Sonntag, 12. Januar 2025

# 462 - Wie Protest wirklich wirkt

Proteste gehören in unserer Gesellschaft zum Alltag.
Mit unterschiedlichen Methoden machen Menschen auf die verschiedensten Anliegen aufmerksam: Sie kleben sich auf Straßen und werfen Suppe auf Kunstwerke, um gegen die Passivität angesichts des Klimawandels zu protestieren, oder fahren auf Traktoren zu Demonstrationen, um laut- und PS-stark die Anliegen der Betriebe in der Landwirtschaft zu vertreten. Aber sind Proteste dazu geeignet unsere Gesellschaft zu verändern? In seinem Buch Was ihr wollt 
- Wie Protest wirklich wirkt sieht sich der Journalist Friedemann Karig die verschiedensten Protestbewegungen der letzten Jahrzehnte genauer an.

Die Mehrzahl der Menschen hat noch nie öffentlich gegen irgendetwas demonstriert. Die Motive sind vielfältig: Man vermutet zum Beispiel, dass man nicht genug Mitstreiter findet, Protest sowieso nichts bringt, man sich selbst nicht für den geeigneten 'Typ Mensch' hält oder schlicht zu bequem ist, um sich in einen Demonstrationszug einzureihen. Aber: "Umstürze und Umschwünge, Revolutionen und Revolten werden immer und ausschließlich von vielen Menschen getragen, von denen die wenigsten in irgendeiner Form herausstechen."

Karig zeigt jedoch auch Irrtümer auf, denen Menschen unterliegen, die mit etwas unzufrieden sind: Viele sind beispielsweise der Meinung, dass man erst einen großen Teil der Bevölkerung hinter sich bringen muss, um überhaupt etwas zu erreichen. Das ist jedoch eine falsche Annahme, wie u. a. die US-Bürgerrechtsbewegung mit ihrer Galionsfigur Martin Luther King zeigte: Bei 64 Prozent der US-Bürgerinnen und Bürger war King unbeliebt.

Karig erläutert an zahlreichen Beispielen, nach welchen Mechanismen Protest funktioniert, wie er effizient organisiert wird und was passieren muss, damit sich Menschen einem Protest anschließen. Angesichts von Fernsehbildern, die oft einen anderen Eindruck vermitteln, stellt Karig fest, dass "die allermeisten Bewegungen bewundernswert friedlich geblieben [sind], egal wie hart sie angegangen wurden." Friedliche Bewegungen waren sogar doppelt so erfolgreich wie gewalttätige.

Aber was muss passieren, damit wir uns einer Bewegung anschließen? "Erst wenn wir uns in einer Gruppe sicher fühlen, werden wir aktiv. Nur wenn wir glauben, es bringt etwas, bleiben wir dabei. Und nur wenn wir wirklich wütend sind über eine Ungerechtigkeit, bleiben wir hartnäckig genug, um etwas zu erreichen." Ebenfalls wichtig sind Vorbilder aus dem eigenen Umfeld, die uns den nötigen Schubs für ein Engagement geben.

Lesen?

Was ihr wollt - Wie Protest wirklich wirkt  zeigt auf, dass wir einem Missstand nicht ohnmächtig zusehen müssen. Die Methode des steten Tropfens, der den Stein höhlt, ist einer der Bausteine, die einen Protest zum Erfolg führen können. Und: Protest muss nicht nur auf der Straße stattfinden, sondern kann sich auch auf andere Ebenen verlagern, mit denen viele Menschen erreicht werden. Dabei zählt nicht nur seine Menge, sondern vor allem seine Qualität.

Mit Blick auf unsere aktuell in Deutschland geführten Debatten fiel mir dieser Satz auf: "Wer ein bestehendes Narrativ einer Gesellschaft herausfordert, macht sich zwangsläufig bei denen unbeliebt, die daran aus Überzeugung oder Opportunismus festhalten." Mir kommt das sehr bekannt vor.

Was ihr wollt - Wie Protest wirklich wirkt ist 2024 im Ullstein Verlag erschienen und kostet gebunden 22,99 Euro sowie als E-Book 18,99 Euro.

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