Wo die Köpfe rollen
Die Überschrift übertreibt es etwas, aber in Der Meister der
Thriller-Autorin Tess Gerritsen gibt es nicht mehr viel, was etliche Köpfe daran
hindern könnte, sich von ihren Besitzern zu lösen: Ein Serienmörder geht um,
der ein Muster fast vollständig kopiert, das Detective Jane Rizzoli vom Boston
Police Department von ihrem vorangegangenen Fall Die Chirurgin ein Jahr zuvor
nur zu gut kennt.
Der zweite Fall der Rizzoli-&-Isles-Reihe
Die 105-teilige TV-Serie Rizzoli & Isles ist vermutlich
besser bekannt als die nur 11-bändige Buchreihe von Tess Gerritsen, auf der sie
lose basiert. So lose, dass man die Polizistin Jane Rizzoli und die
Rechtsmedizinerin Maura Isles nur ansatzweise wiedererkennt. Die literarische
Isles hat ein völlig anderes Aussehen und Auftreten als ihr Fernseh-Pendant,
nur hinsichtlich der fachlichen Kompetenz und Souveränität sind sich die beiden
Figuren ebenbürtig. Jane Rizzoli wurde ebenfalls fernsehkonform verändert, wenn
auch nicht so stark. Von einer engen Freundschaft der beiden Frauen kann im Buch im
Gegensatz zur Fernsehserie keine Rede sein.
In Der Meister wird Rizzoli an einen Tatort gerufen, der
außerhalb ihres eigentlichen Zuständigkeitsbereichs liegt: In Newton wurde der
Chirurg Richard Yeager in seinem Haus ermordet aufgefunden, von seiner Frau
fehlt jede Spur. Aber der ermittelnde Detective Korsak hatte die Arbeit
Rizzolis im letzten Jahr verfolgt, als es ihr gelungen war, den Serienmörder
Warren Hoyt zu stellen, der nachts in die Wohnungen von alleinstehenden Frauen
eingebrochen war und seine Opfer getötet hatte, nachdem sie von ihm einem
gynäkologischen Eingriff unterzogen wurden. Allen
Taten war damals gemeinsam, dass den Opfern die Kehlen durchgeschnitten wurden.
Genau so wird auch Yeager vorgefunden: mit dem Rücken an
einer Wand sitzend, mit durchtrennter Halsschlagader und Luftröhre. Auf einem
Stuhl liegt ordentlich zusammengefaltet das mit Blut bespritzte Nachthemd seiner
Ehefrau. Nach einer gründlichen Spurenauswertung stellt sich heraus, was sich im
Schlafzimmer der Yeagers zugetragen hat: Der Täter hat Richard Yeager mit einem
Taser bewegungsunfähig, aber nicht bewusstlos gemacht. Er lehnte den Mann gegen
die Wand gegenüber des Bettes und zwang ihn so, hilflos die Quälereien
anzusehen, die der Täter an seiner Frau vollzog. Erst dann brachte er ihn um.
Es tritt wenig später ein, was alle am Tatort Anwesenden befürchten:
Die verschwundene Frau des Chirurgen wird gefunden – ebenfalls ermordet. Ihre
Leiche befindet sich in einem Naturreservat an der Stadtgrenze von Boston. Doch
dort bleiben Rizzoli und ihre Kollegen nicht allein: Wie aus dem Nichts taucht
Agent Gabriel Dean vom FBI auf und mischt sich in die Arbeit der Polizei ein.
Schon bald wird deutlich, dass er über Hintergrundwissen verfügt, das er aber
nicht teilen will. Rizzoli und Korsak trauen ihm nicht über den Weg und
vermeiden eine Kooperation, wo es möglich ist. Welches Interesse das FBI an diesem
Fall haben könnte, ist völlig unklar.
Es bleibt nicht bei zwei Toten
Warren Hoyt verfolgt vom Hochsicherheitsgefängnis aus die
Berichterstattung über die Ermittlungen im Fall des Ehepaars Yeager und erfährt
so, dass Jane Rizzoli die hierfür verantwortliche Polizistin ist. Eben jene Rizzoli,
die ihn vor einem Jahr in letzter Sekunde daran gehindert hatte, auch sie zu
töten und die ihn zur Strecke gebracht hat. Hoyt beginnt darüber nachzudenken,
wie er das Gefängnis verlassen und erneut Jagd auf sein Lieblingsopfer machen
kann, das sich ihm entziehen konnte.
Kurz darauf ereignet sich in einem noblen Bostoner Stadtteil
ein weiterer Mordfall, der dem der Yeagers mit Ausnahme eines kleinen Details
gleicht. Der Cellist Alexander Ghent wird in derselben Haltung aufgefunden wie
Tage zuvor der Chirurg Yeager. Auch in diesem Fall ist seine Frau
offensichtlich entführt worden, nachdem Ghent die sadistischen Taten, die an seiner
Partnerin verübt wurden, mitansehen musste. Doch die fehlende Kleinigkeit ist
für Rizzoli und Korsak ein deutlicher Hinweis darauf, dass hier zwei Täter am
Werk waren, die sich perfekt ergänzen.
Rizzoli kommt nicht um eine Zusammenarbeit mit FBI-Agent
Dean herum, der zwar von ihr über jede neue Erkenntnis informiert werden will,
selbst aber kaum etwas aktiv zum Ermittlungserfolg beiträgt und die
Ausstrahlung eines kalten Fisches hat. Ihr Eindruck, dass er etwas zu verbergen
hat, verstärkt sich.
Spannender Thriller mit ein paar Splatter-Effekten
Die Ehepaare Yeager und Ghent bleiben nicht die einzigen
Opfer. Es zeichnet sich ab, dass der Beginn der Mordserie deutlich weiter
zurückreicht und in einem ganz anderen Umfeld unbemerkt vollzogen werden
konnte. Die Tatorte werden so detailliert beschrieben, dass der Leser direkt in
die Umgebung hineinversetzt wird. Manchmal hätte allerdings auch eine zurückhaltendere und
blutärmere Schilderung der Tat- und Leichenfundorte genügt, um sich alles gut
vorstellen zu können.
Jane Rizzoli befindet sich in einem ständigen Kampf um
Anerkennung und drängt jede Schwäche zurück.
Das wirkt manchmal übertrieben und unnötig, zumal sich daraus einige Male
eigentlich überflüssige Reibereien mit ihren männlichen Kollegen ergeben. Trotz
allem ist Der Meister ein durchweg spannender Thriller, den ich Krimi-Freunden
empfehlen kann.
Der Meister ist unter dem Originaltitel The Apprentice 2003
erschienen. Die deutsche Fassung wurde 2005 bei Blanvalet herausgegeben. Ich
bedanke mich beim Bloggerportal für das Überlassen eines Rezensionsexemplars.
Der Meister kostet als Taschenbuch 9,90 €, als eBook (epub)
8,99 € sowie als Hörbuch-Download 27,95 €.
Mir ist dieses Buch gerade heute erstmals im Buchgeschäft aufgefallen und dachte, es wäre eine Neuerscheinung. Aber dabei ist es ja schon sehr, sehr alt!
AntwortenLöschenEgal, ich bin ein totaler Tess Gerritsen-Fan, das Buch muss ich lesen.
Tatsächlich kenne ich die Fernsehserie gar nicht! Sachen gibts ...
LG Sabienes
Das Buch kann ich auf jeden Fall empfehlen. Mir ist erst aufgefallen, dass die Serie Rizzoli & Isles (grundsätzlich) aus der Feder von Tess Gerritsen stammt, als ich es vor ein paar Monaten im Abspann einer Folge gelesen habe. Tja... ;-)
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