz des Buchtitels keine Aufforderung, sein Leben als wandelnder Hochofen zu verbringen, sondern wirft einen klaren und sachlichen Blick auf eine Emotion, die tatsächlich Gutes bewirken, aber ungebremst für viel Zerstörung sorgen kann. Eine sehr interessante Lektüre, die ein neues Licht auf diese Todsünde wirft.

Wut - Mut zum Zorn ist im März 2022 im Hirzel Verlag erschienen und kostet 15 Euro (Klappenbroschur).

2 Kommentare:

  1. Wut ist etwas, vor dem ich zurückschrecke.
    Da ich aber im Moment ein sehr wütendes Enkelkind erlebe (Trotalter, kleiner Bruder), kann ich die Aussage, dass sich die Wut nicht nur gegen Menschen richtet, die man nicht mag, unterschreiben. Der kleine Bruder kann auch wieder ein guter Kumpel sein.

    LG
    Sabiene

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    1. Auch Johanna Kuroczik grenzt das so nicht ein, dass sich Wut nur gegen Menschen, die man nicht mag, richtet. Wenn wir ein bisschen zurückdenken, fallen uns bestimmt Situationen aus unserem eigenen Leben ein, die das bestätigen. Das Buch brachte mir ein paar neue Erkenntnisse.
      Liebe Grüße
      Ina

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