Sonntag, 4. Dezember 2022

# 373 - Meine Mutter sagt... Ach, wenn sie doch mal schweigen würde

Meine Mutter sagt ist das zweite Buch von Stine
Pilgaard, das hier in der Bücherkiste vorgestellt wird. Es ist jedoch das Debüt der dänischen Autorin, das übersetzt wurde, nachdem ihr zweiter Roman Meter pro Sekunde in Deutschland ein großer Erfolg war.

Die namenlose Ich-Erzählerin wird von ihrer Freundin verlassen, mit der sie dreieinhalb Jahre zusammengelebt hatte. Es bricht ihr das Herz, denn sie hatte sich so sehr gewünscht, dass diese Beziehung für immer halten würde. Man durchlebt mit der Erzählerin sämtliche verzweifelten und hoffnungsvollen Momente und fühlt, wie schwer es ihr fällt, mit der Situation zurechtzukommen. Doch das Buch ist keineswegs trübsinnig: Pilgaard hat ihre leidende Protagonistin mit einem trockenen Humor ausgestattet, der immer wieder für Lacher sorgt.

Die Verlassene kommt übergangsweise bei ihrem Vater unter, einem Pastor, der mit seiner zweiten Frau zusammenlebt. Man erfährt von der länger zurückliegenden Scheidung der Eltern und der unterschiedlichen Art und Weise, wie diese damit umgehen. Warum sich die Erzählerin entschieden hat, bei ihrem Vater einzuziehen, wird schnell klar: Im Gegensatz zu seiner Ex-Frau ist er ruhig und verständnisvoll. Die Mutter hingegen haut ihrer Tochter wie nebenbei ihre Kritik um die Ohren, obwohl diese in ihrer Situation Zuspruch und Trost gebrauchen könnte. Pilgaard schildert sie als egozentrisch und wenig empathisch. Kurz: anstrengend.

Zum Glück ist da die beste Freundin Mulle, die von der Erzählerin als ihre Spindoktorin bezeichnet wird. Sie ist bodenständig und praktisch und damit eine gute Stütze für die trauernde junge Frau.
Auch der Arzt, der in der Trauerphase ständig von der Erzählerin aufgesucht wird, erweist sich als guter und einfühlsamer Zuhörer. Er geht nicht nur auf die körperlichen Beschwerden, sondern auch auf den seelischen Zustand seiner Patientin ein. Ein Traum.

Eine Besonderheit des Romans sind die eingestreuten Seepferdchenmonologe. Sie spielen auf die Hirnregion Hippocampus an, die für das Abspeichern und Abrufen von Erinnerungen notwendig ist. Mit einer spielerischen Sprache gelingt es Pilgaard, zu zeigen, wie nahe der Erzählerin der Verlust der geliebten Freundin geht.

Lesen?

Stine Pilgaard ist mit Meine Mutter sagt ein Roman gelungen, der bei aller Verzweiflung zeigt, dass es nach einem tiefen Tal auch wieder aufwärts geht und sich die Beziehung zu einem (immer noch) geliebten Menschen neu gestalten lässt, nachdem man diesen losgelassen hat.

Meine Mutter sagt ist als deutsche Übersetzung 2022 im Kanon Verlag erschienen und kostet als gebundenes Buch 22 Euro sowie als E-Book 16,99 Euro.

Stine Pilgaard erhielt für das Original Min mor siger 2012 den Bodil und Jørgen Munch-Christensen-Debütantenpreis (Bodil og Jørgen Munch-Christensens debutantpris).

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