Montag, 2. September 2024

# 450 - Frauen im ersten Deutschen Bundestag - keine Selbstverständlichkeit

Am 7. September 1949 kamen die 410 Abgeordneten des ersten Deutschen Bundestages zum ersten Mal zusammen. Darunter waren 28 Frauen; bis zum Ende der Legislaturperiode sollten es 38 sein.

Die Herren fremdelten mit der Situation. Sie waren nicht gewohnt, dass eine Frau das Wort ergreift und die eigenen Positionen verteidigt. Zu dieser Unsicherheit gehörte auch die Frage, wie die Kolleginnen angesprochen werden sollen. Zwar saßen zwischen 1919 und 1933 bereits in der Nationalversammlung und im Reichstag insgesamt mehr als 100 Frauen, aber trotzdem mussten die weiblichen Bundestagsabgeordneten um den Respekt und die Anerkennung ihrer männlichen Kollegen kämpfen.

"Der nächste Redner ist eine Dame" war die Aufforderung des ersten Bundestagspräsidenten Erich Köhler an die CDU-Abgeordnete Anne Marie Heiler, das Wort zu ergreifen. Der treffende Titel dieses Sachbuchs deutet an, wie schwer es den weiblichen Abgeordneten gemacht wurde, überhaupt zu Wort zu kommen. Anne Marie Heiler musste 64 Sitzungen auf die Gelegenheit warten, sprechen zu dürfen. Da die Kollegen, die vorher am Rednerpult gestanden haben, ihre zulässige Redezeit überzogen hatten, wurde diese für Heiler kurzerhand reduziert.

Natalie Weis ist Historikerin und arbeitet für den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags. Sie stellt alle weiblichen Abgeordneten des ersten Deutschen Bundestages in mehrseitigen Kurzbiografien vor. Fünf Abgeordnete werden darüber hinaus von Schriftstellerinnen wie zum Beispiel Juli Zeh oder Terézia Mora in längeren Texten porträtiert, wobei jede einen anderen Stil wählt.


Lesen?


Der nächste Redner ist eine Dame bietet den bislang einzigen Überblick über die ersten weiblichen Bundestagsabgeordneten. Die meisten von ihnen sind längst vergessen. Das ist umso bedauerlicher, wenn man erfährt, unter welchem persönlichen Einsatz sie ihre Mandate wahrgenommen haben und wie man immer wieder versuchte, sie in die Ecke der klassischen "Frauenthemen" wie Soziales und Familie zu drängen. Auch, wenn jede Abgeordnete eigene Schwerpunkte hatte: Alle 38 Frauen haben sich nach den üblen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus für den Aufbau und die Stabilisierung der jungen Demokratie stark gemacht, obwohl ihnen viele Steine in den Weg gelegt wurden. Jede Einzelne von ihnen kann mit ihrer Durchsetzungs- und Willensstärke als Vorbild dienen. Diese Entwicklungen nachzuvollziehen, macht das Buch zu einer sehr interessanten Lektüre.

Der nächste Redner ist eine Dame wurde 2024 vom Deutschen Bundestag herausgegeben und ist im Ch. Links Verlag veröffentlicht worden. Das Sachbuch kostet gebunden 25 Euro und als E-Book 18,99 Euro.

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