Seit nun schon elf Jahren befindet sich Syrien im
Bürgerkrieg. Er wurde durch die gewaltsam niedergeschlagenen Proteste gegen den immer noch amtierenden Präsidenten Baschar al-Assad ausgelöst. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen starben mehr als 350.000 Zivilisten, etwa 5,6 Millionen Syrerinnen und Syrer sind aus ihrem Heimatland geflohen - alte und junge Menschen, die einfach nur ihr Leben leben wollten. Die Bedrohung besteht bis heute, ein Ende ist nicht abzusehen.
Djuman Badran ist im Roman Unser Haus dem Himmel so nah von Shahla Ujayli die Hauptperson. Sie ist promovierte Anthropologin und hat sich vor dem Krieg in der jordanischen Hauptstadt Amman in Sicherheit gebracht. Djuman führt die Leserinnen und Leser durch etwa 100 Jahre syrische Geschichte, indem sie auf Menschen trifft, die sie bereits kennt oder die neu in ihr Leben treten. Vom Krieg in ihrer Heimat und dessen Auswirkungen auf die Bevölkerung erfährt sie in Telefonaten mit ihrer in ihrer Geburtsstadt Raqqa gebliebenen Familie und über die Auswertung von Statistiken. Sie leidet mit ihrem Vater und ihren Geschwistern, die ihr von den Taten des IS berichten, aber als Djuman erfährt, dass sie an Krebs erkrankt ist, überlagern ihre Angst um das eigene Leben und die schmerzhafte Therapie die Nachrichten von zu Hause.
Ihr steht Nasser al-Amiri zur Seite. Djuman hat den Klimaforscher auf einem Flug von Tunesien nach Amman kennengelernt, und nach einer langsamen und vorsichtigen Annäherung werden sie ein Paar. Nasser hat syrische Wurzeln, sein Großvater war Rechtsanwalt in Aleppo, bevor er aus politischen Gründen nach Damaskus zog. Nasser lebt zum Zeitpunkt des Kennenlernens in Abu Dhabi.
Unser Haus dem Himmel so nah ist kein Roman, der stringent eine Geschichte erzählt. Es ist ein Roman über zahlreiche Menschen aus dem arabischen Raum, die es wegen politischer Krisen in ihren Heimatländern in die ganze Welt zieht. Sie verlassen ihr Zuhause, um irgendwo anders eine Zukunft und ein neues "Haus" aufzubauen. Informationen werden über Dialoge oder Monologe transportiert, wodurch die jeweiligen Personen besser kennen gelernt werden.
Man wird beim Lesen den Eindruck nicht los, dass sehr viel von Shahla Ujaylis eigener Geschichte in dieses Buch eingeflossen ist. Dieser Eindruck entsteht nicht nur durch die genaue Darstellung der einzelnen Menschen, sondern auch den Umstand, dass die Autorin in einem akademisch geprägten Umfeld aufgewachsen ist, das dem in ihrem Roman sehr ähnlich ist. Sogenannte "einfache Leute" kommen so gut wie gar nicht vor.
Lesen?
Trotz dieser etwas eingeschränkten Sichtweise ist Unser Haus dem Himmel so nah ein empfehlenswertes Buch. Shahla Ujayli ermöglicht insbesondere den Leserinnen und Lesern unseres eigenen Kulturkreises kulturelle und historische Einblicke, die Nachrichten oder Geschichtsbücher in dieser Form nicht vermitteln können.
Unser Haus dem Himmel so nah ist in der vorliegenden deutschen Übersetzung von Christine Battermann 2022 im Kupido Verlag erschienen und kostet als gebundene Ausgabe 28 Euro. Der Roman stand auf der Shortlist für den International Prize of Arabic Fiction.
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