Freitag, 7. Oktober 2022

# 366 - Skurrilität gepaart mit autobiographischen Inhalten

Jan Faktor wurde in Prag geboren und siedelte 1978
wegen der Liebe nach Ost-Berlin über. Zehn Jahre zuvor hatte er in Prag Annette Simon, die Tochter der Schriftstellerin Christa Wolf, kennengelernt. Sein Sohn Benjamin nahm sich vor zehn Jahren im Alter von 33 Jahren das Leben.

Die Biographie eines Autors vorzustellen gehört normalerweise nicht an den Anfang einer Rezension. Ich mache hier eine Ausnahme, weil es genau das ist, worum es in Jan Faktors aktuellem Roman Trottel geht.

Der Suizid seines psychisch kranken Sohnes ist das größte Trauma in Faktors Leben. Immer wenn es in seinem Buch um ihn geht, verändert sich die Sprache: Beschreibt Faktor sein eigenes Leben oder vergleicht er Prag mit Ost-Berlin, driftet er ab, erfindet neue Wortschöpfungen oder lässt Personen auftauchen, die schon kurz nach ihrer Benennung wieder so gründlich verschwinden, als hätte es sie gar nicht gegeben. 

Wendet er sich hingegen seinem Sohn zu, sind seine Formulierungen klar und beinahe sachlich, die Liebe ist jedoch immer spürbar. Das gilt auch dann, wenn Faktor über Zeiten schreibt, in denen er und seine Frau vom Leben ihres Sohnes nicht viel mitbekommen haben und manches erst nach seinem Tod erfuhren.

Ich habe Trottel dennoch nach dem ersten Drittel abgebrochen. Die Abschnitte, in denen Jan Faktor inhaltlich hin und her gesprungen ist wie ein Känguru auf der Flucht, wurden mir zu viel. Seitenlang ging es um zum Teil aus meiner Sicht redundante Inhalte, die von mindestens ebenso redundanten Fußnoten gespickt waren, die weder die Handlung weiterbrachten noch eine Erkenntnis lieferten.

Lesen?

Im Kapitel "Siebzehnmal darfst du raten" findet sich ein Satz, zu dem ich zustimmend genickt habe:

"Erzähle ich zu viel Überflüssiges - oder sogar den reinen, unsauber randomisierten Unsinn?"

Trottel ist 2022 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen und kostet als gebundenes Buch 24 Euro sowie als E-Book 19,99 Euro.

Jan Faktor wurde für diesen Roman mit dem Wilhelm-Raabe-Literaturpreis ausgezeichnet. Trottel steht außerdem auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2022.

Nachtrag: Auf ihrem Blog Mikka liest das Leben hat Mikka, eine der offiziellen Buchpreisblogger*innen für den Deutschen Buchpreis, ebenfalls den Roman rezensiert. Lest hier, wie er ihr gefallen hat.

2 Kommentare:

  1. Hallo Ina,

    die Passagen, in denen er über seinen Sohn sprach, waren für mich die stärksten des Buches. Aber die Balance zwischen diesem Thema und den ausufernden Wortspielereien war für mich einfach nicht gelungen.

    Ich verlinke deine Rezension gleich mal in meiner Rezension!

    LG,
    Mikka

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    1. Liebe Mikka,
      das habe ich genauso empfunden. Aber der gute Eindruck an diesen Stellen reichte nicht für einen guten Gesamteindruck.
      LG
      Ina

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